26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.9

Thomas DörflingerCDU/CSU - Auswärtiges Amt Epl 05

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Traditionell ist ja die Haushaltsdebatte über die einzelnen Politikbereiche auch ein Moment, wo man die Dinge so ein bisschen im Grundsatz beleuchtet. Wenn ich nun versuche, grundsätzlich den Blick auf Europa und die Außenpolitik zu lenken, ist es dabei vielleicht ganz hilfreich, den Blickwinkel zu wechseln und zur Kenntnis zu nehmen, was sich außerhalb von Europa tut bzw. wie andere außerhalb von Europa uns sehen.

Ich blende zunächst einmal drei Jahre zurück: Im November 2011 sagte Barack Obama in Canberra – mit dieser Bemerkung wurde er jedenfalls zitiert –, dass für die Vereinigten Staaten von Amerika in den kommenden Jahren der pazifische Raum die oberste Priorität genießen würde. Er tat es im Zusammenhang mit einem Freihandelsabkommen, das die USA mit acht pazifischen Staaten vereinbarten. Drei Jahre später – das liegt jetzt gerade ein paar Tage zurück – kamen auf der APEC- Konferenz Vertreterinnen und Vertreter der Staaten zusammen, die 40 Prozent der Weltbevölkerung und 57 Prozent der Wirtschaftsleistung auf diesem Globus erbringen. Zum Vergleich: Die Europäische Union stellt, wenn man es günstig rechnet, 7 Prozent der Weltbevölkerung und rund 20 Prozent der Wirtschaftsleistung. So viel zum Verhältnis.

Ich sage das deswegen, weil ich mich gelegentlich etwas wundere über die Debatte, die nicht nur hier in diesem Hohen Hause, sondern auch anderswo zum Transatlantischen Freihandelsabkommen geführt wird. Ich gestehe gerne, dass auch ich persönlich da noch einige Fragen habe, dass es da noch Herausforderungen gibt, die in den Verhandlungen zu meistern sind. Aber eines muss allen klar sein, meine Damen und Herren: Wenn Europa – bildlich gesprochen – auf dem Sofa sitzen bleibt und darauf wartet, dass der Welthandel vorbeikommt und sagt: „Bitte schön, möchtest du, Europa, an unseren Welthandelsbeziehungen teilnehmen, und wenn ja, zu welchen Konditionen hättest du es denn gerne?“, dann werden wir auf diesem Sofa einen verdammt alten Hintern bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das hat etwas mit der Attraktivität von Europa zu tun. Und da war es für mich schon interessant – auch hier versuche ich wieder, den Blickwinkel zu wechseln –, was Papst Franziskus gestern vor den Kolleginnen und Kollegen des Europäischen Parlaments vorgetragen hat. Ich erwähne es nicht so sehr deswegen, weil der Papst das Oberhaupt der katholischen Kirche ist, sondern deswegen, weil da ein Argentinier gesprochen hat. Zusammengefasst in einem Satz lautet für mich das Fazit: Er hat eigentlich angemahnt, dass wir die Prinzipien, die wir uns selbst gegeben haben und deren Einhaltung wir auch bei anderen anmahnen, für uns selbst auch zur Geltung bringen müssen. Damit hat er nicht ganz unrecht. Wir müssen Regeln einhalten, insbesondere auch dann, wenn es um Dinge geht, die vor unserer eigenen Haustür stattfinden. Ich verstehe jetzt unter Europa nicht die Europäische Union, sondern ich meine den ganzen Kontinent.

Damit bin ich bei der Ukraine, meine Damen und Herren. Ich bin, offen eingestanden, erschrocken über den Vorschlag, man möge darüber nachdenken, wie man die völkerrechtswidrige Annexion der Krim sozusagen im Nachhinein, ex post, völkerrechtlich legitimieren könne. Diesen Vorschlag fand ich, gelinde gesagt, ziemlich abenteuerlich, und ich bin dankbar, dass dieser Vorschlag in dieser Debatte nicht noch einmal kam, wenn ich richtig aufgepasst habe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich fand diesen Vorschlag nicht nur abenteuerlich, weil er dem Vorgang nicht gerecht wird, sondern auch, weil es nicht sein kann, dass wir es zum Grundsatz unseres politischen Handelns machen, den Verstoß gegen Regeln dadurch zu beantworten, dass wir anschließend die Regeln ändern; denn dann könnten wir uns eigentlich in jeglichem Bereich aus der Rechtssetzung verabschieden. Das wäre keine zukunftsweisende Politik, weder für die Bundesrepublik Deutschland noch für Europa.

