Bärbel KoflerSPD - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23
Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe bei der ersten Lesung, eingehend auf die Worte des Herrn Ministers, über die Entwicklung dieses Haushaltes gesagt: Die Niebel-Delle, die wir damals hatten, ist noch nicht zu einer Müller-Welle geworden. – Jetzt habe ich eine etwas andere Einschätzung als der Kollege Klein. Momentan fühle ich maximal ein leichtes Kräuseln des Wassers.
Natürlich begrüße ich den Aufwuchs von 60 Millionen Euro. Das ist, wie immer man es sieht, keine Kleinigkeit. Ich finde auch richtig, dass dieses Geld insbesondere für die entwicklungsorientierte strukturbildende Übergangshilfe und für die Flüchtlingshilfe genutzt wird. Ebenfalls richtig finde ich, dass es gelungen ist, einige Verschiebungen in diesem Haushalt vorzunehmen, insbesondere im Bereich des Zivilen Friedensdiensts und in kleinen Teilen des Gesundheitssektors. Auch der Bereich der Klimafinanzierung ist gut und richtig ausgestattet. Ebenso freue ich mich, dass die Forschungsmittel erhöht worden sind und insbesondere das deutsche Institut für Entwicklungsforschung entsprechend ausgestattet werden konnte. All das ist gut.
Aber – viele Vorredner haben es gesagt – die eingestellten Mittel reichen nicht aus. Sie reichen nicht aus, um die aktuellen Krisen und Aufgaben zu bewältigen. Sie reichen auch nicht aus, wenn wir dem Anspruch genügen wollen – den wir hier gemeinsam formuliert haben –, Zukunftsinvestitionen tätigen zu wollen, um zukünftige Krisen zu verhindern.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte das an einigen Beispielen versuchen zu verdeutlichen. Aktuelle Krisen, die in aller Munde sind, sind die Situation der Flüchtlinge und die Ebolaepidemie. Die VN sagen uns ganz deutlich, dass bis März 2015 1,5 Milliarden US-Dollar gebraucht werden. Ob es dabei bleiben wird, wissen wir nicht; aber das ist die aktuelle Annahme. Von dieser Summe müssen noch 600 Millionen US-Dollar aufgebracht werden. Deutschland leistet mit über 100 Millionen Euro seinen Beitrag. Sie haben es gesagt, Frau Kollegin Weiss; ich finde das beachtlich. Ich finde es im Übrigen auch beachtlich, dass sich die Europäische Union mit 370 Millionen Euro beteiligt. Auch das muss man an dieser Stelle deutlich erwähnen. Aber wir wissen: Trotzdem klafft hier eine Lücke, und wir werden diese Lücke schließen müssen, auch mit deutscher Beteiligung.
Ähnlich ist die Situation der Flüchtlinge in Syrien. Es gab Ende Oktober eine Syrien-Konferenz. Ich finde sie richtig, gut und wichtig. Ich finde es auch wichtig, dass sowohl das Auswärtige Amt als auch das BMZ insgesamt 500 Millionen Euro zugesagt haben. Das ist gut investiertes Geld.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Diese Maßnahme dient insbesondere der Stabilisierung der Nachbarländer, die wirklich Unglaubliches leisten, wenn es um die Aufnahme der Flüchtlinge aufgrund des Syrien-Konfliktes geht. Das gilt aber nicht nur für Flüchtlinge aus Syrien, sondern auch für Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten.
Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Diese Mittel werden nicht reichen. Allein im Libanon befinden sich über 1 Million Flüchtlinge, Menschen aus Nachbarländern, etwa aus Syrien.
(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Fast 2 Millionen!)
Diese Zahl macht ein Viertel der Bevölkerung Libanons aus. Jordanien hat knapp 700 000 Flüchtlinge aufgenommen, die Türkei über 1 Million usw. usf. Wir wissen: Zur Stabilisierung der Situation in den Flüchtlingslagern werden die Mittel, die wir alle miteinander bisher aufgebracht und eingesetzt haben, nicht reichen.
