25.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt I.6

Volker UllrichCDU/CSU - Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Etat ist klein, aber fein. Die Ausgabensteigerungen sind moderat und betreffen den Generalbundesanwalt, damit er der steigenden Zahl der Ermittlungsverfahren begegnen kann. Das ist eine richtige und leider notwendige Maßnahme. In Zeiten einer zunehmenden Bedrohung der inneren Sicherheit hat der Staat den Schutz zu erhöhen. Dazu gehören auch Stellenschaffungen bei Polizei und Justiz.

Die Aussprache über diesen Etat ist stets auch eine Debatte über die Leitlinien der Rechtspolitik.

Im Bereich des Wirtschaftsrechts bedeutet dies: Der Staat hat eine funktionsfähige und verlässliche Wirtschaftsordnung mit Rechtssicherheit zu garantieren. Wir haben die Balance zwischen notwendiger Regulierung und praktischer Umsetzbarkeit zu halten. Das gilt beispielsweise für die Überlegungen zur Einführung eines Unternehmensstrafrechts. Der Koalitionsvertrag empfiehlt lediglich, ein Unternehmensstrafrecht zu prüfen.

Sympathie zeigt der Bundesjustizminister für den Gesetzentwurf des Landes Nordrhein-Westfalen. Dieser Entwurf ist aber keine tragfähige Diskussionsgrundlage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Er sieht nämlich vor, dass die strafrechtliche Verantwortung von Unternehmen und Verbänden nach dem Muster der Anklage und des Strafverfahrens ausgestaltet wird. Als Sanktionen des strafrechtlichen Verfahrens kommen Geldstrafen oder gar die Auflösung des Unternehmens in Betracht. Damit sei eine Konsequenz angedeutet: Das geplante und diskutierte Unternehmensstrafrecht könnte im Ergebnis dazu führen, dass Arbeitnehmer mit dem Arbeitsplatzverlust für das Fehlverhalten von Managern haften. Das ist nicht unser Ansatz einer gerechten Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch verletzt ein solches Unternehmensstrafrecht das Prinzip der Schuld. Schuld setzt individuelle Vorwerfbarkeit voraus und ist ein sozialethisches Unwerturteil über persönliches Fehlverhalten. Das passt nicht zu Unternehmen.

Es gibt auch keinen Handlungsbedarf für ein Unternehmensstrafrecht. Wir müssen die jetzigen Vorschriften des Ordnungswidrigkeitenrechts und die Vorschriften über den Vermögensverfall nur ordentlich ausreizen und ausschöpfen. Deswegen sei angeraten, die Prüfung der Einführung eines Unternehmensstrafrechts zügig zum Abschluss zu bringen und die Diskussion im Interesse eines funktionierenden Strafrechts zu beenden.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Lesen Sie den Entwurf noch mal!)

Im Bereich des Wirtschaftsrechts sei aber auch ein Wort zum Gesetzentwurf zur Frauenquote verloren. Um eines vorweg zu sagen: Wir stehen ohne Wenn und Aber zu dem, was im Koalitionsvertrag vereinbart wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Eva Högl [SPD]: Na bitte!)

Wichtig erscheint mir aber: Die Ausgestaltung der Frauenquote hat so zu erfolgen, dass sie sowohl verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält als auch im tatsächlichen Vollzug handhabbar bleibt.

Gerade bei der Festlegung von verbindlichen Quotenzielen für mittelgroße Unternehmen dürfen keine Dokumentationspflichten entstehen, die für Mittelständler nur mit einem hohen oder zu hohen Aufwand zu handhaben sind.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch eine Selbstverständlichkeit!)

Eine solche Quote haben wir nicht vereinbart.

(Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

Zukünftig soll bei börsennotierten und mitbestimmungspflichtigen Unternehmen eine Quote von 30 Prozent Frauen im Aufsichtsrat gelten.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel zu wenig!)

Wird die Quote nicht erreicht, bleibt der Sitz unbesetzt. Dieser Eingriff in die Personalhoheit der Unternehmen ist sicherlich zulässig, aber wir müssen bei dieser Regelung auch die verfassungsrechtlich geschützte Position des Eigentums immer mit ins Auge fassen.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie immer! Ja! Das sind keine Neuigkeiten!)

Die gebotenen Nachbesserungen am Gesetzentwurf zur Frauenquote sind allerdings nicht so eilig und nicht mit so großer Priorität vorzunehmen, wie manche das verlangen.

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur wenn die Wirtschaft boomt!)

Wenn man den Interviews der letzten Tage gefolgt ist, dann hat man den Eindruck bekommen, dass die Familienministerin gerade nur ein Thema zu haben scheint: die Durchsetzung der Quote. Die Menschen fragen aber zu Recht: Gibt es nicht wesentlich wichtigere Fragen?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh Mann!)

Ich sage Ihnen: Ja, diese Fragen gibt es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich nenne beispielsweise den Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel.

(Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Ullrich, jetzt blamieren Sie sich selber!)

Wir wissen, dass es in diesem Land bei der jetzigen Gesetzeslage zu einer Verletzung der Menschenwürde kommt, und es ist sicherlich zu fragen, weshalb die federführenden Ministerien die Priorität andersherum setzen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen einfach weniger blockieren! Dann geht es schneller weiter! Ganz einfach!)

