26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.11

Sonja SteffenSPD - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ein nachdenklicher Satz unseres Außenministers ist heute schon mehrmals zitiert worden: Die Welt ist aus den Fugen geraten. – Es gibt Probleme, die scheinbar endlos wachsen, in immer neuen Dimensionen: Kriege, brutale Verfolgung, Millionen Flüchtlinge – ein einziges Elend.

Es ist richtig und wichtig, dass uns diese Bilder erreichen. Ich möchte jedoch an dieser Stelle erst einmal kurz einen Blick auf die Erfolgsseite werfen. Das sind die Erfolge, die wir in der Welt gemeinsam, gemessen an den Millenniumszielen, in den letzten 15 Jahren erreicht haben, und es sind große Erfolge.

Der Anteil der Weltbevölkerung in absoluter Armut – das sind die Menschen, die mit 1,25 Dollar für ihren täglichen Bedarf auskommen müssen – hat sich seit 2000 halbiert. Die Kindersterblichkeit hat sich seit 2000 ebenfalls halbiert, und die Müttersterblichkeit hat sich fast halbiert. Der Anteil der Kinder mit Grundschulbildung ist auf 90 Prozent gestiegen. Das sind beeindruckende Erfolge, Erfolge einer Politik der Weltgemeinschaft, die sich zur Jahrtausendwende ein ambitioniertes Programm zum Ziel gesetzt hat: die Entwicklungsziele des Millenniums.

Man kann aus diesen Erfolgen zwei Resümees ziehen. Das erste ist: Ambitionierte tief und breit angelegte Programme wie die MDGs und die SDGs sind der richtige Weg. Das zweite ist: Entwicklungszusammenarbeit lohnt sich, zahlt sich aus.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In diesem Geist der Weltgemeinschaft haben Sie, Herr Minister Müller, jetzt ein ebenfalls sehr ambitioniertes Programm aufgelegt: die Zukunftscharta „EINEWELT – Unsere Verantwortung“. Leider sprechen Sie heute nicht – ich bedaure das –, sonst könnten Sie vielleicht auch einige Sätze zu dem wirklich sehr erfolgreichen Auftakt dieser Veranstaltung sagen. Viele von uns waren am Montag dabei. Es waren Tausende von Menschen in der Station Berlin, und es war ein sehr buntes Bild. Das hat uns allen, denke ich, sehr viel Hoffnung für die nächsten Jahre gegeben.

Die Botschaft dieses Programmes ist: Es gibt nicht mehr die Welt des Gebens und Nehmens. Alle Länder und Akteure sind verantwortlich. Das ist ein Programm, das alle Politikbereiche umfasst. Was für die SPD-Fraktion besonders wichtig ist: Das Menschenrecht auf soziale Sicherheit weltweit wird zum Ziel erklärt, ebenso wie eine Flüchtlingspolitik, die die unerträgliche Lage der Flüchtlinge beenden will. Herr Klein, da bin ich ganz bei Ihnen: Das muss so nachhaltig sein, dass die Menschen erst gar nicht mehr aus ihrer Heimat flüchten müssen. Ganz wichtig ist übrigens: kein einziges Wort in der Zukunftscharta über militärische Hilfe. Hier gehört sie nämlich nicht hin, schon deshalb nicht, weil sie oft Teil des Problems ist und nicht Teil der Lösung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dafür hat die Charta aber ein weiteres Ziel formuliert – das haben auch Sie am Montag betont –, man höre: vom Freihandel zum Fairhandel. Das hat mir sehr gut gefallen. Seien Sie versichert, Herr Minister, die Zukunftscharta findet die volle Unterstützung meiner Fraktion, der SPD-Fraktion, und hoffentlich auch der gesamten Koalition.

