26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.10

Ursula von der LeyenCDU/CSU - Bundesministerium der Verteidigung Epl 14

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Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Lindner, wenn man Ihnen zugehört hat, konnte man das Gefühl haben, dass wir – bis auf Active Fence – hier auf einer Insel sind. Dem ist nicht so. Viele der Dinge, die sich heute im Haushalt widerspiegeln, sind der aktuellen Entwicklung geschuldet.

Ich bin in der vergangenen Woche beim Europäischen Rat der Verteidigungsminister in Brüssel bei einer Aussprache zur Sicherheitslage Europas gewesen. Da konnte man mit Händen greifen, wie sehr Europa inzwischen beeinflusst ist von den Instabilitäten, die uns umgeben, etwa der Politik des Kremls mit all den Konsequenzen, die das für die Ukraine und für unsere Friedensarchitektur in Europa hat, dem Kampf gegen IS im Irak und in Syrien und der Ebolaepidemie, die uns in einem nie gekannten Maße fordert, um nur drei Themen zu nennen. Das sind Herausforderungen, von denen wir alle wissen, dass sie zu bewältigen kurzfristig nicht möglich ist, sondern dass uns das eine geraume Zeit beschäftigen wird und dass uns das enorm fordern wird.

Hinzu kommt, dass wir neue Aufgaben bekommen haben. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben im Dezember 2013 beschlossen, die europäischen Verteidigungsfähigkeiten zu kräftigen. Wir sind dabei, das bis zum nächsten Sommer umzusetzen. Auch die NATO hat, der aktuellen Entwicklung geschuldet, auf dem Gipfel in Wales Beschlüsse gefasst, wie die Allianz ihr Fähigkeitenprofil anpassen kann, wie sie schneller werden kann, wie sie flexibler werden kann. Auch hier sind wir dabei, besonnen, aber entschlossen diese Dinge anzugehen.

Ich will damit sagen: Diese Herausforderungen werden uns etwas kosten; das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben. Ich glaube, diese Botschaft ist inzwischen im politischen Raum angekommen, und das spiegelt dieser Haushalt auch wider.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundeswehr ist über Jahre durch den Einsatz in Afghanistan geprägt gewesen; das war gut, und das war richtig. Wir werden auch in der nächsten Woche über die Folgemission des ISAF-Einsatzes hier diskutieren. Der Einsatz in Afghanistan hat das Land Afghanistan sicherlich verändert: von einer Terrorherrschaft der Taliban hin zu einem Land, das heute neue und andere Perspektiven hat, auch wenn nicht alles gut ist.

Afghanistan hat aber auch die Bundeswehr sehr stark geprägt. Die Bundeswehr ist inzwischen eine Armee im Einsatz, eine Parlamentsarmee, die gemeinsam mit unseren Partnern und Verbündeten einen hervorragenden und vor allem einen international anerkannten Dienst leistet. Das spiegelt sich auch in dem Spektrum der Einsätze wider, die wir inzwischen haben, Stichwort „Verantwortung, die wir übernehmen“. Allein in den vergangenen elf Monaten gehörten dazu: Mali, Somalia, Zentralafrikanische Republik, die Unterstützung der Flüchtlinge im Nordirak und die Unterstützung der kurdischen Armee im Nordirak, der Peschmerga, der Einsatz gegen die Ebolaepidemie. Zu diesem Einsatz kann ich nur sagen: Es ist bewegend gewesen, mit wie viel Herz und Mut sich nicht nur Soldatinnen und Soldaten, sondern auch unendlich viele Reservistinnen und Reservisten gemeldet haben, um diesen Einsatz zu leisten. Es spricht für den Geist unseres Landes, dass sich die Menschen, wenn Not am Mann und an der Frau ist, beherzt zur Hilfeleistung melden.

Was viel zu wenig beachtet worden ist: Die Bundeswehr hat in kürzester Zeit eine Luftbrücke aufgebaut, dank derer täglich Hilfsgüter aus dem Senegal direkt in das Ebolagebiet geflogen werden. Dafür haben wir in breitem Maße zu danken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Eine Fülle von notwendigen Aufgaben musste in diesem Jahr erfüllt werden. Es sind Aufgaben, die auf absehbare Zeit nicht weniger, sondern wahrscheinlich eher mehr werden.

