25.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt I.4

Norbert BarthleCDU/CSU - Bundesministerium der Finanzen Epl 08; Bundesrechnungshof Epl 20

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Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Bartsch, die Linke hat in den Haushaltsberatungen Mehrausgaben von sage und schreibe 54 Milliarden Euro gefordert. Sie haben nur zum Teil darüber gesprochen, wem Sie dieses Geld wegnehmen wollen. Ich finde, Sie sollten einmal genau sagen, wem Sie die 54 Milliarden Euro wegnehmen wollen;

(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Gerne!)

denn auch für die Linke fällt das Geld nicht vom Himmel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Arnold Vaatz [CDU/CSU]: Doch!)

Seriös wirtschaften sieht anders aus. Deshalb spreche ich jetzt über unseren Haushalt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Guter Scherz!)

Wir, die Große Koalition, schreiben mit dem Bundeshaushalt 2015 Geschichte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble ist der erste Finanzminister der Bundesrepublik Deutschland, der einen Haushaltsentwurf ohne neue Schulden vorlegt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir, der Deutsche Bundestag, werden am Freitag erstmals einen Bundeshaushalt ohne neue Schulden beschließen. Das ist ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Für uns ist die schwarze Null kein Fetisch. Für uns ist die schwarze Null keine Monstranz oder heilige Kuh, oder, um es mit Wowereit zu sagen, das ist für uns nicht besonders sexy. Vielmehr machen wir das schlicht und einfach, meine Damen und Herren, weil wir der Auffassung sind: Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir mit dem Geld auszukommen haben, das uns die Bürgerinnen und Bürger über ihre Steuern, über Gebühren zur Verfügung stellen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Die Schulen verrotten! Die Brücken verrotten und die Straßen!)

Deshalb finanzieren wir die Ausgaben in Höhe von 299,1 Milliarden Euro in diesem Haushalt ohne zusätzliche, ohne neue Schulden. Wir steigen aus aus dem ewigen Kreislauf ständig neuer Verschuldung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Etwas Weiteres beweisen wir damit: Die schwarze Null gefährdet nicht das Wachstum. Im Gegenteil: Das schrittweise Zurückfahren der Verschuldung über die vergangenen Jahre hinweg endet im vorliegenden Haushalt, aber wir haben dennoch Wachstum, wir können dennoch in Zukunft investieren. Beides gehört für uns zusammen.

Der zentrale Satz im Haushaltsgesetz 2015 lautet:

Das war übrigens, wie ich bereits gesagt habe, lange Zeit nicht so. Selbst 1969 unter Franz Josef Strauß waren im Entwurf noch Schulden in Höhe von 3,6 Milliarden D-Mark vorgesehen. Im Ist war dann sogar ein Überschuss da.

(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wer war da dann Finanzminister?)

Kompliment also auch an die CSU. Aber dennoch ist dies etwas Neues, was es bisher nicht gab. 1969 gab es also zuletzt einen ausgeglichenen Haushalt. Das war das Jahr, in dem Neil Armstrong den Mond betreten hat und in dem der Berliner Fernsehturm eröffnet wurde – das zur Erinnerung daran, was damals alles passiert ist.

Wir haben im Rahmen der parlamentarischen Beratungen den Haushalt nochmals verbessert. Der gute Entwurf des Finanzministers ist noch besser geworden, indem wir die Ausgaben um weitere 400 Millionen Euro abgesenkt und gleichzeitig die Investitionen um 360 Millionen Euro gesteigert haben. Ich möchte nur einige Beispiele für die politischen Schwerpunkte, die wir während der Haushaltsberatungen gesetzt haben, nennen:

Wir haben sehr viel für die innere Sicherheit getan. Die Bundespolizei wird mit gut 400 neuen Stellen ausgestattet und bekommt auch mehr Mittel zur Verbesserung der Personalstruktur. Wir geben zusätzliches Geld für moderne Schutz- und Einsatzbekleidung und für Fahrzeuge aus. Wir stellen das THW und auch die Feuerwehren besser. Wir stärken das Bundesamt für Verfassungsschutz;

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist keine gute Idee!)

denn das hat derzeit mit der Observation von Salafisten schwierige Aufgaben zu erfüllen. Der Etat wird um 10 Prozent aufgestockt. Das ist für die innere Sicherheit in diesen Tagen dringend notwendig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir kommen aber auch unserer humanitären Verantwortung nach und erhöhen die entsprechenden Mittel im Etat des Auswärtigen Amts und im Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, im BMZ, um insgesamt fast 280 Millionen Euro, um damit den aktuellen Entwicklungen in den Krisengebieten Rechnung tragen zu können.

