Hendrik HoppenstedtCDU/CSU - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Rechtspolitik wird bekanntlich nicht mit dem Scheckbuch gemacht. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz ist in erster Linie ein Gesetzgebungs- und Beratungsministerium.
Aber Rechtspolitik ist natürlich auch nicht zum Nulltarif zu haben. Mein Kollege Gröhler ist als Haushälter schon auf viele Details des Einzelplans 07 eingegangen. Auch ich möchte noch einmal auf den erheblichen Aufwuchs im Personalhaushalt des Deutschen Patent- und Markenamtes hinweisen. Mit weit über 50 neuen Stellen wird es in die Lage versetzt, Patentanmeldungen schneller zum Abschluss zu bringen. Damit können Erfindungen zügiger auf den Markt gebracht werden, und das sichert und schafft Arbeitsplätze in Deutschland. Dieses Beispiel zeigt, dass wir nach einem Jahr erfolgreicher Großer Koalition neben den Verbesserungen im Bereich Opferschutz, auf die ich gleich noch zu sprechen kommen werde, viel für die Wirtschaft und den deutschen Mittelstand getan haben und zukünftig auch noch tun werden.
Lassen Sie mich das anhand der Nennung von drei Beispielen unterstreichen:
Beispiel Nummer eins. Wir haben das Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr beschlossen und damit die EU-Zahlungsverzugsrichtlinie umgesetzt. Wenn insbesondere kleinere mittelständische Unternehmen wochenlang auf die Begleichung einer Rechnung warten und die Materialkosten vorfinanzieren müssen, dann kann sie das schnell in den Ruin treiben, und das vernichtet Arbeitsplätze. Deshalb haben wir zur Sicherstellung der Liquidität von kleineren und mittleren Betrieben den bisweilen vorhandenen exorbitanten Zahlungsfristen ein Ende gesetzt. Die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelten Zahlungsfristen werden grundsätzlich auf 30 Tage begrenzt. Die Vereinbarung einer Zahlungsfrist von mehr als 60 Tagen ist nur dann wirksam, wenn sie ausdrücklich getroffen ist und im Hinblick auf die Gläubigerbelange nicht grob unbillig ist. Bei den öffentlichen Auftraggebern, die ja bekanntlich nicht immer die beste Zahlungsmoral haben, darf auch in Ausnahmefällen die 60-Tage-Frist nicht überschritten werden. Regelmäßig wird auch hier die Frist bei 30 Tagen liegen.
Beispiel Nummer zwei. Die Beseitigung der Haftungsfälle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht. Worum geht es hier? Kauft ein Handwerker, ohne dies zu wissen, mangelhaftes Material und baut dies bei einem Kunden ein, zum Beispiel Parkettstäbe, dann hat der Kunde aufgrund der werkvertraglichen Beziehungen einen Nachbesserungsanspruch. Der Handwerker muss die fehlerhaften Parkettstäbe auf seine Kosten ausbauen und fehlerfreie Parkettstäbe einbauen. Der Handwerker seinerseits hat gegen seinen Verkäufer aber nur Anspruch auf Lieferung einer mangelfreien Sache, das heißt, mangelfreier Parkettstäbe. Den wegen der hohen Lohnkosten zumeist viel teureren Ausbau und den anschließenden Einbau muss er aber selber tragen. Der Handwerker arbeitet also zweimal, bekommt aber nur einmal sein Geld. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag richtigerweise darauf verständigt, die Haftungsfalle für Handwerker im Mängelgewährleistungsrecht zu beseitigen. Handwerker und andere Unternehmer sollen nicht pauschal auf den Folgekosten von Produktmängeln sitzen bleiben, die der Lieferant oder Hersteller zu verantworten hat.
Wir wollen das Verursacherprinzip im Gewährleistungsrecht stärken. Wir streben dabei eine Lösung an, die sich bestmöglich in das Gewährleistungsrecht des BGB und damit in dessen Systematik einfügt und die auch die berechtigten Interessen der übrigen Beteiligten, insbesondere die Interessen des Handels, angemessen berücksichtigt; der Handel ist normalerweise nicht für Produktionsfehler verantwortlich.