Meine Damen und Herren, als ich vor einem halben Jahr an diesem Pult stand und wir den Haushalt 2014 beschlossen haben, ist über die globale Minderausgabe der Verteidigungsetat um 400 Millionen Euro gekürzt worden, weil diese absehbar nicht verausgabt werden würden – völlig in Ordnung. Heute, sechs Monate später, sagen wir deutlich, dass wir eine weitere Kürzung nicht verkraften können und dass wir um die Annahme des Regierungsentwurfes ohne Kürzungen bitten. Dieses Ziel haben wir erreicht. Mehr noch: Der Verteidigungshaushalt ist für 2015 höher, als im Regierungsentwurf zunächst ausgewiesen. Das ist der Lage angemessen. Dafür danke ich von Herzen. Das ist ein Erfolg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Denn es geht in diesem Etat um nichts weniger als um eine nachhaltige Modernisierung der Bundeswehr, und zwar sowohl beim Personal als auch beim Material. Das ist etwas, wofür wir einen langen Atem brauchen. Da werden wir noch so manche Hürde überwinden müssen. Da wird es noch so manches Problem geben, was Sie von der Opposition dann zu Recht anprangern werden. Aber wir müssen dort stetig vorangehen. Zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen wir stehen, bereiten wir mit dem Haushalt 2015 den Boden. Ab 2016 können wir neue und sichtbare Akzente setzen.

Beim Personal geht es um nicht weniger als um die Aufstellung einer demografiefesten Armee. Wie wir mit Soldatinnen und Soldaten aufgestellt sind, das entscheidet über die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es ist auch das Material, aber es sind die Soldatinnen und Soldaten, die den Unterschied machen, wenn es darum geht, ob die Bundeswehr ihr Gesicht behält, so modern und international wie jetzt, oder ob sie es verliert. Dafür lohnt es, sich einzusetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben deswegen das Artikelgesetz eingebracht. Herr Lindner, als Sie angefangen haben, über Kühlschränke und Flachbildschirme zu spotten, haben Sie selbst gemerkt, dass der Spott vielleicht nicht angemessen ist. Deshalb lasse ich das hier beiseite.

(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht um die Finanzierung! Die ist unseriös!)

– Es geht darum, dass wir die Maßnahmen nach diesem Artikelgesetz in der Breite finanzieren, und da ist es legitim, dann, wenn Dinge ausfallen wie die Fregatte, in diesem Haushaltsjahr die Mittel zu allozieren für die Soldatinnen und Soldaten. Ich finde, das ist ein sehr wichtiges Signal an die Truppe, das auch richtig verstanden wird. Es ist übrigens auch ein wichtiges Signal an unsere Partner und Verbündeten, die die nachhaltige demografiefeste Aufstellung unserer Armee wahrnehmen.

Herr Leutert, niemals habe ich gesagt, dass wir ein Arbeitgeber sind wie jeder andere.

(Florian Hahn [CDU/CSU]: Ganz genau! So ist es!)

Es ist so, dass wir gerade kein Arbeitgeber sind wie jeder andere, weil unsere Soldatinnen und Soldaten mehr leisten müssen als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sonst. Im Extremfall müssen sie bereit sein, ihr Leben zu lassen. Aber ich sage immer: Ist das, nämlich dass sie im Einsatz mehr leisten müssen als jeder andere, ein Grund, sie hier zu Hause schlechter zu behandeln als viele andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer? Nein, im Gegenteil! Wir müssen sie hier zu Hause besser behandeln als viele andere. Deshalb der Ansatz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])

Thema Material. Auch da haben wir erhebliche Herausforderungen. Das Rüstungsgutachten hat die Dimension der Probleme bei den Rüstungsprojekten klargemacht. Ja, es ist keine schöne Bilanz: zu teuer, zu spät und mit Mängeln. Auch hier geht es um die Modernisierung der Streitkräfte. Wir alle kennen den Teufelskreis, unter dem wir gelitten haben, bis in dieses Jahr hinein, und das ist auch noch lange nicht abgearbeitet.

