26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.9

Claudia Roth - Auswärtiges Amt Epl 05

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr van Aken, ich denke, das war eine nicht hinnehmbare Ehrabschneidung,

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Mein Gott, was hat er denn Falsches gesagt?)

wie Sie mit dem Herrn Außenminister umgegangen sind. Es ist schon zum Ausdruck gekommen, dass es weder dem Stil der Debatte noch der Würde des Hauses entspricht, so miteinander umzugehen, aber eben auch nicht dem vorbildlichen Einsatz unseres Außenministers gerecht wird.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich fordere Sie auch aus eigener Betroffenheit heraus auf, sich beim Herrn Bundesaußenminister zu entschuldigen. Falls Sie nicht das Kreuz dazu haben, sollte Ihr Fraktionsvorstand in die Verantwortung treten.

(Stefan Liebich [DIE LINKE]: Das kommt überhaupt nicht infrage! – Jan van Aken [DIE LINKE]: Haben Sie denn das Geld für „Mare Nostrum“ bewilligt, oder nicht?)

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, während wir in dieser Woche den Bundeshaushalt debattieren, wird auf europäischer Ebene um eine Lösung im Streit um den Haushalt der EU für 2015 gerungen. Es ist enttäuschend für mich, dass das Vermittlungsverfahren zwischen Kommission, Parlament und Rat in der vorigen Woche gescheitert ist. Es mag für einzelne Bereiche noch keine tragfähigen Lösungen geben. Es mag berechtigte Kritik an einzelnen Posten geben. Aber es ist schon ein trauriges Bild, das da in der Öffentlichkeit entsteht. Nur 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens dürfen die europäischen Institutionen ausgeben; aber am Ende eines jeden Jahres entbrennt ein Streit zwischen den Finanzministern der Mitgliedstaaten einerseits und dem Europäischen Parlament und der Kommission andererseits. Es ist Zeit, dass dieses unwürdige Schauspiel beendet wird. Es darf nicht sein, dass am Ende des Jahres kein Geld mehr da ist für den Austausch von Studierenden, für humanitäre Hilfe zum Beispiel in Ebolagebieten oder für den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen in der EU entschlossener handeln.

Ich begrüße das heute von Jean-Claude Juncker vorgestellte Investitionspaket zumindest im Ansatz. Es wird weiter zu prüfen sein, wie die Einzelheiten zu bewerten sind. Meine Redezeit ist schon reduziert worden. Deshalb will ich mich auf wenige Sätze hierzu beschränken.

Daran bin aber nicht ich schuld.

(Heiterkeit)

Nein, nein. – Entscheidend ist, dass wir zur Bekämpfung der Wachstumsschwäche in der EU auf der einen Seite Strukturreformen und auf der anderen Seite Investitionen haben. Beides muss gleichzeitig geschehen. Deutschland sollte sich daran mit eigenen Mitteln beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns wieder verstärkt auf unsere Vision eines geeinten Europa im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes besinnen – ich zitiere –, „als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen“. Vielleicht haben wir uns in Europa in den letzten Jahren zu sehr auf einen Pragmatismus verständigt, haben viel zu oft viel zu viele Kompromisse gemacht, um schnelle – vielleicht auch wichtige – Lösungen herbeizuführen, und dabei ein wenig die Vision aus den Augen verloren. Vielleicht brauchen wir neuen Mut für Europa, neuen Mut, auch konsequenter ein geeintes Europa anzustreben, neuen Mut, Solidarität zu üben und auf nationale Egoismen zu verzichten. Auch wir in Deutschland tragen als Partner mit konstruktiven Beiträgen zur Lösung von Problemen bei. Wir müssen aber auch immer wieder liefern.

Ein kleines positives Beispiel aus den Haushaltsberatungen: Das Auswärtige Amt hat – es ist ja auch Europaministerium – im nächsten Jahr einen kleinen finanziellen Beitrag von nur 100 000 Euro zur Verfügung, kann damit aber einen wichtigen Akzent in Zypern setzen mit der Unterstützung des Committee on Missing Persons. Diese Nichtregierungsorganisation leistet einen wichtigen Beitrag zur Aussöhnung der Menschen beider Inselteile. Ich sage ganz herzlichen Dank an die für den Einzelplan 05 zuständigen Berichterstatter Doris Barnett, Alois Karl und Dr. Tobias Lindner.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, schon bei der letzten Haushaltsdebatte habe ich zur dramatischen Situation der Jugendarbeitslosigkeit, insbesondere in Süd- und Südosteuropa, gesprochen. Die EU hatte ein 6 Milliarden Euro umfassendes Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit aufgelegt. Noch im Juni sah es sehr düster damit aus. Nur ein Mitgliedstaat hatte ein nationales Programm angemeldet. Umso mehr Mut macht es aber, dass ich in diesen Tagen von unserer Arbeitsministerin Andrea Nahles gehört habe, dass bis Anfang Dezember voraussichtlich etwa 85 Prozent des Gesamtvolumens der EU-Fördermittel für konkrete Projekte zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit festgelegt sein werden. Ich glaube, die EU hat verstanden, dass solche zwingend notwendigen Programme nicht an den Restriktionen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes scheitern dürfen. Wir brauchen nicht weniger europäische Integration – das zeigt gerade dieses Beispiel –, sondern mehr Flexibilität in der Nutzung der bestehenden Möglichkeiten.

Für mich kann es nur eine Richtung geben, nämlich hin zu einer weiteren Stärkung der Europäischen Union. Wir dürfen und können ein Weniger an europäischer Integration nicht akzeptieren. Nur ein stabiles Europa lässt die Menschen in sozialer Sicherheit leben und sichert gesellschaftlichen Frieden. Nur dort, wo sozialer Frieden herrscht, kann auch wirtschaftlicher Wohlstand wachsen.

Herr Kollege.

Ich komme zum Schlusssatz. Danke. – Lassen Sie uns einfach neuen Mut zeigen, Mut, die Vision unseres Grundgesetzes neu zu beleben, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Danke, Herr Kollege Spinrath. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat Wolfgang Gehrcke.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4178898
Wahlperiode 18
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt Epl 05
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