Mechthild HeilCDU/CSU - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Verbraucherpolitik, die Verbraucherpolitik der CDU/ CSU, basiert auf fünf Säulen: erstens Verbraucherforschung, zweitens Verbraucherbildung, also gezielte Förderung der Verbraucherkompetenz, drittens Transparenz und gute Informationen für Verbraucher, viertens ein klarer Rechtsrahmen und fünftens wirksame Rechtsdurchsetzung.
Zur ersten Säule, der Verbraucherforschung. Gute Verbraucherpolitik orientiert sich an den Realitäten der Verbraucher. Unsere politischen Entscheidungen müssen sich stets am Alltag der Verbraucher orientieren und dort erfolgreich sein. Um ein möglichst realistisches Bild der Verbrauchersorgen zu erhalten, stellen wir im Haushalt 2015 erneut Geld ein: 637 000 Euro für die Verbraucherforschung und für die Finanzierung einer Stiftungsprofessur für Verbraucherrecht immerhin 225 000 Euro.
Aber damit nicht genug. Wir tun noch mehr. Wir haben auch einen Sachverständigenrat für Verbraucherfragen eingerichtet, der sich bereits im November dieses Jahres konstituiert hat. Der Sachverständigenrat soll das Bundesministerium beraten, und er soll Gutachten erstellen und Empfehlungen abgeben. Wichtig dabei ist, dass der Sachverständigenrat unabhängig ist. Wir haben auch Gelder für die Finanzierung einer Geschäftsstelle dieses Sachverständigenrates bereitgestellt.
Ich kämpfe für eine Verbraucherpolitik, die empirisch fundiert und wissenschaftlich reflektiert ist. Eine solche Politik greift auf den Sachverstand von Experten zurück und auf Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung.
Aber damit nicht genug. Wir gehen noch viel weiter. Wir sorgen auch für intensive Marktbeobachtung durch spezialisierte Verbraucherzentralen. Wir stellen über 5 Millionen Euro zur Verfügung, damit diese spezialisierten Verbraucherzentralen ihre Funktion als Beobachter wahrnehmen können, und zwar besonders in zwei Bereichen: zum einen im Bereich des Finanzmarktes und zum anderen in der digitalen Welt.
Damit die Erkenntnisse des Marktwächters Digitale Welt tatsächlich aufgegriffen und ausgewertet werden können, stellen wir dem Ministerium Mittel für die Einrichtung eines Referats zur Verfügung, Frau Drobinski- Weiß, das sich mit Kundendatenschutz beschäftigt.
Bei aller Forschung und Wissenschaft, bei aller Marktbeobachtung und Schwachstellenauswertung bleibt eines jedoch immer wahr: Jeder von uns, jeder Kunde und jeder Verbraucher, sollte in der Lage sein, gute Produkte und Dienstleistungen zu erkennen und von schlechten zu unterscheiden. Wir müssen lernen, Risiken einzuschätzen, um nicht auf unseriöse Geschäftemacher hereinzufallen. Das kann uns kein Staat, das kein Wissenschaftler und auch keine Verbraucherzentrale abnehmen.
Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Nehmen wir das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. Wir haben dafür gesorgt, dass Verbraucher besser vor unerwünschten Telefonanrufen, vor unseriösen Inkassofirmen und ungerechtfertigten Abmahnungen geschützt sind. Das Gesetz ist da. Vielen unseriösen Firmen konnten wir damit das Handwerk legen. Aber leider wird es auch weiterhin eine kleine Schar von schwarzen Schafen geben, die sich an kein Gesetz halten und durch Betrug versuchen, an Geld zu kommen. Gegen solche kriminellen Machenschaften hilft dem Kunden nur: gute Information über seine Rechte und eine einfache Rechtsdurchsetzung.
Ein anderes Beispiel ist die Pleite des Windkraftkonzerns Prokon, bei der auch viele Kleinanleger ihr Geld verloren haben. Die Stiftung Warentest hat davor gewarnt, die Verbraucherzentralen hatten gewarnt. Aber für manchen Verbraucher war die Verlockung wohl zu groß und der Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko offenbar doch unklar.
Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz schützen wir diese Verbraucher nun deutlich besser vor riskanten Anlagemöglichkeiten. Aber die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Finanzanlage muss der Verbraucher weiterhin selber treffen. Nach unserer tiefsten Überzeugung darf der Staat seine Bürger nicht bevormunden, und er darf ihnen nicht die Freiheit der Entscheidung nehmen.
Unsere Position ist klar: Wir wollen die Verbraucher grundsätzlich befähigen, gute und richtige Entscheidungen für sich zu treffen. Das ist die zweite Säule unserer Verbraucherpolitik: die Verbraucherbildung. Wir wissen und haben es auch im Koalitionsvertrag niedergeschrieben, dass Verbraucher eben unterschiedlich sind und unterschiedliche Hilfestellungen benötigen. Dem tragen wir Rechnung, indem wir dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Mittel für die Einrichtung eines Referates „Besondere Verbrauchergruppen“ zur Verfügung stellen. Uns ist wichtig, dass die besonderen Bedürfnisse zum Beispiel junger Menschen, von Senioren oder Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Verbraucherpolitik beachtet werden. Das Referat soll Vorschriften im Hinblick auf diese besonderen Verbrauchergruppen weiterentwickeln und auch Konzepte für zielgruppenorientierte Angebote erstellen.
