25.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt I.6

Metin HakverdiSPD - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Rede möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es mir eine große Ehre und eine große Freude ist, dabei zu sein, wenn nach über 40 Jahren der erste Bundeshaushalt ohne Schulden aufgelegt wird.

(Roland Claus [DIE LINKE]: „Ohne Schulden“? Das wäre schön!)

Wir kommen damit einer schon vor Jahren verfassungsrechtlich verankerten Verpflichtung nach. Ich danke allen, die hierzu ihren Beitrag geleistet haben. Das ist ein historisches Ereignis.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Im Einzelplan 07 wird deutlich, dass wir den Verbraucherschutz noch stärker in den Mittelpunkt gerückt haben. Viele meiner Vorredner haben das schon erwähnt, ich will das trotzdem noch einmal tun. Ich möchte die 5,5 Millionen Euro hervorheben, die wir für die Einrichtung von Marktwächtern in den Verbraucherzentralen investieren. Mir ist der Marktwächter für die digitale Welt besonders wichtig. Bereits heute wird im Internet eingekauft, es wird Pizza bestellt und es werden Reisen gebucht. Im Internet beschafft man sich Unterhaltung in Form von Spielen und Filmen. Das Internet ist Ort sozialer Interaktion. Die Wahrheit ist aber auch: Die zukünftige Entwicklung im dynamischen Lebensraum Internet können wir heute gar nicht absehen. Es wird Entwicklungen geben, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Vor allem deshalb finde ich es wichtig, dass wir diese Marktwächter ins Leben gerufen haben und mit den entsprechenden finanziellen Mitteln ausstatten. Unlautere Angebote müssen aufgespürt werden, Verbraucherinnen und Verbraucher müssen vor ihnen geschützt werden.

Aber auch der Bereich des Datenschutzes ist für die Entwicklung unserer Gesellschaft von vitaler Bedeutung. Fast jede Woche erscheint ein neues Buch, das sich mit der Gefahr der digitalen Gesellschaft für unsere Bürgerrechte befasst. Der Datenschutz wird eines der wichtigsten Themen dieses Jahrzehnts bleiben. Die Diskussion über Big Data, über intelligente Algorithmen und den gläsernen Bürger sowie die Snowden-Affäre zeigen, dass in diesem Feld die Politik nicht hinterherhinken darf. Die Reform des Bundesdatenschutzgesetzes ist ein weiterer wichtiger Schritt zur Wahrung der bürgerlichen Freiheiten. Eine wirksame Aufsicht kann nur durch eine unabhängige Institution gewährleistet werden. Daher ist es richtig, die Bundesdatenschutzbeauftragte aus der Bindung an das Innenministerium in die Unabhängigkeit zu entlassen. Aber damit wird es nicht getan sein. Wir müssen auch dafür sorgen, dass diese Institution personell und sachlich auskömmlich ausgestattet wird.

Ein weiteres wichtiges Thema für die Zukunft unserer Gesellschaft ist die Einführung einer Frauenquote in Aufsichtsräten. Im Koalitionsvertrag haben wir Folgendes vereinbart – ich zitiere –:

Wir wollen ihn erhöhen.

Mit der Einführung einer Frauenquote von 30 Prozent in Aufsichtsräten gehen wir einen ersten Schritt, um eine Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft zu beheben. Es geht nicht an, dass Frauen schlechtere Aufstiegschancen in unserer Gesellschaft haben, weil sie auf eine Unternehmerwelt treffen, die von Männern dominiert wird. Über Jahre haben Frauen wegen dieser strukturellen Voraussetzungen schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten gehabt. Wir können diesem Zustand nicht mehr tatenlos zusehen. Zusicherungen der Unternehmen haben offensichtlich keine Verbesserung bewirkt; das haben wir gesehen. Es ist an der Zeit, dass wir endlich Entscheidungen treffen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])

Wen ich mit diesem Gerechtigkeitsargument hier und heute nicht überzeugen kann, dann vielleicht mit einem ökonomischen – liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich sage das ohne jeden Zynismus, sondern in voller Kollegialität –: Das Argument „Wir können uns die Frauenquote wirtschaftlich nicht leisten“ ist falsch. Fatal an dieser Argumentation ist, dass das Gegenteil richtig ist.

Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Frauen in Führungspositionen und unternehmerischem Erfolg. Letzten Mittwoch ist die letzte Studie zu diesem Thema veröffentlicht worden – es wird übrigens seit Jahrzehnten immer das Gleiche publiziert; ich will jetzt aber nicht die ganze Liste aufzählen –, und zwar eine von McKinsey; Sie zwingen also einen Sozialdemokraten, im Deutschen Bundestag eine McKinsey-Studie zu zeigen.

(Heiterkeit bei der SPD – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh! Was sagt denn der Wirtschaftsminister dazu?)

Sie stammt, wie gesagt, vom letzten Mittwoch, und sie ist seit Freitag letzter Woche online. In dieser Studie „Diversity Matters“ wird auf den signifikanten Zusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Performance und dem Anteil von Frauen in Führungspositionen hingewiesen. McKinsey ist keine Vorfeldorganisation der deutschen Sozialdemokratie, und die Studie ist auch nicht von der SPD in Auftrag gegeben worden. Diese Erkenntnis ist auch nicht neu; bereits 2007 wurde das in einer Studie festgestellt. Was für politische Rückschlüsse sind daraus gezogen worden? Keine, sieben lange Jahre. Wenn wir die Selbstverpflichtung am Anfang des letzten Jahrzehnts hinzunehmen, heißt das: über ein Jahrzehnt verlorene Zeit. Es ist an der Zeit, das zu ändern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zum Schluss möchte ich auf das Thema Sterbehilfe eingehen. Wenn wir in diesem und im kommenden Jahr über Sterbehilfe sprechen, sprechen wir über unser Selbstverständnis vom Menschsein. Dieses Selbstverständnis ist von Mensch zu Mensch höchst unterschiedlich. Sterben ist eben eine konkrete Angelegenheit für jede einzelne Person. Es gibt aber auch eine ethische Klammer, die unser gesellschaftliches Zusammenleben erst ermöglicht. Diese ethische Klammer ist durch unser Strafgesetzbuch als Minimalkonsens abgesichert. Nur das, was für das Zusammenleben zwingend erforderlich ist, sichern wir strafrechtlich ab, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das Strafgesetzbuch ist nicht der Ort, um individuelle ethische Vorstellungen durchzusetzen. In diesem Geiste sollten wir auch diese Debatte führen. Auf diese Weise schaffen wir den Raum für Vielfalt und unterschiedliche Lebens- und Sterbensentwürfe in unserem Land.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Dr. Volker Ullrich für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Burkhard Lischka [SPD])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4173565
Wahlperiode 18
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07
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