(Beifall der Abg. Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU])

Nun hat die Zukunftscharta also sehr erfolgreich begonnen, es bedarf aber einer konsequenten Neuausrichtung Ihres Ministeriums, damit es tatsächlich ein Ministerium für globale Zukunftsfragen werden kann. Hier, liebe Kolleginnen und Kollegen – da gebe ich der Opposition wirklich recht –, bedarf es auch mit Blick auf die Zukunft aus unserer Sicht eines wesentlich höheren Etats.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund ist es mir als Haushälterin natürlich leicht gefallen, mich für mehr Mittel in unserem Etat einzusetzen. Ich weiß auch, dass vor allem die Oppositionsfraktionen – das haben wir vorhin schon gehört – bemängeln, dass der Entwicklungsetat nach wie vor nur 0,38 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt statt der einmal vereinbarten 0,7 Prozent, was der berühmten, fast schon berüchtigten ODA-Quote entsprechen würde, die wir eigentlich 2015 erreichen wollten. Diese zu erreichen, ist uns bislang nicht gelungen. Die Fachpolitiker und Fachpolitikerinnen der SPD-Fraktion sind wie auch ich an einigen Stellen nicht glücklich über den diesjährigen Etat.

Ich will aber auch loben; das habe ich eingangs schon gesagt. Immerhin haben wir insgesamt 100 Millionen Euro mehr, als im ursprünglichen Haushaltsentwurf vorgesehen, für die Flüchtlingshilfe. 60 Millionen sind noch einmal obendrauf über den Titel „Entwicklungsfördernde und strukturbildende Übergangshilfe“ in den Haushalt hereingelangt. Ich finde schon, dass das ein großer Erfolg und vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsdramen auch völlig angemessen ist.

Der Etat des Außenministeriums – auch das war ja heute hier in der Debatte zu hören – ist gleich um 300 Millionen Euro aufgestockt worden. Das ist auch besonders wichtig, weil gerade die Winterhilfe jetzt unbedingt funktionieren muss.

2015 ist für die Entwicklungszusammenarbeit ein entscheidendes Jahr – das haben wir schon gehört –: Wir haben die Zukunftscharta; 2015 übernimmt Deutschland die Präsidentschaft der G 7, und eine der ersten Konferenzen, die Deutschland leitet, ist die GAVI-Geberkonferenz. Schon Ende Januar soll sie in Berlin unter der Schirmherrschaft unserer Bundeskanzlerin stattfinden.

Ich will vielleicht kurz erklären, auch wenn wir zu dieser späten Stunde bedauerlicherweise fast unter uns sind: Dank GAVI konnte in den letzten Jahren erreicht werden, dass mindestens 440 Millionen Menschen gegen lebensbedrohliche Krankheiten geimpft werden konnten. Auf diese Weise wurden schätzungsweise bisher schon 6 Millionen Todesfälle verhindert. Polio beispielsweise konnte weltweit fast komplett ausgerottet werden.

Das ist also ein sehr ambitionierter, aber auch sehr erfolgreicher Fonds, den wir da haben. Ich finde es absolut angemessen, dass wir in diesen Haushalt 15 Millionen pro Jahr zusätzlich einstellen; denn es handelt sich wirklich um einen unglaublich erfolgreichen Fonds. Es ist übrigens auch gut, dass die Kanzlerin, die am Montag ebenfalls bei der Übergabe der Zukunftscharta anwesend war, ausdrücklich 500 Millionen Euro für GAVI in den kommenden Jahren in Aussicht gestellt hat. Herr Klein hat darauf auch schon hingewiesen.

Es gibt noch einen anderen globalen Fonds: Das ist der GFATM, der Globale Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria, den wir in diesem Jahr mit 10 Millionen Euro mehr unterstützen. Ich weiß, dass die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker sich mehr versprochen haben. Ich hoffe aber, dass wir in den nächsten Jahren bei diesem Fonds einen weiteren Aufwuchs erreichen können.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Kekeritz?

Ja.

Frau Kollegin, Sie sagten gerade, dass GFATM mit 10 Millionen Euro mehr unterstützt wird. Meiner Kenntnis nach wird der Etat um 35 Millionen gekürzt. Wie ist das zu erklären?