Warum gibt es nicht endlich einen Gesetzentwurf zur Reform des Prostitutionsgesetzes? Warum heben wir nicht das Mindestalter auf 21 Jahre an? Warum schaffen wir nicht das Weisungsrecht ab?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt zu den Freiern: Warum gehen die Männer überhaupt da hin? Das ist die Frage! Sagen Sie das mal!)

Warum regeln wir nicht das, was die Menschenwürde verletzt, und beginnen mit den Gesetzesvorhaben, die in diesem Land eine hohe Priorität haben?

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Eva Högl [SPD]: Das machen wir doch alles, Herr Ullrich! – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben Sie immer noch nicht gesagt, warum Männer da hingehen!)

Ebenso keinen Aufschub verdient die Wiedereinführung der Strafbarkeit der Sympathiewerbung für terroristische Organisationen. Wer Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen betreibt, wirbt für Terror und Gewalt. Das darf der Rechtsstaat nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch heute alles schon strafbar!)

Der wehrhafte Rechtsstaat hat sich zu seinen ihn begründenden Werten zu bekennen. Dazu gehört auch die gesetzgeberische Wertentscheidung, die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen.

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu gehört auch die Gleichstellungsregelung, aktive Gleichstellung!)

Sie abzuschaffen, war ein Fehler.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Es gab kein einziges Verfahren!)

Kollege Ullrich, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Kollegen Volker Beck?

Ja.

Da Sie zum Thema Sympathiewerbung für terroristische Organisationen gesprochen haben: Sie sind mit mir der Auffassung, dass die PKK eine terroristische Organisation ist?

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist er der Auffassung?)

Würden Sie tatsächlich jemanden für den Satz bestrafen wollen: „Wir danken der PKK, dass sie die Jesiden von ISIS befreit hat“? – Das ist eine Sympathiewerbung und wäre nach Ihrer Auffassung strafbar.

(Klaus-Dieter Gröhler [CDU/CSU]: Nebelgranaten!)

Ich finde, das müsste nicht sein.

Die entscheidende Frage, Kollege Beck, ist, ob wir in diesem Land Menschen bestrafen wollen, die Sympathie mit den Mörderbanden von ISIS haben,

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die PKK ist doch eine terroristische Gruppierung!)

die Sympathie für die Terrorbande des NSU äußern.

(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Gegenteil habe ich Sie gefragt! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Das ist jetzt schon strafbar!)

Das ist die entscheidende Frage.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen bei der Frage des strafrechtlichen Schutzes auch die aktuellen Zustände berücksichtigen

(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das geht doch gar nicht! Sie sagen, das ist eine terroristische Vereinigung!)

und dürfen nicht theoretische Konstrukte wählen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein funktionierender Rechtsstaat, der die Sicherheit der Bürger schützt, ist ein hohes Gut. Darauf sind unsere Anstrengungen zu richten. Die Menschen haben das Recht, sich sicher zu fühlen und sicher zu sein: sicher vor Terroristen und Extremisten, sicher vor Einbrechern und dem organisierten Verbrechen, sicher auf den Straßen und Plätzen unserer Städte. Nur so bleibt die Freiheit gewahrt.

Wir dulden nicht und werden nicht dulden, dass unter dem Deckmantel der Versammlungsfreiheit Gewaltfantasien ausgelebt werden. Wir können auch nicht dulden, dass Strukturen von Parallelgesellschaften und Paralleljustiz entstehen und sich verfestigen. Für diese Ziele ist notwendig, dass genügend Mittel und Stellen für die Justiz und Polizei bereitgestellt werden. Das betrifft alle staatlichen Ebenen.

(Jan Korte [DIE LINKE]: So was habe ich schon lange nicht gehört! Das ist ja unfassbar!)

Der Bund nimmt seine Verantwortung wahr. Dieser werden wir aber nur vollends gerecht werden, wenn wir die gesetzgeberischen Maßnahmen in der gebotenen Priorität umsetzen. Maßstab dafür ist die Freiheit und die Verletzung der Menschenwürde. Darauf kommt es bei rechtsstaatlichem Handeln an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzelplan 07 – Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Die Linke vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3271? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke bei Enthaltung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Einzelplan 07 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 07 ist mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion und der SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 19 – Bundesverfassungsgericht – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 19 ist einstimmig angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.7 auf:

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Dr. Reinhard Brandl, Norbert Barthle, Martin Gerster, Dr. Dietmar Bartsch und Anja Hajduk.

Hierzu liegen ein Entschließungsantrag der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor. Über diese werden wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Wenn in den Koalitionsfraktionen die notwendigen Umgruppierungen abgeschlossen wären, könnte ich die Aussprache eröffnen. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte, auch die interfraktionellen Gespräche auf der linken Seite des Hauses aus dem Plenarsaal zu verlagern. Auch in der Union gibt es offensichtlich noch Beratungsbedarf. Das Präsidium hat viel Zeit. Wir werden für jeden Redner und jede Rednerin entsprechend unseren Regeln auf die Würde des Hauses achten. Ich werde das auch für die Redner der Unionsfraktion durchsetzen, wenn die Fraktion noch Abstimmungsbedarf hat.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Dr. Dietmar Bartsch für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4173614
Wahlperiode 18
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz Epl 07
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