„Zu teure Rüstungsprojekte“, das heißt: Sie verdrängen andere Fähigkeiten, die man sonst hätte realisieren können. „ Zu spät“ heißt: Sie fehlen der Truppe. Das haben wir in diesem Sommer sehr schmerzhaft spüren müssen. „ Zu spät“ heißt auch, altes, wenn auch bewährtes, aber eben betagtes Material länger nutzen zu müssen. „ Länger nutzen“ heißt: mehr Wartung, mehr Instandsetzung. Dafür ist die Ersatzteilbeschaffung nicht ausgelegt. – So kann man den Teufelskreis beschreiben, den wir durchbrechen müssen.

Wir haben die Agenda Rüstung aufgestellt. Klarer rüstungspolitischer Kurs! Vielen Dank, Barthl Kalb, für die Analyse der Schlüsseltechnologien! Das auszuführen, kann ich mir dann hier sparen; aber das ist einer der wichtigen Punkte.

Ein anderer Punkt: multinationale Rüstungskooperationen. Es geht voran mit Frankreich. Es geht voran mit Spanien, mit England. Es gibt aber auch gemeinsame Arbeit der Armeen: mit den Niederlanden, mit Polen.

Es geht um ein verbessertes Rüstungsmanagement. Das ist eine Kärrneraufgabe, und die ist nicht in einem Rutsch zu schaffen. Dabei geht es darum, die Prozesse zu verbessern. Dabei geht es darum, das Risikomanagement zu verbessern sowie das Vertragsmanagement, das Lieferantenmanagement, die Organisationsentwicklung beim BAAINBw. Was man da auch gesehen hat, ist, dass wir mitten in der Neuausrichtung sind. Das heißt, dass in ganz vielen Behörden die Fachkräfte noch nicht an den Stellen sind, an denen sie gebraucht werden. Das heißt, dass Dinge, die dringend gemacht werden müssen, liegen bleiben. Es ist also eine Bundeswehr, die im Augenblick wirklich im Umbruch ist, eine Bundeswehr in der Neuausrichtung, die notwendig war und richtig ist. Das zeigt, dass wir in diesem Modernisierungsprozess noch erhebliche Arbeit vor uns haben.

Wir müssen Fähigkeitslücken schließen. Wir müssen die Einsatzbereitschaft stärken; deshalb die Task Force „Drehflügler“ und die Task Force „Starrflügler“. Wir müssen Kennzahlen darlegen. Wir haben einen gemeinsamen Ausschuss gehabt, der das gezeigt hat, sodass wir wissen, wie die materielle Einsatzlage ist. Erhebliche Aufgaben liegen vor uns, aber dieser Haushalt gibt uns eine gute Basis dafür.

Ich danke für die Verpflichtungsermächtigung von 1,8 Milliarden Euro. Das gibt uns einen Handlungsauftrag, nämlich Entscheidungen reifen zu lassen. Aber dann, wenn sie getroffen werden können, können wir auch die Verträge schließen, die notwendig sind. Das Wichtigste aber ist, meine Damen und Herren: Wir haben die Möglichkeit, 1,8 Milliarden Euro mehr in die Ausrüstung der Soldatinnen und Soldaten zu investieren. Das ist ein Riesenschritt voran, und wir werden jetzt auch mutig die richtigen Entscheidungen treffen.

