14.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 24

Eva HöglSPD - Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Lazar, ganz herzlichen Dank für das Lob, das wir sehr gerne entgegengenommen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

10 Millionen Euro sind kein Pappenstiel. Dass das Programm jetzt auf mehr als 40 Millionen Euro aufgestockt wird, war gestern ein guter Beschluss. Darüber haben wir uns sehr gefreut.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben mit dem Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses im September 2013 50 Maßnahmen vorgeschlagen, die die Zustimmung aller Fraktionen im Deutschen Bundestag fanden. Deswegen sind diese Empfehlungen eine gemeinsame Verpflichtung für uns alle im Bundestag.

Wir brauchen Reformen – das wurde bereits festgestellt – bei der Polizei, beim Verfassungsschutz und auch bei der Justiz. Heute geht es in unserer Debatte um die Justiz. Justizminister Heiko Maas hat dazu gute und wichtige Vorschläge vorgelegt.

Zunächst geht es um die Stellung des Generalbundesanwalts. Bei der NSU-Mordserie wäre, so haben wir im Untersuchungsausschuss festgestellt, eine zentrale Übernahme durch den Generalbundesanwalt oder auch ein staatsanwaltschaftliches Sammelverfahren nicht nur denkbar, sondern auch erfolgversprechender gewesen.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Und notwendig!)

– Das wäre notwendig gewesen. – Die Forderung nach einem zentralen Ermittlungsverfahren wurde auch seitens der Staatsanwaltschaften Rostock und München erhoben. Deswegen haben wir uns entschlossen, genau an diesem Punkt anzusetzen und dem Generalbundesanwalt dies zu ermöglichen. Er hat auch selbst geprüft, ob eine Übernahme des Verfahrens in Betracht kommt. Aber weil dafür eine subjektiv staatsschutzfeindliche Zielvorstellung Voraussetzung ist, hat er das abgelehnt. Zu den Details, wie er das geprüft hat – nämlich leider nur auf Grundlage von Presseberichten –, könnte man durchaus noch etwas anmerken.

Aber wir sind jedenfalls zu der Erkenntnis gekommen, dass für die Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt ein objektiv staatsschutzfeindlicher Charakter der Tat ausreicht und wir dies nicht zusätzlich mit der Voraussetzung einer subjektiv staatsschutzfeindlichen Motivation verbinden dürfen. Das regelt der Gesetzentwurf. Außerdem soll der Generalbundesanwalt bei länderübergreifenden Straftaten die Verfahren übernehmen können, sodass ein Kompetenzgerangel, wie wir es beim NSU erlebt haben, künftig vermieden werden kann. Wir erleichtern die Führung eines Sammelverfahrens.

Ich finde einen Punkt sehr wichtig, den ich hervorheben möchte: Der Generalbundesanwalt wird mit dem Gesetz die Möglichkeit bekommen, frühzeitig in laufende Ermittlungen eingebunden zu werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass seine Zuständigkeit in Betracht kommt. Das ist eine sehr wichtige Änderung.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich nehme gerne Stellung zu § 46 Absatz 2 StGB und auch zu dem Vorwurf, es handele sich hierbei um symbolische Gesetzgebung. § 46 Absatz 2 sieht selbstverständlich schon jetzt vor, lieber Kollege Ströbele, dass eine rassistische, rechtsextreme, fremdenfeindliche Motivation strafverschärfend beim Strafurteil berücksichtigt werden kann. Wir wissen aber, dass das in der Praxis – das wurde hier schon angesprochen – nur in Ausnahmefällen geschieht. Die Gerichte berücksichtigen diese Motivation häufig nicht.

Ich möchte den Fall eines Paars aus Hoyerswerda schildern, den ich schon einmal angesprochen habe. Die Polizei in Hoyerswerda hat das Paar aufgefordert, umzuziehen, weil sie das Paar nicht mehr schützen konnte. Die Wohnung des Paars wurde stundenlang von rechtsextremen Tätern belagert. Das Paar erhielt Todes- und Vergewaltigungsdrohungen. Die Täter traten gegen die Wohnungstür und sangen Naziparolen. Der Spion wurde zugeklebt. Die Täter wurden im Januar 2014 verurteilt. Ihre rechtsextreme Tatmotivation und politische Einstellung wurden nur deshalb berücksichtigt, weil die Betroffenen als Nebenkläger im Prozess sehr engagiert auftraten und darauf gedrungen haben.

Ich möchte Ihnen ein weiteres Beispiel nennen, das Sie sicherlich in den Medien verfolgt haben. Eine Familie aus Syrien wurde auf dem Volksfest „Eisleber Wiese“ brutal zusammengeschlagen. Wir alle haben diesen Fall zur Kenntnis nehmen müssen. Teilweise konnte das Leben der Betroffenen nur mit Mühe gerettet werden. Die Vorsitzende Richterin fand – das ist ein positives Bei- spiel – bei ihrem Urteil deutliche Worte, hob die fremdenfeindliche Gesinnung der Täter hervor und verurteilte sie scharf. Wie wir sehen, gibt es also Möglichkeiten. Aber wir wollen § 46 Absatz 2 ändern, damit es nicht bei der Möglichkeit bleibt und dies den Gerichten überlassen bleibt – in der Praxis wird eine solche Motivation, wie gesagt, selten strafverschärfend gewürdigt –, sondern damit es eine Verpflichtung dazu gibt, solche Motivationen strafverschärfend zu berücksichtigen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich halte Folgendes für sehr wichtig – deswegen ist es keine symbolische Gesetzgebung –: Eine solche Klarstellung und Verdeutlichung in § 46 Absatz 2 wird Auswirkungen auf die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, auf das Vorfeld vor einem strafrechtlichen Urteil, haben.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Hoffentlich!)

Denn Polizei und Staatsanwaltschaft sind natürlich ganz anders gehalten, auch in diese Richtung zu ermitteln, wenn sie wissen, dass die Strafgerichte diese Motivation dann strafverschärfend berücksichtigen. Deshalb ist das eine gute und wichtige Änderung.

Eine letzte Bemerkung zur RiStBV. Ich denke – ich hoffe, dass ich hier im Namen vieler Kolleginnen und Kollegen spreche –, dass die Dienstanweisungen und Ermittlungsrichtlinien für Straf- und Bußgeldverfahren nun so geändert werden müssen, wie es der NSU-Untersuchungsausschuss vorgeschlagen hat. Es ist unsere Forderung Nummer eins, dass eine fremdenfeindliche Motivation zwingend geprüft werden muss. Wir erwarten mit Spannung, dass sich die Justizministerinnen und Justizminister entsprechend positionieren und einen Beschluss fassen.

Ich denke, wir sind auf einem guten Weg. Ich freue mich auf die weitere Umsetzung der Beschlüsse des NSU-Untersuchungsausschusses.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Tankred Schipanski von der CDU/ CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4112466
Wahlperiode 18
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine