14.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 24

Tankred SchipanskiCDU/CSU - Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses der 17. Legislaturperiode freue ich mich natürlich, dass nunmehr auch das BMJV die Umsetzung der Empfehlungen des Untersuchungsausschusses vorantreibt. Schnell wurde bei unserer Aufklärungsarbeit klar, dass es nicht nur Polizei und Verfassungsschutz sind, die einer kritischen Betrachtung bedürfen, sondern allen voran auch die Rolle der Staatsanwaltschaften und der Gerichte.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

Die Staatsanwaltschaft als die Herrin des Verfahrens, der bis zur NSU-Aufklärung über Zweifel erhabene Generalbundesanwalt und einfachste Anordnungen durch das Gericht im Rahmen klassischer Ermittlungsarbeit, auf allen diesen Feldern mussten wir eklatante Mängel feststellen. Ich erinnere mich an den Zeugen Dr. Förster, bei dessen Aussage wir fast den Glauben an die Arbeitsweise des GBA verloren haben; Frau Högl hat das bereits angesprochen. Ich erinnere mich an die Aussage des Zeugen Staatsanwalt Schultz aus Gera, bei der wir feststellen mussten, dass die Justiz in Thüringen in den 90er-Jahren absolut überfordert war; der Minister hat das bereits angesprochen. Wir haben fraktionsübergreifend – darauf hat Frau Högl zu Recht hingewiesen – Handlungsempfehlungen beschlossen, die auch den Bereich der Justiz betreffen.

Einen Baustein beraten wir heute hier in erster Lesung. Ich sage ganz bewusst: einen Baustein; denn wir wissen um die Maßnahmen, die bereits in der letzten Legislatur ergriffen wurden, gerade im Hinblick auf Nummer 15 und Nummer 202 in der RiStBV. Ich denke auch an die Standards, die sich der Generalbundesanwalt für seine Arbeit gegeben hat. Heute erfolgt nun ein nächster, aber nicht der letzte Schritt mit Blick auf die Anpassung des Gerichtsverfassungsgesetzes.

Mit der vorliegenden Anpassung des GVG wollen wir die Begründung der Zuständigkeit des Generalbundesanwaltes vereinfachen sowie sicherstellen, dass der GBA frühzeitig in laufende Ermittlungen einbezogen wird. Die Anpassung des GVG tut not, weil wir im Rahmen der NSU-Aufklärung praxisnah erlebt haben, dass die Zusammenarbeit zwischen dem GBA und den Staatsanwälten eben nicht richtig funktioniert.

Einen eigenen Akzent setzen die Kollegen des Rechtsausschusses, wenn sie nunmehr im Bereich der Strafzumessung über die Empfehlung des Untersuchungsausschusses hinausgehen und eine ausdrückliche Regelung aufnehmen, um fremdenfeindliche Beweggründe bei einer Tat schärfer zu ahnden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das sind richtige Schritte, und ich erinnere zugleich daran, dass weitere im Bereich der Justiz umgesetzt werden. Es bedarf sicherlich mit Blick auf den Informationsaustausch zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei oder auch im Hinblick auf den Opferschutz weiterer Maßnahmen; denn noch heute erleben wir in der Praxis Defizite beim Umgang mit Opfern extremistischer Gewalt. Die Opferberatungsstelle ezra der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland in Neudietendorf hat in diesem Jahr einen Bericht vorgelegt, der aufzeigt, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Der Name der Studie „Die haben uns nicht ernst genommen“ zeigt exemplarisch, wo in der Praxis noch Optimierungsbedarf bei der Arbeit mit Opfern extremistischer Gewalt vorhanden ist. Da geht es nicht immer um große Gesetzesänderungen, sondern es reicht oftmals schon die Anpassung von Verhaltensrichtlinien oder Belehrungsvorschriften. Dreh- und Angelpunkt ist oftmals diese RiStBV, bei deren Anpassung auch die Bundesländer gefordert sind. Ich gehe davon aus, dass Sie, Herr Minister, regelmäßig im Rechtsausschuss über die Umsetzung der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses und auch über die Zusammenarbeit mit den Landesjustizministern in diesem Zusammenhang berichten werden.

Wir als Parlament bleiben dran, wir machen Druck. Der Bericht der Bundesregierung vom 18. Februar dieses Jahres zum Umsetzungsstand der Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses zeigt einen klaren Fahrplan auf. Wir werden anhand dieses Berichtes sowie anhand der Empfehlungen kontrollieren, inwieweit diese Umsetzung erfolgt. Die Debatte zum dritten Jahrestag der NSU-Aufklärung hat dies, denke ich, hier im Bundestag sehr deutlich gemacht.

Im Übrigen verbietet sich da jegliche Empörungsrhetorik. Noch nie haben eine Bundesregierung oder ein Parlament so planvoll und detailliert auf die Ergebnisse eines Untersuchungsausschusses reagiert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Neben den Maßnahmen im Bereich der Justiz sind es vor allem Maßnahmen im Bereich des Verfassungsschutzes und der Polizei, die wir als Konsequenz aus dem NSU-Komplex ergreifen. Ziel ist es dabei, dass wir unseren Staat weiterhin aktiv vor Extremismus und Terrorismus schützen. Ich erinnere an die Worte unseres Bundesinnenministers Thomas de Maizière: keine Maßnahme ohne Kenntnis.

Kenntnis erlange ich nur durch Vorfeldaufklärung. Im Freistaat Thüringen schickt sich die Linke an, gemeinsam mit einer unheiligen Allianz aus SPD und Grünen,

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das musste jetzt kommen!)

diese Vorfeldaufklärung abzuschaffen.

(Beifall der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Mich schockiert es, heute in den Medien lesen zu müssen, dass Rot-Rot-Grün in Thüringen die V-Leute abschaffen will

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

und somit eine effektive Extremismusbekämpfung verhindert. Mich schockiert, dass dieses Bündnis, statt Staatswohl zu fördern, nunmehr das Staatswohl gefährdet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)

In Thüringen wird das Gegenteil von dem gemacht, was der NSU-Untersuchungsausschuss hier im Bundestag empfohlen hat. Ich kann die Kollegen der SPD und der Grünen nur eindringlich vor einem solchen Bündnis warnen. Liebe Grüne, unter diesem Blickwinkel relativiert sich auch Ihr Antrag, den Sie heute vorlegen.

(Abg. Martina Renner [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kollege.

Ich freue mich auf eine Kurzintervention. Ich bin nämlich gleich fertig.

Mit Bernhard Lichtenberg kann ich Ihnen nur sagen: Die Taten eines Menschen sind die Konsequenzen seiner Grundsätze, und sind die Grundsätze falsch, so werden auch diese Taten nicht richtig sein.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Bevor wir zum Schluss der Debatte kommen, gibt es noch zwei Wünsche nach Kurzinterventionen von der Kollegin Renner und vom Kollegen Ströbele.

Wir beginnen mit der Kollegin Renner.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4112467
Wahlperiode 18
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta