Thomas BareißCDU/CSU - Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom
Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Lieber Herr Lenkert, die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Wälzung der Stromnetzentgelte für Privat- und Gewerbekunden scheint auf den ersten Blick nachvollziehbar zu sein. Ungleiche Preise sind immer für diejenigen ein Ärgernis, die davon negativ betroffen sind. Beispiele gibt es zur Genüge: Der Münchner Mieter wünscht sich die Mieten von Schwerin, der Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs in Stuttgart würde gerne Berliner Preise bezahlen, und das Kilo Äpfel kostet auf dem Land wahrscheinlich etwas weniger als in der Stadt.
Auch bei den Netzentgelten gibt es Unterschiede. Hier trifft es viele Regionen in den neuen Ländern, wie gerade schon beschrieben, aber auch vermehrt den ländlichen Raum in ganz Deutschland. Die Verbraucher aus diesen Regionen zahlen höhere Netzentgelte und damit auch höhere Strompreise, da die Kosten im Verteilnetz auf die betroffenen Kunden nur regional umverteilt werden.
Auch wenn ich den Unmut der Betroffenen nachvollziehen kann, so gilt grundsätzlich: Eine Marktwirtschaft braucht auch Preisunterschiede. Nur so können Angebot und Nachfrage effizient ausgeglichen werden. Gleichmacherei ist zwar die vermeintlich leichte Lösung, jedoch nicht nachhaltig und auch nicht immer gerecht. Bundeseinheitliche Netzentgelte sind weder gerecht, noch schaffen sie ausreichend Anreize, den Netzausbau stärker mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zu synchronisieren. Im Gegenteil: Sie schaffen weitere Gerechtigkeitsdebatten und Ineffizienzen.
Herr Kollege Bareiß, gestatten Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung des Kollegen Lenkert?
Nein.
(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Er muss noch zum Flieger!)
Es gibt gute Gründe für regionale und differenzierte Netzentgelte. Erster Grund: In den neuen Bundesländern wurden die Netze nach der Wiedervereinigung umfangreich modernisiert; das wurde gerade beschrieben. Das war auch dringend notwendig. Die daraus resultierenden langfristigen Abschreibungskosten sind nun von den örtlichen Kunden zu tragen. Auch diese profitieren von den Investitionen.
Das wird sich aber in den nächsten Jahren ändern; denn in den nächsten Jahren sind verstärkt Neuinvestitionen in die Netze in den alten Bundesländern erforderlich. Auch hier braucht es moderne Netze, die sich an die zukünftigen Herausforderungen anpassen. Deshalb wird es in den nächsten Jahren zwangsläufig auch hier zu Verschiebungen kommen.
(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nein!)
Zweiter Grund – auch dieser wurde schon genannt –: Der zukünftige enorme Ausbau der erneuerbaren Energien findet vor allem in den ländlichen Regionen und nicht in Ballungsräumen statt.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Eben drum!)
Das gilt sowohl für den Westen als auch für den Osten unseres Landes. Deshalb kann man Düsseldorf auch nicht mit dem Havelland in Brandenburg vergleichen – das war das Beispiel, das Sie vorhin genannt haben –, so wie das auch in Ihrem Antrag zu finden ist.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Lesen Sie doch noch einmal nach! Die Argumentation war anders!)
Auch in meiner Heimat, in Baden-Württemberg, gibt es ländliche Gebiete mit einem stärkeren Zubau der erneuerbaren Energien
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Deswegen wollen wir ja bundesweit!)
und entsprechend höheren Netzentgelten. Das gilt natürlich auch für die dünn besiedelten Gebiete der neuen Bundesländer, in denen derzeit ein starker Ausbau von erneuerbaren Energien erfolgt. So ist die Ökostromproduktion in Ostdeutschland um 10 Prozent höher als im Westen.
Eines kann man schon heute sagen: Der Schwerpunkt der hohen Netzentgelte wird sich in den kommenden Jahren noch stärker in den ländlichen Raum verlagern, auch in den alten Bundesländern. Dadurch ergibt sich aber nicht nur ein höheres Netzentgelt, sondern auch eine hohe regionale Wertschöpfung,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Nein! Eben nicht!)
die durch den Ausbau der erneuerbaren Energien gewollt ist und die von diesem Pult aus oftmals beschrieben und gelobt wurde.