Ich rate, bei der Beurteilung der Lage in der Ukraine und auf der Krim auch zur Kenntnis zu nehmen, dass Präsident Putin zum Beispiel just vor wenigen Tagen in Abchasien mit dem dortigen – ich sage das in Anführungszeichen – „Präsidenten“ eine strategische Partnerschaft vereinbart hat und wie das beispielsweise in der Republik Moldau wirkt. Wie muss das auf die Vorsitzenden der Auswärtigen Ausschüsse von Lettland, Estland und Litauen gewirkt haben, die uns am 29. August dieses Jahres einen Brief geschrieben haben, aus dem man zwischen den Zeilen die blanke Angst herauslesen kann, und zwar die blanke Angst um die Fortexistenz des eigenen Staates? Und wie muss es bei denen ankommen, wenn in einem freien Land wie der Bundesrepublik Deutschland mit Blick auf einen Völkerrechtsverstoß solche Debatten geführt werden?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So ist die Freiheit!)

– Gerade gab es einen Zwischenruf zum Thema Freiheit.

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: So ist eben die Freiheit; dass man seine Meinung sagen darf!)

Meine Damen und Herren, gelegentlich findet man im Archiv des Deutschen Bundestages bemerkenswerte Plenarbeiträge von unseren Vorgängerinnen und Vorgängern. Ich habe einen solchen gefunden. Im Mai 1998 hat der frühere Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff in seiner Abschiedsrede Folgendes vorgetragen – ich sage das, weil wir hier über den Haushalt sprechen –:

– Herr Kollege Gehrcke –

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Finde ich auch! Sage ich ja!)

Das sagte Graf Lambsdorff damals. Ich glaube, das gilt heute auch.

(Beifall des Abg. Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE])

Gemeinwohl ist sehr viel mehr als die Summe aller Partikularinteressen,

(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Ja, klar!)

sowohl qualitativ als auch rechnerisch. – Herr Kollege Gehrcke, ich würde mich freuen, wenn der Beifall und die Zustimmung, die Sie mir an dieser Stelle signalisieren, sich auch inhaltlich in Ihren Anträgen im Deutschen Bundestag widerspiegeln würden.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht überfordern!)

Die Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Fachbereichen werden bestätigen können, und zwar nicht nur mit Blick auf die Haushaltsberatungen, dass es oftmals so ist, dass sich ein Partikularinteresse jedweder Art in einem Antrag der Fraktion Die Linke wiederfindet, der in den Deutschen Bundestag eingebracht wird.

Zukunftsfähigkeit heißt nicht unbedingt per se, für jeden Bereich mehr Geld auszugeben, sondern Zukunftsfähigkeit heißt, dass man zunächst einmal mit dem Geld auskommt, das man hat, dass man nicht mehr Schulden macht, sondern mit dem Geld auskommt, das die Bürgerinnen und Bürger bereitstellen. Weil diese Voraussetzungen auch im Einzelplan 05 erfüllt sind, wird die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diesem Einzelplan und dem Haushaltsgesetz zustimmen.

Weil man nicht nur mit dem Geld auskommen muss, das man zur Verfügung hat, sondern auch mit der Redezeit, die einem von der eigenen Fraktion zur Verfügung gestellt wird, schenke ich Ihnen die letzten zwei Minuten. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Doris Barnett [SPD])

Vielen Dank. – Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, in der Ausschussfassung. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 18/3282? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion Die Linke abgelehnt.

Wir stimmen nun über den Einzelplan 05, Auswärtiges Amt, in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD-Fraktion gegen die Stimmen der Fraktionen Die Linke und des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.10 auf:

Berichterstattung haben die Abgeordneten Bartholomäus Kalb, Karin Evers-Meyer, Michael Leutert und Dr. Tobias Lindner.

Zum Einzelplan 14 hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Entschließungsantrag eingebracht, über den wir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache 96 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Das Wort erhält der Kollege Michael Leutert, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4178971
Wahlperiode 18
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Auswärtiges Amt Epl 05
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