Zu dieser Frage wird das Bundesministerium der Justiz gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Verbraucherrecht der Uni Bayreuth im nächsten Frühjahr ein Symposium durchführen. Danach werden wir uns erst mit dem Koalitionspartner, dann mit dem Ministerium und im Anschluss selbstverständlich mit dem gesamten Ausschuss über die konkrete rechtstechnische Umsetzung austauschen und uns hoffentlich einigen.
Beispiel Nummer drei. Wir möchten bei der Bewältigung von Konzerninsolvenzen zu Erleichterungen kommen. Es geht darum, die Sanierungsmöglichkeiten von Unternehmen zu verbessern. Das ist im Interesse der Gläubiger, aber ausdrücklich auch im Interesse der Arbeitnehmer.
Das geltende Insolvenzrecht ist auf die Bewältigung der Insolvenz einzelner Rechtsträger zugeschnitten. Wenn in einem Konzern mehrere Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, muss für jeden Unternehmensträger ein Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt werden. Diese zwangsweise Dezentralisierung kann zu Nachteilen führen, wenn die zu dem Konzern zusammengeschlossenen Unternehmen eine wirtschaftliche Einheit bilden. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die konzernweit verfügbaren Ressourcen, die bislang durch die Ausübung der Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmt war, wird auf mehrere Insolvenzverwalter verteilt. Es wird damit schwieriger, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Ziel des Gesetzentwurfs ist es daher, die im Fall einer Konzerninsolvenz zu eröffnenden Einzelverfahren über die Vermögen konzernangehöriger Unternehmen besser aufeinander abzustimmen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, neben diesen mittelstandsfreundlichen Regelungen geht es auch noch um den Schutz derer, die schwere Zeiten durchmachen, sei es, weil sie Opfer von Straftaten wurden, oder sei es, weil sie besonderes Leid erfahren haben. Auch hier möchte ich drei Beispiele geben:
Beispiel Nummer eins. Wir haben durch die Novelle im Sexualstrafrecht – das klang heute schon an – insbesondere Kinder und Jugendliche vor Missbrauch besser geschützt. Der Fall Edathy hat einmal mehr gezeigt, dass ein Markt für Kindernacktfotos existiert. Wir haben dem Handel mit Nacktfotos von Kindern und Jugendlichen einen Riegel vorgeschoben, um so die Würde der Kinder und der Jugendlichen zu schützen. Kinderfotos für das Familienalbum bleiben erlaubt. Der Handel und der Tausch von Kindernacktfotos ist kriminelles Unrecht und muss auch entsprechend bestraft werden.
Der Schutz in Obhutsverhältnissen wird ebenfalls verbessert. Für die Strafbarkeit sexueller Kontakte zwischen Lehrern und Schülern ist es künftig völlig unerheblich, ob der Lehrer nun Klassenlehrer oder Vertretungslehrer ist. Sexuelle Kontakte zu Schülern werden für alle Lehrer einer Schule strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Kinder und Jugendliche müssen besser vor Erwachsenen geschützt werden, die sich im Internet und sozialen Netzwerken als Kinder ausgeben. Deswegen verschärfen wir das Strafrecht im Bereich des sogenannten Cybergroomings. Als Union hätten wir uns durchaus noch gewünscht, dass auch der untaugliche Versuch unter Strafe gestellt wird; Täter, die auf Lockvogelangebote von Ermittlern eingehen, bleiben aber leider weiterhin straflos.
Beispiel Nummer zwei. Wir gehen das Angehörigenschmerzensgeld an. Wir werden einen eigenständigen Schmerzensgeldanspruch für Menschen schaffen, die einen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben. Anders als viele andere europäische Rechtsordnungen sieht das deutsche Recht einen solchen Angehörigenschmerzensgeldanspruch nicht vor. Bislang ist Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch des nahen Angehörigen, dass die Schwelle zum Schock und damit zu einer Gesundheitsverletzung des trauernden Angehörigen überschritten wurde. Das ist aber nicht besonders häufig der Fall.