Wir haben als Entwicklungspolitiker noch einen anderen Anspruch, der auch von Ihnen, Herr Minister, immer betont worden ist, wenn es um die Bekämpfung der Fluchtursachen und die Reintegration der Flüchtlinge ging. Wir haben den Anspruch und eigentlich auch die Aufgabe, den Menschen, die zum Teil über Jahre hinweg – man könnte fast sagen: Jahrzehnte – in Flüchtlingscamps leben, mit all ihren Schwierigkeiten, was Sicherheit, Gesundheitsvorsorge und die Bildung der Kinder anbelangt, eine Perspektive aufzuzeigen, damit das Flüchtlingslager nicht die Endstation für ihre persönliche Entwicklung und ihre Lebensperspektiven ist. Auch in diesem Bereich müssen wir in Richtung Zukunftsinvestitionen und im Übrigen auch im Interesse von Frieden und Stabilität bei uns und in anderen Regionen dieser Erde mehr tun. Das sehe ich leider in diesem Haushalt nicht abgebildet.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn es um Entwicklungspolitik geht, diskutieren wir immer die Frage der Prävention. Das haben auch einige Vorrednerinnen und Vorredner angesprochen. Ich greife noch einmal das Beispiel Ziviler Friedensdienst auf. Ich halte ihn für ein wunderbares Instrument, das dazu beiträgt, Versöhnungsprozesse zu initiieren. Darum geht es uns schließlich. Wir debattieren im Zusammenhang mit Mali, dem Südsudan und vielen anderen Regionen darüber, wie die Menschen wieder zueinanderkommen und Konflikte und Gewalt überwinden können. Gott sei Dank ist jetzt – wir haben das als Fachpolitiker in unserem Antrag gefordert – der Barmittelansatz für den Zivilen Friedensdienst um 5 Millionen Euro erhöht worden. Ich begrüße das sehr.
(Beifall bei der SPD)
Eines macht mir aber Sorge. Wir haben als Fachpolitiker darauf hingewiesen, dass wir mit Blick auf die Zukunft Verpflichtungsermächtigungen einsetzen müssen, damit sich der Aufwuchs verstetigen kann. Das ist doch logisch. Wenn man mithilfe der zusätzlichen 5 Millionen Euro Menschen ausbildet und sie zum Beispiel im Jahr 2015 in den Südsudan ausreisen lässt, damit sie dort wertvolle Arbeit leisten können, wie geht es dann 2016 weiter? Es ist doch logisch, dass man das fortführen muss, weil Versöhnungsprozesse länger dauern und Zeit und Engagement brauchen. Ich bedauere sehr, dass bei den Verpflichtungsermächtigungen dem Votum der Fachpolitiker nicht Folge geleistet wurde. Ich würde mir sehr wünschen, dass das im Haushalt 2016 korrigiert wird.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Johannes Selle [CDU/CSU])
Ähnliches gilt für den Bildungsbereich. Viele Vorredner haben es angesprochen: Bildung ist der Schlüssel für alles. Sie haben es angesprochen, Frau Kollegin Weiss: Das ist die Schiene, auf der wir zukünftig eine nachhaltige Entwicklung voranbringen können. Ich begrüße auch, dass wir einen großen Teil der bilateralen Mittel für Bildung einsetzen. Die Zahlen sind genannt worden. Der Zugang zu Grundbildung hat sich in den letzten Jahren stetig verbessert. Das ist wichtig, und es ist richtig. Wir alle wissen aber auch, dass wir jetzt massiv in die Qualität der Bildung, in die Lehrerausbildung, in die Ausstattung der Schulen und natürlich irgendwann in den sekundären Bildungsmarkt und in den Bereich der Berufsbildung investieren müssen.
Es gibt gute internationale Fonds. Das wurde im Zusammenhang mit GAVI und dem Globalen Fonds angesprochen. Aber es gibt – das sage ich zum vierten Mal in der vierten Haushaltsrede in dieser Legislaturperiode – auch die Global Partnership for Education. Ich finde, dass wir Deutschen uns mit mehr als 7 Millionen Euro daran beteiligten sollten.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben als Fachpolitiker sehr bewusst einen sehr bescheidenen Antrag gestellt, weil wir einen Aufwuchspfad hinbekommen wollten. Ich finde es, ehrlich gesagt, traurig, dass die beantragten 5 Millionen Euro herausgestrichen worden sind. An der Stelle hätte ich mir mehr gewünscht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Zu den Gesundheitsfragen ist vieles gesagt worden. Ich begrüße sehr, dass GAVI mehr Mittel erhält. Ich hoffe und erwarte, dass die Mittelausstattung über die 40 Millionen Euro hinaus, die jetzt im Haushalt vorgesehen sind, so ausfallen wird, dass man dann auch Impfkampagnen im internationalen Bereich weiter voranbringen kann.