Wir erhöhen den Etat für die Kultur wie schon in den Vorjahren deutlich und können damit auch das Denkmalschutzprogramm für national bedeutsame Kulturgüter wiederauflegen. Wir haben das Bauhaus-Jubiläum berücksichtigt. Wir schaffen Vorsorge für die Errichtung eines Museums für die Kunst des 20. Jahrhunderts in Berlin. An dieser Stelle gratuliere ich unserer Staatsministerin Monika Grütters ganz besonders zu diesem wegweisenden Schritt. Das wird für die Zukunft bedeutsam sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Außerdem statten wir die Deutsche Welle besser aus. Gerade die Deutsche Welle hat angesichts der Tatsache, dass andere Sender, die weltweit informieren, mehr Geld ausgeben – dazu gehören zum Beispiel Russia Today und al-Dschasira –, zunehmend Aufgaben zu erfüllen. Es ist nicht einfach, dagegenzuhalten.

Wir stocken auch den Verkehrsetat auf. Entsprechende Mittel für Lärmschutzmaßnahmen stehen zur Verfügung, und zwar mehr als bisher. Insbesondere tun wir etwas für die Deutsche Flugsicherung, indem wir ein 500-Millionen-Euro-Programm bis 2019 aufgelegt haben. Das verhindert unverhältnismäßig hohe Gebührenerhöhungen für die Fluggäste und stärkt somit den Luftfahrtstandort Deutschland. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges Signal.

Außerdem hat die Koalition ein Herz für den Sport. Wir erhöhen den Sportetat um 15 Millionen Euro,

(Beifall des Abg. Carsten Träger [SPD])

allerdings mit der klaren Aussage an die Organisationen und an den DOSB, dass wir im kommenden Jahr Vorschläge für Strukturreformen erwarten, die es ermöglichen, die Mittel effektiver einzusetzen und somit die Spitzensportförderung in den Zustand zu versetzen, dass wir international wieder wettbewerbsfähiger werden. Sportverbände, Trainer und der Kampf gegen Doping sollen insbesondere profitieren.

Wir haben den Personalbestand des Bundes trotz teilweise erheblicher Personalverstärkungen – zum Beispiel 350 zusätzliche Stellen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für die Asylbewerberverfahren – insgesamt reduziert. Im Vergleich zum Jahr 2014 gibt es insgesamt 1 100 Stellen weniger. Der Personalbestand des Bundes umfasst insgesamt 248 400 Stellen. Das sind deutlich weniger als noch im Jahr der Wiedervereinigung. Damals hatten wir 301 500 Stellen allein in den westlichen Bundesländern.

Lassen Sie mich zwei Worte zur Kritik der Opposition sagen, die bereits im Vorfeld vorgetragen wurde. Da war immer von Tricksereien und von Schattenhaushalten die Rede usw. usf.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt!)

Meine Damen und Herren, davon kann keine Rede sein. Im Gegenteil: Da wird nirgendwo getrickst. Wir haben nicht nur eine sehr gute Fassade, sondern auch die Substanz dieses Haushalts stimmt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Leider eben nicht!)

Wir sparen auch nicht an der Zukunft dieses Landes. Das Gegenteil haben wir in den vergangenen Jahren bewiesen. Wir haben nicht nur die strukturelle Verschuldung sukzessive zurückgeführt, sondern wir haben auch die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive zurückgeführt. Bei der Neuverschuldung kommen wir von 80 Milliarden Euro, die für das Jahr 2010 vorgesehen waren – am Ende waren es 44 Milliarden Euro –, und haben dann die Neuverschuldung Jahr für Jahr sukzessive in gleichmäßigen Schritten zurückgeführt.

Ich bin zuversichtlich, dass wir ebenso wie in den vergangenen Jahren, als wir jeweils besser abgeschnitten haben, als im Soll vorgesehen war, auch in diesem Jahr besser abschneiden werden und am Jahresende hoffentlich unter der vorgesehenen Nettokreditaufnahme von 6,5 Milliarden Euro bleiben können.

Wir halten die Schuldenbremse nicht nur ein; wir bleiben sogar deutlich unter der Grenze der Schuldenbremse. Wir haben die Kriterien bereits 2012 erfüllt, und auch dieses Mal bleiben wir deutlich unter den Vorgaben der Schuldenbremse.

Der Abbau der Neuverschuldung hat uns nicht geschadet, meine Damen und Herren. Trotz des Abbaus der Neuverschuldung haben wir ein ordentliches Wirtschaftswachstum. Eine solide und verlässliche Haushaltspolitik schafft Vertrauen, und Vertrauen ist die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum. Genau diese Formel geht bei uns auf.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Die derzeitige Situation ist also nicht irgendeinem glücklichen Umstand zu verdanken und uns einfach in den Schoß gefallen. Natürlich sind die Umstände günstig, natürlich haben wir das Glück niedriger Zinsen; keine Frage. Aber dieses Glück trifft nicht nur uns in Deutschland; die niedrigen Zinssätze der EZB gelten für alle. Man muss sein Glück also auch nutzen,

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!)

und wir nutzen unser Glück, indem wir richtig haushalten, indem wir richtig wirtschaften. Demzufolge können wir konsolidierte Haushalte vorlegen. Wir haben in diesem Land glücklicherweise eine Beschäftigungsquote, die so hoch ist wie noch nie, und eine Arbeitslosenquote, die so niedrig ist wie nirgendwo sonst in der Europäischen Union. Aber auch das ist uns nicht in den Schoß gefallen, sondern das muss man sich erarbeiten.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt ja im Haushalt gar nicht gearbeitet!)