Das, meine Damen und Herren, führt zu Wertungswidersprüchen: Leichte Schleudertraumata werden entschädigt, nicht aber das viel schwerwiegendere, zum Teil jahrzehntelange Leid bei Verlust eines nahen Angehörigen. Auch im Falle der Ehrverletzung und selbst für den Nutzungsausfall eines Pkw sowie für entgangene Urlaubsfreude wird Schadenersatz gezahlt. Man könnte deswegen den Eindruck gewinnen, dass umso eher finanzielle Kompensation geschuldet wird, je banaler die Rechtsverletzung ist, und umso weniger, je gravierender die Rechtsverletzung ausfällt. Diese Rechtslage empfinden wir als unbefriedigend.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Selbstverständlich kann die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes den Verlust eines nahen Menschen niemals ersetzen. Aber der Schmerzensgeldanspruch wäre ein Symbol der Solidarität der Gesellschaftund zeigt, dass die Rechtsgemeinschaft das seelische Leid auch entsprechend anerkennt.
Und ein letztes Beispiel: die Vorratsdatenspeicherung. Offen ist auch dieses Projekt. In manchen Bereichen ist die Speicherung von Verbindungsdaten erforderlich, um schwere Straftaten aufzuklären und Terrorakte verhindern zu können. Um häufigen Missverständnissen vorzubeugen: Es geht hier nicht darum, dass Korrespondenzen regelmäßig mitgelesen oder Gespräche mitgehört werden.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur gespeichert werden!)
Die Telekommunikationsanbieter sollen lediglich sogenannte Metadaten speichern, das heißt: Wer hat mit wem wann und wie lange telefoniert? Im Bedarfsfalle würde so auf diese Kommunikationsdaten zugegriffen werden können. Im Koalitionsvertrag haben wir uns darauf verständigt, dass die Vorratsdatenspeicherung nur bei schweren Straftaten und nach Genehmigung durch einen Richter sowie zur Abwehr akuter Gefahren für Leib und Leben erfolgen soll. Richtig ist, dass der EuGH die konkrete Richtlinie der EU zur Vorratsdatenspeicherung für nichtig erklärt hat.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hält Sie aber nicht davon ab, dasselbe noch einmal zu machen!)
Nachdem nun die konkrete Richtlinie gescheitert ist, geht es darum, eine europa- und verfassungsrechtlich konforme Regelung für die Vorratsdatenspeicherung zu finden. Ich bin besonders dankbar, dass die SPD-Innenminister in ihrer Berliner Erklärung vom 10. April 2014 zum Ausdruck bringen, dass sie das genauso sehen. Ich zitiere:
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich selber habe mich bei meinem Besuch beim BKA in Wiesbaden davon überzeugen können, wie wichtig diese Vorratsdatenspeicherung auch für unsere Ermittlungsbehörden sind, die wir an dieser Stelle gerne unterstützen möchten. Daher wünsche ich mir, dass wir als Koalition dieses Thema noch deutlich beherzter aufgreifen als in der Vergangenheit, auch wenn ich weiß, dass das rechtlich schwierig ist. Aber auch hier gilt der Satz: Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.
Meine Damen und Herren, die genannten Beispiele zeigen, dass wir auf dem Gebiet der Rechtspolitik schon viel erreicht haben, aber noch eine gute Wegstrecke vor uns haben. Nach einem Jahr Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag kann ich für mich jedenfalls feststellen, dass die Koalition gute Gesetzentwürfe auf der Grundlage der Arbeiten des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz beschlossen hat, dass es in der Rechtspolitik zwischen den Koalitionsfraktionen eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit gibt und dass es auch mit den Oppositionsfraktionen
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt hört es aber auf!)
trotz inhaltlicher Differenzen im Ausschuss ein zumindest nach meinem Dafürhalten sehr manierliches und ordentliches Miteinander gibt. Ich habe das ja schon in meiner letzten Rede gesagt. Da kam von der Opposition der Zwischenruf: „Warten Sie es mal ab!“ Ich habe jetzt eine ganze Weile gewartet, und ich muss sagen: Ich fühle mich in meiner Aussage durchaus bestätigt und freue mich deswegen auf die zukünftige Zusammenarbeit in diesem Ausschuss.
Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat die Kollegin Nicole Maisch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4173496 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07 |