Zur Agenda gehört auch, dass wir mindestens 20 Prozent des Verteidigungsetats für die Modernisierung und die Ausrüstung der Bundeswehr einsetzen. Es gibt genügend Projekte im Zulauf: Fregatten, A400M, die neue Hubschraubergeneration, geschützte Fahrzeuge wie der GTK Boxer, der Puma – die Liste ist lang. Das bedeutet für uns gemeinsam auch ein ordentliches Stück Arbeit: Wir müssen den Stau der vergangenen Jahre auflösen. Wir müssen neue Vorhaben auf den Weg bringen. Wir müssen den Zulauf und den Mittelabfluss koordinieren; das ist eigentlich die Kunst. Jeder Erfahrene hier weiß, dass der Zulauf nicht immer zeitgerecht geschieht und deshalb auch der Mittelabfluss nicht immer passend möglich ist. Das heißt, das Bugwellenphänomen, das wir im Augenblick beobachten, müssen wir in den nächsten Jahren gemeinsam in den Griff bekommen. Das bedeutet – ich habe es eben schon gesagt –, dass die Modernisierung der Streitkräfte keine Einmalaktion ist, sondern eine Daueraufgabe.

Ich möchte ein paar Worte zur materiellen Einsatzbereitschaft verlieren. Im September haben die Inspekteure unter großer medialer Beachtung im Verteidigungsausschuss zur materiellen Einsatzbereitschaft vorgetragen. Das Bild war nicht zufriedenstellend, insbesondere bei den fliegenden Waffensystemen. Aber die Verengung auf die Problembereiche, die wir zweifelsohne haben – das will ich gar nicht abstreiten –, hat dazu geführt, dass die generelle Einsatzbereitschaft infrage gestellt wurde. Das weise ich zurück. Im Gegenteil: Die Bundeswehr erfüllt all ihre Einsatzverpflichtungen. Die Soldatinnen und Soldaten sind im Einsatz mit Gerät ausgestattet, das auch im Vergleich mit unseren internationalen Partnern erstklassig ist, gerade im Hinblick auf geschützte Fahrzeuge: Wir haben die größte Flotte an geschützten Fahrzeugen in Europa. Noch einmal: Es gibt Probleme mit den neuen Waffensystemen, die zulaufen – gar keine Frage –, aber das heißt nicht, dass wir blank dastehen.

Zu Ihrer Frage nach dem GTK Boxer, Herr Lindner. Der GTK Boxer ist für den Infanteristen der Zukunft wichtig – gar keine Frage. Deshalb sind wir der Meinung, dass wir mehr davon brauchen. Aber dahinter stehen über 500 Transportpanzer Fuchs zur Verfügung, die dann – um Ihre Frage zu beantworten – nicht mehr aufgerüstet werden, sondern ausgephast werden können. Das Gleiche gilt für den Puma, der auch noch nicht da ist. Aber dahinter stehen über 400 Marder. Mit anderen Worten: Probleme gibt es – daran müssen wir hart arbeiten –, aber wir sollten unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen, meine Damen und Herren. Das ist mir wichtig.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die Soldatinnen und Soldaten haben einen besonderen Auftrag. Wir rufen ihn uns immer wieder in Erinnerung. Wir haben am vergangenen Wochenende in Potsdam gemeinsam mit dem Bundespräsidenten den Wald der Erinnerung eingeweiht. Das ist neben der zentralen Gedenkstätte hier in Berlin-Mitte ein ganz besonderer Ort der Erinnerung – ein Ort der Trauer, ein Ort des Gedenkens an unsere Soldaten, die im Einsatz gefallen sind. Es ist auch ein Ort geworden, an dem die Familien, die Freundinnen und Freunde, die Kameradinnen und Kameraden Geborgenheit und Stille finden. Es ist eine ergreifende und würdige Gedenkstätte geworden. Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich all jenen danken, die weit vor meiner Zeit an der zugrunde liegenden Konzeption und Entscheidung beteiligt gewesen sind. Das, was dort gewachsen ist, war für mich beeindruckend.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eine Gedenkstätte, die uns mahnt, dass unsere Soldatinnen und Soldaten einen einzigartigen Dienst tun – im Einsatz, aber auch in der Heimat – und wir bestmöglich für sie sorgen müssen. Ich glaube, das ist ein Gedanke, der die Gruppe, die hier im Hohen Haus versammelt ist, immer wieder eint.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Vielen Dank. – Das Wort hat jetzt Katrin Kunert, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4179122
Wahlperiode 18
Sitzung 69
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