25.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 68 / Tagesordnungspunkt I.7

Volker BeckDIE GRÜNEN - Bundesministerium des Innern Epl 06

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Hochverehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu zwei Punkten etwas sagen, zum einen zum Thema Sicherheit und zum anderen zum Thema, wie wir die Situation der Flüchtlinge humanitär bewältigen.

Herr Minister, ich war schon erstaunt, dass in Ihrer Rede – das spiegelt ein bisschen die Situation im Haushalt wider – das Thema Cybersicherheit überhaupt nicht vorkam. Das ist jedoch eine zentrale Frage für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Netze des Bundes!)

Es ist auch eine zentrale Frage für das Haus in der Bundesregierung, das für Sicherheit und Freiheit in diesem Land hohe Verantwortung trägt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben zu Recht das Thema angesprochen – da haben wir große Aufgaben zu bewältigen –: Was machen wir gegen den Terrorismus vom IS? Wir als Bundesrepublik Deutschland haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass dem IS keine weiteren Kämpfer aus Deutschland, aus Europa mehr zulaufen. Da tragen wir eine große Verantwortung.

Wir haben im Innenausschuss erheblichen Nachbesserungsbedarf festgestellt, was die Exekution der gesetzlich geregelten Sicherheitsmaßnahmen angeht. Auch beim Schengener Informationssystem läuft vieles nicht rund. Da müssen wir besser werden. Ich war erstaunt, dass das in den Innenministerien von Bund und Ländern so lange liegen geblieben ist. Also: Nachbessern!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber Repressionen alleine, die in diesem Bereich notwendig sind, können es nicht richten. Wir brauchen auch Prävention. Wir müssen um die Köpfe und Herzen der Menschen kämpfen, die sich von der IS-Propaganda angesprochen fühlen. Wir hatten im Innenausschuss Mittel für ein Deradikalisierungsprogramm in Höhe von 10 Millionen Euro beantragt. Sie haben das abgelehnt. Gut, dass Sie sich bis zur Bereinigungssitzung immerhin auf einen ersten zaghaften Schritt verständigen konnten und für diesen Bereich 5 Millionen Euro eingestellt haben.

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie in diesem Zusammenhang zivilgesellschaftliche Akteure suchen und stärken, die in diesem Bereich arbeiten wollen. Weisen Sie, Herr Innenminister, deshalb nicht die ausgestreckte Hand des Zentralrats der Muslime zurück, der gesagt hat: Wir wollen unsere Imame so ausbilden, dass in unseren Gemeinden keiner mehr auf solche terroristischen Rattenfänger hereinfällt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich zum Thema Flüchtlinge kommen. Rüdiger Veit – meine Kollegin Hajduk hat es vorhin auch schon gesagt –, deine Vorstellungen werden wahr, indem du dem Antrag unserer Fraktion am Freitag zustimmst. Ich halte es auch für einen zentralen Punkt im Umgang mit den Flüchtlingen, dass wir begreifen: Es liegt eine doppelte Aufgabe vor uns, nämlich einerseits die Menschenwürde und den Schutz der Flüchtlinge in den Mittelpunkt zu stellen, anderseits aber auch zu erkennen, dass damit ein Potenzial an Menschen auf uns zukommt, die etwas beitragen können, und dass wir die Verantwortung haben, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie ihren Beitrag zu unserer Gesellschaft leisten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das deklinieren wir in unserem Antrag durch. Das heißt, dass wir den Menschen, die hierherkommen, von Anfang an die Möglichkeit geben, sich durch Integrationskurse für den deutschen Arbeitsmarkt fit zu machen, vor allem nachdem sie in Zukunft nach drei Monaten die Arbeitserlaubnis erhalten sollen und später die Vorrangprüfung ganz wegfällt. Das ist entscheidend, damit sie die Qualifikation, die sie mitbringen, in Deutschland verwerten können.

Im Zusammenhang mit der Novellierung des Asylbewerberleistungsgesetzes regt mich eines wirklich auf. Das hat Rüdiger Veit zu Recht angesprochen. Es gibt eine Möglichkeit, die Kommunen enorm zu entlasten, die das dringend brauchen, und der Menschenwürde der Flüchtlinge gerecht zu werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte bei seiner Entscheidung zum Asylbewerberleistungsgesetz nur über das Existenzminimum zu befinden. Aber es hat einen Satz gesagt, den man auf das ganze Gesetz anwenden muss: „Die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz garantierte Menschenwürde ist migrationspolitisch nicht zu relativieren.“

Asylbewerbern steht heute als Gesundheitsfürsorge nur akute Nothilfe und Schmerzbehandlung zu. Mehr gewährleistet das Asylbewerberleistungsgesetz nicht. Ich meine, dass die Behandlung einer Krankheit in einem Sozialstaat wie der Bundesrepublik Deutschland zur Menschenwürde gehört. Deshalb müssen wir die Flüchtlinge endlich krankenversichern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist ein Gebot der Humanität, und es ist klug, die Kommunen so zu entlasten. Das kostet etwas. Ein Kollege von der CDU/CSU fragte gerade, ob das die Beitragszahler bezahlen sollen. Nein, natürlich muss die öffentliche Hand die Beiträge für die Flüchtlinge zahlen. Das können wir nicht den Beitragszahlern aufbürden. Aber das sollten wir schultern.

Wenn wir akzeptieren, dass die Menschen, die zu uns kommen, Grundbedürfnisse haben, und wir sie ernst nehmen, dann ist die Gesundheitsversorgung ein erster Schritt, um sie mitten in unsere Gesellschaft zu holen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Halina Wawzyniak [DIE LINKE])

Herr Minister, Sie haben vorhin die Frage der sicheren Herkunftsstaaten und der Roma angesprochen. Ich war zufälligerweise, weil in Belgrad der Gay Pride stattgefunden hat, eine Woche nach der Entscheidung des Bundesrates selbst in Serbien, und ich habe dort Romasiedlungen besucht. Die Menschen dort sind übrigens zum Teil aus Deutschland in den Kosovo abgeschoben worden und dann ohne Papiere in Serbien in einer wilden Siedlung aufgetaucht. Sie leben dort ohne Wasserversorgung, ohne Behausung und ohne Zugang zu irgendwelchen Sozialleistungen, weil sie für die serbische Regierung nicht existent sind. Es gibt einige Hundert solcher Siedlungen.

Meines Erachtens ist die entscheidende Frage nicht, ob es sich um einen sicheren Herkunftsstaat handelt oder nicht, sondern wie wir in unserem Flüchtlingsrecht damit umgehen, wenn Menschen durch Diskriminierung systematisch der Zugang zu den essenziellen Menschenrechten Nahrung, Wasser, Kleidung und Schutz vor gewalttätigen Übergriffen verwehrt ist. Das betrifft Serbien genauso wie Bulgarien und Rumänien, die sogar Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind. Sie haben deshalb als deutscher Innenminister im Kreis Ihrer europäischen Kollegen eine enorme Verantwortung. Ich finde, der kommen wir in der Bundesrepublik wie auch in den anderen Staaten der Europäischen Union nicht hinreichend nach.

Herr Beck.

Sie haben dafür plädiert, diesen Staaten ein Label auszustellen. Das geht mit der Verantwortung einher, nun dafür zu sorgen, dass die Einhaltung der Menschenrechte dieser Menschen tatsächlich gesichert ist. Sie ist es noch nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Beck. – Nächster Redner ist Stephan Mayer für die CSU-CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4173954
Wahlperiode 18
Sitzung 68
Tagesordnungspunkt Bundesministerium des Innern Epl 06
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