Bei der Wiederauffüllungskonferenz des Globalen Fonds haben wir die Chance, zu beweisen, dass wir es ernst meinen mit einer höheren Mittelausstattung als bisher. Das muss sich im Haushalt 2016 deutlich abbilden.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da schaut ihr von der CDU/CSU! – Johannes Selle [CDU/CSU]: Wenn wir das nicht machen würden, dann würden Sie doch sagen, wir schlafen!)
– Ich möchte kurz anmerken, dass ihr mir gerade die Redezeit klaut.
Ich möchte betonen, dass der Global Fund und die Impfkampagne sehr wichtig sind. Wenn es aber um Zukunftsinvestitionen im Gesundheitsbereich geht, dann müssen uns die soziale Sicherung und der Aufbau von Gesundheitssystemen ganz besonders am Herzen liegen. Wir werden sicherlich nicht jedes Gesundheitswesen aufbauen können. Aber wir werden mit Know-how und Personal in den betreffenden Ländern unterstützend tätig sein müssen. Auch dafür brauchen wir Mittel.
Es wurde bereits angesprochen: 2015 ist ein spannendes Jahr, wenn es um Entwicklungsfragen geht. Ich nenne als Beispiele den Prozess um die SDGs, die Nachhaltigkeitsziele, und die Klimakonferenz in Paris. Die Weltgemeinschaft setzt sich ehrgeizige Ziele, wenn es um die SDGs geht. Dabei geht es um den Abbau der Ungleichheiten in der Welt, und zwar sowohl innerhalb der Staaten als auch zwischen den Staaten, aber auch um die Frage, wie wir das nachhaltig finanzieren. Hier spielt der Aufbau von Möglichkeiten eine wichtige Rolle. Ich bin sehr bei dem, was die Expertengruppe zur Finanzierung der Maßnahmen, die dazu dienen, die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, gesagt hat. Wir müssen in die Strukturen der Staaten investieren, sodass Steuern eingenommen werden können und die Möglichkeit besteht, dass die Mittel zur Armutsbekämpfung verwendet werden. Wir sind hier mit einem Know-how-Transfer und anderen unterstützenden Maßnahmen gefordert, wenn es um den Aufbau von Rechnungshöfen und Steuerbehörden sowie der Ausstattung von Parlamenten und Ausschüssen geht. Wir sind ebenfalls gefordert, ob als G 20 oder als Weltgemeinschaft, wenn es um Steuervermeidung, Steuerhinterziehung und Steuerflucht geht. Viele Gelder stehen den Entwicklungsländern zur Armutsbekämpfung nicht zur Verfügung, weil sie irgendwo versickern. Sie kommen so nicht den Ärmsten der Armen zugute.
Wir sind aber auch gefordert – das ist der dritte Punkt, den die Expertengruppe angesprochen hat –, wenn es um die LDCs, die ärmsten Länder, geht. Diese Länder sind sehr darauf angewiesen, dass Mittel aus den reichen Ländern des Nordens bzw. der Weltgemeinschaft kommen. Wir müssen unsere finanziellen Zusagen verlässlich einhalten. Es tut mir leid, dass das 0,7-Prozent-Ziel auch 2015 nicht erreicht wurde. Das ist wirklich blamabel für uns und trägt nicht zu unserer Glaubwürdigkeit in der Welt bei.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Frau Kollegin!
Letzter Satz, Herr Präsident. Ich komme zum Schluss.
Die Kollegin Weiss hat ein spannendes Finanzierungsinstrument angesprochen, da jedes Mal nach der Gegenfinanzierung gefragt wird. Ich möchte mich ihren Ausführungen zur Finanztransaktionsteuer anschließen und den Appell an alle, das Finanzministerium, den Haushaltsausschuss, das ganze Parlament, richten: Wir brauchen eine vernünftig ausgestaltete Finanztransaktionsteuer, die der Bekämpfung der Armut weltweit dient.
Danke.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Claudia Roth, Bündnis 90/Die Grünen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4179444 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 69 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23 |