Der ländliche Raum hat mit der Energiewende ein neues Wachstumsfeld bekommen,
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Die Regionen haben nichts davon!)
das im Übrigen von allen Stromverbrauchern mit über 20 Milliarden Euro jährlich subventioniert wird. Niemand profitiert von der Energiewende mehr als die ländlichen Räume. Landwirte, Kommunen, Häuslebauer und Handwerksbetriebe auf dem Land profitieren in besonderer Weise von der Energiewende; denn wo erneuerbare Energien ausgebaut werden, entsteht auch regionale Wertschöpfung.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Eben nicht!)
Einheitliche Netzentgelte sind nicht gerechter, sondern sie hebeln die bestehende Anreizregulierung aus; denn das derzeitige Anreizregulierungssystem setzt Effizienzanreize für die verschiedenen kommunalen und regionalen Netzbetreiber.
(Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: So ein Quatsch!)
Solche regulatorischen Effizienzanreize sind erforderlich, um ineffiziente Investitionen zulasten der Stromverbraucher zu vermeiden.
Ein einheitliches Netzentgelt würde den Effizienzwettbewerb zunichtemachen. Das wäre kontraproduktiv. Damit würde beispielsweise auch die Sinnhaftigkeit, dass wir 900 Verteilnetzbetreiber haben, infrage gestellt. Denn wenn wir ein einheitliches Netzentgelt einführen, dann würde auch ein großer Verteilnetzbetreiber völlig ausreichen. Die immer wieder von vielen propagierte Rekommunalisierung, die auch von Ihnen gewünscht wird, wäre damit endgültig überflüssig.
Meine Damen und Herren, wer tatsächlich die Netzentgelte mindern will, muss das System der „vermiedenen Netzentgelte“ angehen und die erneuerbaren Energien netztechnisch besser steuern. Das System der vermiedenen Netzentgelte ist überholt; seine Abschaffung würde bei den Netzentgelten um 350 Millionen Euro entlasten. Das käme vor allem den Regionen mit höheren Netzentgelten, also auch den vorhin genannten Regionen, nachhaltig zugute. Vermiedene Netzentgelte basieren auf der Annahme, dass dezentrale Stromeinspeisungen den Netzausbaubedarf auf der vorgelagerten Netzebene reduzieren. Dadurch würden, so die Annahme, Infrastrukturkosten vermieden.
Diese Grundannahme ist nachweislich falsch.
(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])
Denn gerade die Anlagen für fluktuierende erneuerbare Energien wie Wind- und Sonnenenergie sind die Ursachen für den erheblichen Netzausbau, der gerade auch die Verteilnetzumlagen ständig nach oben treibt. Bei den erneuerbaren Energien ist die Einspeisung nicht planbar, und die Anlagen sind nur schwer steuerbar, da eine Abnahmepflicht existiert. Es entstehen erhebliche Kosten für den Ausbau des bestehenden Netzes, da der Überschussstrom ins vorgelagerte Netz gedrückt wird. Darüber sollten wir reden, statt über die Art und Weise, wie wir die Netzentgelte zulasten der Verbraucher anders verteilen können.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, auch die erneuerbaren Energien müssen in Zukunft netzverträglicher ausgebaut werden. Wir sollten uns ernsthaft überlegen, ob die Netzanschlusspflicht und die Entschädigungsregelungen in der jetzigen Form noch sinnvoll sind. Denn der Ausbau von Windanlagen in netzschwachen Regionen geht lediglich zulasten der Verbraucher, die die stillstehenden Windräder über die EEG-Umlage entschädigen.
Deshalb ist es gut, dass wir dieses Problem zeitnah angehen möchten. Wir sollten ernsthaft über eine deutliche Senkung der Entschädigung für stillstehende Anlagen nachdenken.
(Beifall des Abg. Arnold Vaatz [CDU/CSU])
Heute erhält ein stillstehendes Windrad 95 Prozent der EEG-Vergütung. Wenn man diesen Wert absenken würde, gäbe es einen Anreiz für Anlagenbetreiber, in Regionen mit ausreichenden Netzen zu investieren. Das wäre volkswirtschaftlich sinnvoll; es wäre aber auch für die betroffenen Regionen eine spürbare Entlastung in der Zukunft.
Meine Damen und Herren, wir müssen natürlich auch die Netze weiter ausbauen. Denn das zeigt auch diese Debatte: Der Ausbau der erneuerbaren Energien alleine reicht nicht aus. Neuer Strom muss auch abtransportiert werden: vom Land in die Stadt, vom Norden in den Süden. Das bedeutet, Netze müssen ausgebaut und ertüchtigt werden. Hierfür haben wir bisher die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen. Jetzt müssen wir auch den Ausbau vorantreiben.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Der Kollege Lenkert hat jetzt die Möglichkeit zu einer Kurzintervention.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4112658 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 67 |
Tagesordnungspunkt | Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom |