26.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 69 / Tagesordnungspunkt I.11

Sibylle PfeifferCDU/CSU - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Dinge muss ich erst einmal richtigstellen. Das eine betrifft den Betrag für GFATM. Zugesagt waren 200 Millionen Euro pro Jahr. Dass es letztes Jahr 250 Millionen waren, war einer Sonderinitiative zu verdanken, die hieß: 50 Millionen Euro mehr heißt auch, zusätzlich 50 Millionen Euro von dem ach so gescholtenen Bill Gates dazu. Somit haben wir diesen Deal gemacht.

Zweitens. Bärbel Kofler hat es angesprochen; ich möchte es trotzdem noch einmal deutlich sagen: Der Aufwuchs ist so, wie wir ihn haben, vielleicht nicht befriedigend. Aber Freunde, wenn wir einmal in die mittelfristige Finanzplanung schauen, dann wissen wir, von welchem Geld wir reden. Wir wissen, dass wir es der Bundeskanzlerin zu verdanken haben, dass wir 2 Milliarden Euro in vier Jahren für die Entwicklungspolitik hinzubekommen. Auf diese Art und Weise ist es wenigstens gelungen, die Delle, die wir in der mittelfristigen Finanzplanung hatten, aufzufüllen. Das war schwer genug. Ich hätte mir auch gewünscht, wir hätten diese Delle nicht gehabt. Vielleicht haben wir diese 2 Milliarden irgendwann einmal netto. Aber die Dinge sind, wie sie sind. Das kann man durchaus auch einmal sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Machen wir uns nichts vor, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir sollten uns davor hüten, den Menschen zu suggerieren – wem auch immer; letztendlich vielleicht sogar den Kollegen und Freunden, die noch auf der Tribüne sitzen; Thilo, schön, dass du da bist –, kaum hätten wir die 0,7-Prozent-Grenze erreicht, wären alle Probleme dieser Welt erledigt.

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das macht aber auch keiner!)

Das genau machen wir. Es kommt immer auf die Diktion an. Ich bin sehr dafür, dass wir viel Geld in die Entwicklungspolitik stecken. Aber hüten wir uns doch davor, den Menschen zu suggerieren, kaum hätten wir genug Geld, schon wären die Probleme der Welt erledigt.

(Beifall des Abg. Charles M. Huber [CDU/CSU])

So ist es leider definitiv nicht.

Ich möchte eigentlich genau bei diesem Thema bleiben, nämlich bei der Frage: Was passiert eigentlich, wenn es darum geht, wie wir uns finanzieren und was wir finanzieren? Ich glaube, dass wir sehr wohl ganz gezielt einmal darüber nachdenken müssen, was der Post-2015-Prozess eigentlich für uns bedeutet. In dieser ganz eng miteinander verflochtenen Welt müssen alle Akteure an einem Strang ziehen. Das heißt, wir brauchen eine Roadmap, einen Leitfaden. So wird die Entwicklungsagenda auch genannt, und so wird sie auch kommen.

Allerdings muss ich sagen, dass ich auch ein kleines bisschen skeptisch bin angesichts dessen, was da im Moment an Diskussionen läuft. Wir haben nämlich in der Open Working Group 17 Ziele – wohlgemerkt: 17! – mit 160 Unterzielen. Liebe Freunde, ich befürchte, das wird nichts anderes als ein Verzetteln. Damit wird dieser Prozess letztendlich auch die Ergebnisse völlig konterkarieren oder aber entwerten. Mögen unsere wunderbaren acht Ziele in ihren Aussagen auch noch so schwach oder so wenig durchdacht gewesen sein, sie waren aber zielführend. Insofern bin ich ein bisschen vorsichtig mit Prognosen über die Verhandlungen in den nächsten Monaten. Wir werden das Ganze beobachten. Mal sehen, was dabei herauskommt.

Sehr zufrieden bin ich allerdings damit, dass wir in diesem Zusammenhang über Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit sehr deutlich reden. Noch viel fröhlicher bin ich, wenn ich mir anschaue, was die Arbeit der Kommission für die Finanzierung der Post-2015-Entwicklungsagenda bedeutet. In der Zukunft geht es um das Verständnis von EZ und ODA und darum, welche Auswirkungen das auf deren Finanzierung hat. Was dazu festgeschrieben ist, gefällt mir sehr gut. Vor allen Dingen gefällt mir gut, dass ausnahmslos alle Länder zugestimmt haben, und zwar in der Kernaussage so eindeutig und mit einer solchen Klarheit und Selbstverständlichkeit, dass es schon beeindruckend war.

Lassen Sie mich dazu zwei Punkte herausgreifen. Erstens: Transparenz von politischen Entscheidungen und Haushalten. Damit sind wir sofort beim Thema Korruption. Korruption empfinde ich als eines der größten Entwicklungshindernisse auf der Welt überhaupt. Mit mehr Transparenz können wir sie eindämmen.

Zweitens: Verantwortung für die eigene Entwicklung. Die Länder müssen sich primär selber entwickeln. Die maßgeblichen Entwicklungsimpulse gehen nicht von der ODA aus, sondern kommen aus den Ländern selbst. Daraus lassen sich für meine Begriffe wegweisende Grundsätze ableiten. Ich glaube, wir können nur ahnen, was das eigentlich in der Umsetzung heißt, wenn wir diese Grundsätze beherzigen. Wir könnten uns durchaus einmal damit beschäftigen und uns überlegen, was wir auf diesem Gebiet tun können.

Zunächst müssen wir einmal feststellen, dass es Middle-Income-Länder gibt, die eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung vollzogen haben. Sie haben wirtschaftliche Entwicklungsimpulse bekommen, allerdings nicht durch die klassischen ODA-basierten Programme. Das wurde festgestellt; das ist so. Diese Länder haben es geschafft: durch eigene Steuereinnahmen, durch Zölle auf Rohstoffe, durch Rücküberweisungen und sowohl durch eigene als auch durch ausländische Investitionen. Ich finde, wir müssen diese Realität zur Kenntnis nehmen. Es nutzt nämlich überhaupt nichts, wenn wir Realitäten nicht zur Kenntnis nehmen, Entwicklungen nicht zur Kenntnis nehmen, Debatten nicht zur Kenntnis nehmen und Ergebnisse nicht zur Kenntnis nehmen. Wir erreichen ein Vielfaches dadurch, dass wir die klassische ODA nicht als allein seligmachend ansehen und die Länder in dem unterstützen, was sie dringend brauchen: in ihrer eigenen Entwicklung. Dadurch steigt nämlich ihre Fähigkeit, eine eigene Sozialpolitik zu machen, eine eigene Bildungspolitik zu machen, eine eigene Gesundheitspolitik zu konzipieren und sie vor allen Dingen auch zu finanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich finde, das ist eine wunderbare Sache. Wir wollen den Ländern nämlich keine Konzepte vorschreiben und sie vor allen Dingen nicht auch noch alimentieren müssen. Das kann nicht das Ergebnis dessen sein, was wir wollen.

Ich möchte noch auf eines hinweisen: Wir müssen unsere ODA sehr wohl dafür verwenden, die Least Developed Countries zu unterstützen; das ist die künftige Aufgabe von ODA. Ich glaube, da ist dieses Geld richtig angelegt und nicht in der ODA-basierten EZ.

Manchmal tun wir so, als ob wir diejenigen wären, die die Krisen ganz alleine bewältigen könnten, alle Krisen dieser Welt von A bis Z. Liebe Freunde, wir übernehmen uns völlig. Ich finde es auch anmaßend, dass wir so tun, als ob wir das könnten.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann machen Sie es doch einfach nicht!)

Wir können es nicht. Die Post-2015-Agenda ist auch deshalb so wichtig, weil wir die Probleme nur gemeinsam lösen können.