Kommen wir zur dritten Säule: Information und Transparenz. Damit Verbraucher die Angebote an Waren und Dienstleistungen verstehen und sinnvoll vergleichen können, benötigen sie Informationen. Das Problem ist heute allerdings nicht, dass Informationen fehlen, ganz im Gegenteil: Wir werden geradezu überflutet von Informationen. Verbraucherinformationen müssen deswegen gut sein. „ Gut“ heißt in diesem Zusammenhang: Sie müssen relevant, sie müssen übersichtlich und sie müssen verständlich sein.
Ein Beispiel: die allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es würde jeden von uns ungefähr 76 Tage pro Jahr kosten, wenn wir alle Nutzungsbedingungen oder Datenschutzerklärungen lesen würden, die wir im Alltag lesen müssten oder die uns begegnen und die wir meistens ohne irgendeine Prüfung akzeptieren. Das kann man doch eigentlich niemandem zumuten. Klar: Unser BGB schützt uns vor überraschenden Klauseln in AGB, aber das reicht leider nicht. Die Informationen in den AGB müssen so aufbereitet sein, dass sie nicht nur für Juristen, sondern auch für Verbraucher verständlich sind. Denn der Verbraucher unterschreibt den Vertrag. Er setzt das Häkchen beim Onlinekauf. Der Kunde alleine und nicht der Jurist trägt nachher die Konsequenzen. Ein wichtiges Thema, an dem wir und ganz besonders ich dranbleiben wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Gleiche gilt für die Lebensmittel. Bei Lebensmitteln muss gelten: Was drin ist, muss auch draufstehen – und andersherum. Im Dezember tritt die Lebensmittelinformations-Verordnung in Kraft. Ab dem 13. Dezember 2014 müssen auf Lebensmittelverpackungen in ganz Europa Angaben über den Brennwert, die Menge von Fett und gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz stehen. Hinzu kommen Vorgaben für die Schriftgröße und die Hervorhebung von Allergenen in den Lebensmitteln.
Was bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln selbstverständlich ist, das sollte doch auch bei homöopathischen Mitteln gelten. Der Verbraucher muss verstehen können, was drin ist, und zwar besonders dann, wenn es um seine Gesundheit geht. Deshalb muss an dieser Stelle Schluss sein mit der Kennzeichnung auf homöopathischen Mitteln auf Latein.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur vierten Säule. Die Verbraucher benötigen einen verlässlichen Rechtsrahmen. Seit Beginn der jetzigen 18. Legislaturperiode ist der Verbraucherschutz beim Bundesministerium der Justiz angesiedelt, einem zentralen Verfassungsressort, das an jedem Gesetzgebungsverfahren beteiligt ist – ein Tatbestand, der hilft, den Interessen der Verbraucher in allen Gesetzgebungsverfahren noch stärker Rechnung zu tragen.
Gute gesetzliche Rahmenbedingungen allein reichen aber auch hier nicht aus. Wir brauchen auch eine wirkungsvolle Rechtsdurchsetzung. Sonst bleiben alle verbraucherpolitischen Maßnahmen und Gesetze stumpfe Schwerter. Wir haben deshalb beispielsweise vereinbart, dass wir es den Verbraucherverbänden ermöglichen, datenschutzrechtliche Verstöße abzumahnen und Unterlassungsklagen zu erheben. Wenn also Daten unzulässig erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, könnten, wenn wir es durchsetzen, die Verbraucherverbände dagegen vorgehen. Rechtlich ist das nicht ganz einfach – das ist uns bewusst –, aber wir arbeiten daran.
Um all diese Ziele zu erreichen, brauchen wir Partner. Wir brauchen Institutionen, die wir finanzieren und die die Aufgabe haben, die Verbraucher zu informieren, zu unterstützen und zu schützen. Einen unserer Partner, die Verbraucherzentralen, stärken wir mit dem Haushalt 2015, mal wieder, mit zusätzlich 1,3 Millionen Euro. Die Verbraucherzentralen erhalten im Jahr 2015 also insgesamt 10,8 Millionen Euro.
Um es auf den Punkt zu bringen: Die Große Koalition tut viel für die Verbesserung des Verbraucherschutzes. Dieses „viel“ lässt sich aber nicht bloß in Euro und Cent beziffern. Unsere Verbraucherpolitik ist mehr als nur die Summe einzelner Haushaltstitel. Unser Politikansatz ist klar: Wir sorgen für die bestmöglichen Rahmenbedingungen, damit die Verbraucher gute Entscheidungen treffen können, und wir vertrauen den Entscheidungen der Menschen in unserem Land. Das ist unser Fundament. Darauf gründen sich die Säulen unserer Verbraucherpolitik. Das werden wir auch in Zukunft so halten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Metin Hakverdi das Wort.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4173564 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 68 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07 |