Somit hat das nur wenig mit Glück zu tun, aber viel mit solider Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt komme ich zu einem weiteren Vorwurf der Opposition. Die Opposition behauptet immer wieder, wir würden in die sozialen Sicherungssysteme eingreifen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, falsche Richtung!)

Meine Damen und Herren, die Deutsche Rentenversicherung verfügt derzeit über Rücklagen in Höhe von gut 33 Milliarden Euro, und wir leisten einen Steuerzuschuss an die Rentenversicherung von jährlich gut 80 Milliarden Euro. Es ist also doch nur vernünftig, damit neue Belastungen zu finanzieren, anstatt die Rücklage noch stärker wachsen zu lassen.

Zum Gesundheitsfonds: Wir haben im vergangenen Jahr versprochen, dass wir den Zuschuss an den Gesundheitsfonds, der abgesenkt wurde, sukzessive wieder erhöhen. Das tun wir. In diesem Jahr wird der Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds um 1 Milliarde Euro erhöht. Auch an dieser Stelle lösen wir also unser Versprechen ein. Auch der Gesundheitsfonds verfügt über ordentliche Rücklagen. Das werden am Ende dieses Jahres rund 13 Milliarden Euro sein – zusätzlich zu den Rücklagen, über die die Krankenkassen verfügen. Daher muss kein Versicherter Sorge haben, dass seine Leistungen gekürzt werden.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die zahlen aber Zusatzbeiträge! Das haben fast alle Kassen angekündigt!)

– Wenn irgendwo Zusatzbeiträge erhoben werden sollten, Herr Kollege Kindler, dann liegt das an der jeweiligen Kasse, nicht am Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds ist gut gefüllt.

Deshalb lautet mein Appell an die Opposition auch an dieser Stelle: Bleiben Sie bei der Wahrheit, und bauen Sie keinen Popanz auf!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Lachen des Abg. Sven- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nebenbei bemerkt: Die exorbitant niedrigen Zinsen, die, wie gesagt, auf die Zinspolitik der EZB zurückgehen, schlagen sich selbstverständlich auch in den exorbitant niedrigen Zinssätzen für unsere Staatsanleihen nieder. Aber auch diese sehr niedrigen Risikoaufschläge – zehnjährige Staatsanleihen rentieren derzeit mit 0,8 Prozent – muss man sich erarbeiten. Wir haben uns das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte erarbeitet. Auch das ist nichts, was einem in den Schoß fällt. Das ist vielmehr zurückzuführen auf die solide Politik der vergangenen Jahre.

Deshalb erlaube ich mir folgenden Hinweis, meine Damen und Herren: Wer sich im europäischen Raum umschaut, stellt sehr schnell fest, dass die gute Situation, in der wir uns befinden, nicht nur mit Zufall und Glück zu tun hat, sondern mit der Politik der vergangenen Jahre zu tun hat.

Die Situation in Frankreich ist so, dass Frankreich seine Staatsausgaben in den vergangenen Jahren, zwischen 2010 und 2014, ordentlich erhöht hat: Im Haushaltsentwurf für 2014 waren Ausgabenzuwächse von 2,3 Prozent vorgesehen, für das kommende Jahr sind 1,8 Prozent vorgesehen, obwohl Frankreich unter dem Konsolidierungsdruck seitens der Europäischen Union steht. Wir haben einen Ausgabenzuwachs von 0,9 Prozent.

Wenn Sie sich die Entwicklung der Lohnstückkosten anschauen, werden Sie sehr schnell feststellen, dass sie bei uns stabil sind, dass sie in Spanien, in Portugal, in Griechenland deutlich zurückgegangen sind, dass sie aber in Frankreich und Italien gestiegen sind.

Das Glück der guten Begleitumstände dieser Zeit trifft also nicht nur Deutschland; es trifft alle. Deshalb ist es bemerkenswert, dass die Staatsquote in anderen Ländern steigt – in Frankreich in dieser Zeit von 56,4 auf 57,9 Prozent –, während wir bei uns in Deutschland eine rückläufige Staatsquote haben. Das ist Ausweis klarer, solider Politik und einer Haushaltspolitik, die Wachstumskräfte möglich macht, anstatt sie zu behindern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Johannes Kahrs [SPD])

Lassen Sie mich abschließend sagen, meine Damen und Herren: Der Haushalt 2015 und die mittelfristige Finanzplanung markieren den Beginn einer neuen und besseren Ära in der Haushaltspolitik des Bundes. Wir werden diesen Weg erfolgreich weiter beschreiten.

Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Kollege Kindler das Wort.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Bring uns in Stimmung, Sven!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4171129
Wahlperiode 18
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Bundesministerium der Finanzen Epl 08; Bundesrechnungshof Epl 20
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