14.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 67 / Tagesordnungspunkt 26

Herlind GundelachCDU/CSU - Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere Netze sind in allen drei Spannungsebenen ein unverzichtbarer Teil unseres Energiesystems – ich glaube, da sind wir uns einig –, und sie sind auch das Rückgrat unserer Energieversorgung. Daraus folgt: Ohne eine ausreichende Netzkapazität kann letztendlich auch die Energiewende nicht gelingen. Um dieses Rückgrat der Energiewende kontinuierlich stabil zu halten, arbeiten wir seit vielen Jahren daran, die Netzinfrastruktur mit der Energieerzeugung und dem Energieverbrauch in Einklang zu bringen; denn Netzausbau und Ausbau der erneuerbaren Energien bedingen einander und müssen deswegen eng verzahnt miteinander gestaltet werden.

Dabei müssen wir aber auch berücksichtigen, dass der Aus- und Umbau unseres Stromnetzes je nach regionaler Beschaffenheit unterschiedliche Anforderungen aufweist und dadurch auch unterschiedlich intensiv ausgeprägt ist. Dies hat vor allem zwei Gründe – auf sie sind die Vorredner schon eingegangen; deswegen, denke ich, muss ich das nicht auch noch tun –: Diese betreffen zum einen die Entwicklung in den neuen Bundesländern und zum anderen all die Regionen, wo erneuerbare Energien in stärkerem Umfang installiert worden sind als anderswo.

Ich möchte einmal ganz nüchtern auf die von der Linken präsentierten Zahlen eingehen. Sie sprechen in Ihrem Antrag davon, dass es teilweise eine Kostendifferenz von 100 Prozent geben würde, bei einem Verbrauch von 3 500 Kilowattstunden eine Kostendifferenz von 192 Euro. Da habe ich selber angefangen, ein bisschen zu rechnen. Gehen wir davon aus, dass die Netznutzungsentgelte ungefähr 22 Prozent des Strompreises ausmachen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Nein!)

Ich habe die Netzentgelte in ungefähr gleich großen Städten im Westen und im Osten miteinander verglichen und erhielt ganz andere Zahlen. Sie haben in Ihrem Antrag – darauf ist schon hingewiesen worden – eine Großstadt, nämlich Düsseldorf, mit einer Region, dem Havelland, verglichen. Damit ändern Sie Vergleichsparameter. Jeder Statistiker wird Ihnen sagen, dass das nicht geht.

Ich habe die Netzkosten der Kleinstädte Wittenberge in Brandenburg und Bad Saulgau in Baden-Württemberg miteinander verglichen. Beide Städte haben rund 17 000 Einwohner. Vergleicht man nun auf Grundlage des von Ihnen zitierten Vergleichsportals Verivox, müssen die Wittenberger bei einem Verbrauch von 3 500 Kilowattstunden rund 168 Euro an Netzkosten bezahlen, die Bad-Saulgauer rund 170 Euro. Ich glaube, das ist kein allzu großer Unterschied.

(Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Dieser Vergleich belegt, dass Sie Ihre Argumente offensichtlich nur mit einer bestimmten Brille gewählt haben; denn höhere Netznutzungsentgelte – das ist heute schon deutlich geworden – sind nicht nur im Osten und in strukturschwachen Regionen zu finden. Vielmehr zeigt sich, dass diese Netznutzungsentgelte regional unterschiedlich hoch ausfallen, und zwar im Westen wie im Osten.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Habe ich doch gesagt! Sie können nachlesen, dass ich das gesagt habe!)

Regionale Unterschiede müssen aus meiner Sicht aber auch regional gelöst werden.

(Beifall des Abg. Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/ CSU])

Genau aus diesen Gründen werden die Netznutzungsentgelte gemäß dem Verursacherprinzip regional gewälzt und dort getragen, wo sie anfallen. Wir haben in Deutschland doch auch ganz bewusst keinen Einheitsmietpreis und keinen Einheitswasserpreis. So etwas wie ein Länderfinanzausgleich für Netze wäre nicht marktwirtschaftlich und aus unserer Sicht auch nicht umsetzbar.