Sie gehen von der theoretischen Annahme aus, dass der Ansatz eigentlich viel niedriger war. Die Leute hier wollen aber wissen, wie hoch er 2014 war und wie hoch er 2015 sein wird. Vor diesem Hintergrund ist ganz klar: Es handelt sich nicht um eine Erhöhung um 10 Millionen Euro, sondern um eine Reduzierung um 35 Millionen Euro. Ich bitte Sie im Namen der Öffentlichkeit und der Kolleginnen und Kollegen hier im Hause, die Zahlen nicht derart durcheinanderzubringen.

Danke.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kekeritz, dazu will ich gerne etwas sagen. Wir hatten in dem Etat „Global Fonds“ ursprünglich 200 Millionen Euro pro Jahr eingestellt; das werden Sie wissen. Im letzten Jahr haben wir es erreicht, den Etat 2014 auf 240 Millionen Euro zu erhöhen. In diesem Jahr – deshalb finde ich, dass ich nichts Falsches gesagt habe – ist es uns gelungen, den Etat um 10 Millionen Euro zu erhöhen, also von den 200 Millionen Euro, die eingestellt waren, auf 210 Millionen Euro.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Logik konsequent angewendet, müssten Sie mir auch sagen, ab welchem Jahr Sie anfangen!)

– Wir sprechen über 2015. Ursprünglich angesetzt waren es 200 Millionen Euro, und jetzt sind es 210 Millionen Euro.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sibylle Pfeiffer [CDU/CSU]: Die Zusagen sind doch nur über 200 Millionen!)

Ich habe ja auch gesagt, dass ich mir in Zukunft eine deutlichere Erhöhung wünsche.

Übrigens hat auch die Kanzlerin am Montag gesagt, dass GAVI und der Global Fonds sehr gelungene Beispiele für multilaterale Entwicklungszusammenarbeit sind. Ich finde es sehr wichtig, dass auch die Kollegen von der Union dies noch einmal deutlich gehört haben.

Es ist wichtig, dass das Interesse in unserem Land an internationalem Engagement durch unsere Politik gestärkt wird. In diesem Zusammenhang leistet der Zivile Friedensdienst, den viele junge und engagierte Menschen dort, wo es wirklich brennt, absolvieren, eine sehr wichtige Arbeit. Deshalb war es uns von der SPD-Fraktion besonders wichtig, dass wir diesen Zivilen Friedensdienst mit 5 Millionen Euro mehr, also mit insgesamt 39 Millionen Euro, unterstützen.

Des Weiteren freue ich mich sehr, dass der Etat für die Forschung in der Entwicklungszusammenarbeit gestärkt wird. Wir stellen hierfür 5 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Es ist gut, dass davon auch das Deutsche Institut für Entwicklungspolitik profitieren wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Haushaltsentwurf 2015 war ein hartes Stück Arbeit. Das Ziel, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen – dass uns dies gelungen ist, begrüße ich sehr –, hat uns vieles abverlangt. Es ist uns gelungen, im Einzelplan 23 die richtigen Schwerpunkte zu setzen, insbesondere im Bereich Flüchtlingshilfe und Gesundheit.

Über den Erfolg eines schuldenfreien Haushalts wollen wir aber nicht vergessen, dass unsere Verantwortung in der Welt und für die Welt wirklich ernst genommen werden muss. Deshalb habe auch ich, Frau Hajduk, darüber nachgedacht, warum wir nicht einen Teil der 7 Milliarden Euro, die noch nicht verplant sind, für Investitionen in die Entwicklungszusammenarbeit nutzen sollten.

(Beifall der Abg. Dr. Bärbel Kofler [SPD] – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da werde ich Sie unterstützen! Da können wir uns einmal austauschen!)

Sie haben das vorhin vorgeschlagen. Das finde ich nicht schlecht.

Abschließend will ich mich bei allen bedanken, beim Hauptberichterstatter, Herrn Klein, der das mit uns zusammen, auch zusammen mit Herrn Leutert und Frau Hajduk, sehr gut gemacht hat. Des Weiteren will ich mich beim Ministerium bedanken, beim Minister selbst, bei den Staatssekretären, beim gesamten Stab und natürlich auch bei unseren eigenen Mitarbeitern.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Sabine Weiss, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4179368
Wahlperiode 18
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23
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