Es gibt noch etwas, was wir in diesem Zusammenhang sehen müssen, lieber Gerd Müller. Es gibt Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, die zunächst einmal keine öffentlichen Gelder kosten. Ich meine das wunderbare Textilbündnis. Ich finde das hervorragend, weil es vor allen Dingen bewirkt, auch einmal unsere eigene Verantwortung einzufordern. Es kann uns nicht egal sein, wie, unter welchen Bedingungen die Kleidung, die wir tragen, produziert wird. Es kann uns nicht egal sein, dass beim Einfärben von Jeans zum Beispiel nachhaltige gesundheitliche Schäden, auch bei Kindern, entstehen. Das alles kann uns nicht egal sein.

Aber, Freunde, es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass so etwas nicht notwendig ist. Ich nenne die Jeans für 7,90 Euro, das T-Shirt für 2,99 Euro. Das kann nicht funktionieren. Das ist auch nicht nachhaltig. Das ist etwas, an dem wir, glaube ich, noch arbeiten müssen.

Ich hätte mir schon gewünscht, dass das eine oder andere Unternehmen ein bisschen stärker einsteigt. Zumindest ist es eine Diskussion wert. Es geht darum, die Verantwortung sozusagen zu übertragen und zu sagen: Freunde, jeder hat da Verantwortung; jeder kann Verantwortung übernehmen. – Ich finde, das ist eine wunderbare Sache. Das ist prima. Das ist gut so. Wir werden daran arbeiten müssen, lieber Gerd Müller. Unsere Unterstützung hast du.

Als Allerletztes möchte ich noch sagen: In den vielen Jahren, die ich jetzt Entwicklungspolitik mache, ist das der erste Haushalt, lieber Gerd Müller, der eindeutig die Handschrift des Ministers trägt. Das ist ein eindeutiger Gerd-Müller-Haushalt, nicht nur aufgrund der Sonderinitiativen, sondern auch wegen der Sonderinitiativen. Gerd Müller, du hast es geschafft, trotz allem, was wir gerade bemängelt haben, liebe Kollegin Hajduk, trotz des etwas knappen Haushalts, in den Flüchtlingslagern eine nachhaltige Entwicklung in Gang zu setzen – mit den Mitteln, die zur Verfügung stehen, auch in den Sonderinitiativen. Das ist zu unterscheiden von dem, was das Auswärtige Amt in diesem Zusammenhang macht. Ich finde, es ist eine tolle Leistung, dass du das geschafft hast.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hätten Sie es ihm nicht weggenommen! Das wäre besser gewesen!)

– Dass wir da natürlich immer noch mehr Geld hineinstecken könnten, ist klar; da bin ich bei Ihnen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht „mehr“! Nicht wegnehmen!)

Wir brauchen natürlich einen nachhaltigen Ansatz. Wenn ich daran denke, wie es in den Flüchtlingslagern bei der Wettersituation gerade aussieht, muss ich sagen: Da ist natürlich viel zu tun. Aber auch das können wir nicht alles in eigener Verantwortung, nicht ganz allein schaffen; da brauchen wir die internationale Gemeinschaft. Wir brauchen auch die Unterstützung unseres Auswärtigen Amtes. Mit ihm könnte man zusammenarbeiten, vor allen Dingen auf diesem Gebiet.

Ich denke, du machst das gut, Gerd. Ich finde, du hast uns hier einen ganz tollen Haushalt vorgelegt. Du hast unsere Unterstützung. Selbst wenn du dich jetzt nicht persönlich bei uns bedankst,

(Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kann ja einladen!)

selbst wenn du jetzt hier nicht am Pult stehst und sagst, wie toll wir für dich gearbeitet haben – ich weiß, dass du das eigentlich machen könntest. Ich mache das jetzt von hier aus: Wir sind stolz auf dich. Du machst deine Aufgabe wunderbar. Wir unterstützen dich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Axel Schäfer, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4179514
Wahlperiode 18
Sitzung 69
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Epl 23
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