Davon abgesehen ignorieren Sie einen weiteren Punkt, auf den ich jetzt nur kurz eingehen möchte, nämlich dass mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien durchaus auch Wertschöpfung in diesen Regionen erfolgt, was zu erhöhten Steuereinnahmen und auch mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätzen führt. Durch eine bundesweite Vereinheitlichung der Netzentgelte würden wir den gewünschten Standortwettbewerb der Länder unterbinden. Die Höhe der Netzentgelte stellt gerade für stromintensive Unternehmen einen bedeutsamen Standortfaktor dar, der durch die Schaffung bundeseinheitlicher Netzentgelte nicht nachteilig beeinflusst werden sollte. Für die industriell geprägten Bundesländer, die nicht von einer gestärkten Wertschöpfung durch die Energiewirtschaft profitieren, könnten einheitliche Netzentgelte zu einer Mehrbelastung von bis zu 40 Prozent führen.

Die Energiewende führt, wie Sie in Ihrem Antrag richtig ausgeführt haben, zu einer Dezentralisierung unseres Energiesystems. Daher ist in der Vergangenheit auch immer wieder über die sachgerechte und angemessene Ausgestaltung der Netznutzungsentgelte diskutiert worden. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Netzentgelte dahin gehend zu überprüfen; das hat Herr Becker gerade gesagt. Das werden wir auch machen. Vor diesem Hintergrund haben wir bereits 2007 die Berechnung der Netznutzungsentgelte auf das Anreizregulierungssystem umgestellt. Ich kann mich erinnern, dass ich damals im Vermittlungsausschuss, als wir die ersten Überlegungen dazu anstellten, auf Länderseite dabei war. Das war ein schwieriger Komplex; aber ich glaube, der Ansatz, den wir damals gewählt haben, war richtig. Dieses System soll Netzbetreibern gerade Anreize zur Steigerung der Effizienz geben und damit zu Kostensenkungen für den Verbraucher führen. Die Genehmigung der Netzentgelte erfolgt durch die Bundesnetzagentur, die diese Prüfung sehr sorgfältig durchführt und dabei stets das Interesse der Verbraucher im Blick hat.

Eine Vereinheitlichung der Netzentgelte würde hingegen nach unserer Auffassung zu einer Aushebelung des Wettbewerbs und damit zu einer Entkopplung der Anreizmechanismen führen.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: Zuhören!)

Netzbetreiber hätten dann keine großen Anreize mehr für eine effiziente Bewirtschaftung ihrer Netze. Im Netz darf der Effizienzdruck nicht über Regulierung erfolgen, sondern muss weiterhin über den marktwirtschaftlichen Mechanismus des Preises funktionieren; alles andere geht aus meiner Sicht in Richtung Planwirtschaft. Sie fordern im Prinzip eine Situation ein, die einer Verstaatlichung der Netze gleichkommt. Planwirtschaft und Verstaatlichung durch die Hintertür, das wollen wir nicht unterstützen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nun auch Quatsch!)

Um die Wirkungsweise des Anreizregulierungssystems beurteilen zu können, haben wir die regelmäßige Erstellung eines Evaluierungsberichts durch die Bundesnetzagentur eingeführt. Dieser Evaluierungsbericht ist bis zum 31. Dezember 2014 dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorzulegen. Der Bericht wird unter anderem Angaben zum Investitionsverhalten der Netzbetreiber und zur Notwendigkeit von Maßnahmen zur Beseitigung von Investitionshemmnissen enthalten.

Sollten wir bei Überprüfung der Anreizregulierung feststellen, dass die vorhandene Netzentgeltsystematik nicht ausreichend greift, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir eine Novellierung systematisch angehen können, ohne dass bereits bestehende marktwirtschaftliche Instrumente ausgehebelt werden.

Ich sehe beispielsweise in der steigenden Eigenstromversorgung durchaus eine Herausforderung, der wir uns auch im Bereich der Netze stellen müssen. Hier könnte man zum Beispiel über eine Änderung der Netzanschlusskosten oder anderes nachdenken. Nicht durchdachte Schnellschüsse, wie sie Ihrem Antrag zugrunde liegen, sollten wir aus meiner Sicht in jedem Fall vermeiden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Johann Saathoff, SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4112725
Wahlperiode 18
Sitzung 67
Tagesordnungspunkt Bundeseinheitliche Netzentgelte für Strom
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