Andreas MattfeldtCDU/CSU - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dass Wirtschaft zu 50 Prozent Psychologie ist, haben wir alle von Bundeskanzler Ludwig Erhard gelernt. Dass man aber eine Rezession auch herbeireden kann – jetzt schaue ich zu den Linken –,
(Zuruf des Abg. Roland Claus [DIE LINKE])
lernen wir in diesen Tagen, lieber Roland Claus, ganz deutlich von Ihnen. Deshalb bin ich froh, dass Sie zwar vielleicht in Thüringen etwas zu sagen haben werden – zum Leidwesen der Thüringer –, dass Sie aber auf Bundesebene davon hoffentlich noch weit entfernt sind.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das ist ein Trauma für Sie, das ist klar!)
Als Kaufmann halte ich mich, was die wirtschaftliche Lage anbelangt, lieber an Zahlen und Fakten. Die Fakten sprechen eine ganz deutliche Sprache: Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich weiterhin sehr stabil. Zum Glück sind für uns in Deutschland eine niedrige Arbeitslosenquote und die hohe Zahl der Erwerbstätigen mittlerweile fast schon zur Normalität geworden.
Ich sage: Es ist doch schön, dass wir uns längst an diese Zahlen gewöhnt haben und dass die Verkündung von neuen Arbeitsmarktzahlen am Ende eines jeden Monats heute nicht mehr die Begeisterungsstürme auslöst, die es anfangs gab, als die Zahl der Erwerbstätigen stieg oder – so darf ich sagen – sich die Situation in Deutschland besserte. Deshalb sage ich: Ein Blick in die jüngere Vergangenheit kann uns nicht schaden.
Erinnern wir uns einfach an die desaströsen Arbeitsmarktzahlen, die 2005 zu verzeichnen waren, als die erste Große Koalition unter Angela Merkels Führung ihre Arbeit aufgenommen hat. Seinerzeit hatten wir eine Arbeitslosenquote von 11,7 Prozent, 5,3 Millionen Arbeitslose, und die Zahl der Erwerbstätigen lag bei lediglich 38,9 Millionen Beschäftigten. Heute haben wir mit einer Arbeitslosenquote von 6,3 Prozent und 2,7 Millionen Arbeitslosen die Zahlen gegenüber 2005 fast halbiert und, was das Schönste ist, wir haben mit 43 Millionen Erwerbstätigen einen Rekordstand erreicht, der zeigt, wie wirtschaftlich stark diese Bundesrepublik Deutschland ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Man merkt, Schröders Reformen wirken!)
– Auch Schröders Reformen wirken, keine Frage. Deshalb hat die Unionsfraktion ihnen klugerweise zugestimmt. Ich würde mich freuen – diesen Wink darf ich dem geschätzten Koalitionspartner geben –, wenn Sie selbstbewusst zu diesen Reformen stehen würden, statt sich peu à peu davon zu verabschieden.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Tun wir doch, Andreas!)
Selbst die in diesen Tagen eher kritischen Mitglieder des Sachverständigenrates prognostizieren einen weiteren Anstieg der Erwerbstätigenzahlen. Ich darf deshalb sagen, dass diese Regierung weiterhin auf einem richtigen Weg ist.
Seit Mitte der 70er-Jahre in Westdeutschland und natürlich nach dem schwierigen Umbruch nach der deutschen Wiedervereinigung in Ostdeutschland ist die Bewältigung der Arbeitslosigkeit für jede Regierung in Deutschland die größte Herausforderung gewesen. Es gab unterschiedlichste Lösungsansätze, von denen einige auch wir entwickelt haben. Viele davon waren nicht sonderlich erfolgreich.
Erst seit 2005 haben sich die Zahlen enorm verbessert. Es ist eben nicht selbstverständlich – auch und gerade mit Blick auf das europäische Ausland –, dass sich die Zahlen heute so präsentieren, wie wir sie wahrnehmen. Das war ein gemeinsamer Kraftakt von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und der Politik. Diesen Erfolg haben wir in Deutschland gemeinsam, alle Bevölkerungsgruppen, erreicht.
In der Finanz- und Wirtschaftskrise haben ganz besonders die Arbeitnehmer die Zähne zusammengebissen. Sie haben auf Lohnsteigerungen verzichtet und Kurzarbeit hingenommen. So ist es gelungen, begleitet von klugen politischen Rahmenbedingungen, dass Deutschland gestärkt aus der Krise hervorgegangen ist. Nur deshalb stehen wir heute so gut da, meine Damen und Herren.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Schön ist es doch, dass die Menschen in Deutschland mit anständigen Lohnzuwächsen am wirtschaftlichen Aufschwung partizipieren. Gute Lohnabschlüsse und eine niedrige Inflationsrate ermöglichen Reallohnzuwächse, die wir lange nicht hatten. Die Menschen haben heute wieder mehr Geld im Portemonnaie. Das zeichnet diese soziale Marktwirtschaft aus
(Johannes Kahrs [SPD]: Sozialdemokratische Marktwirtschaft!)
und zeigt mir, dass diese soziale Marktwirtschaft in Deutschland immer noch funktioniert.
Den absoluten Miesmachern aufseiten der Linken hilft vielleicht der realistische Blick vom Ausland auf Deutschland. Deutschlands wirtschaftliche Stärke wird anerkannt, gerade auch, weil sich die konjunkturelle Lage sowohl in der Welt als auch im Euro-Raum nach wie vor schwierig darstellt. Ich darf in diesem Zusammenhang darauf hinweisen – mein Vater ist ja Franzose –: Die Wirtschaftsdaten von reformbereiten Ländern sind erheblich optimistischer als jene in den Ländern, die kaum Mut für Veränderungen zeigen.
Das Gutachten des Sachverständigenrates für 2015 – es ist bereits angesprochen worden – geht von einem Wachstum von „nur“ 1 Prozent aus, wie die Gutachter schreiben. Ich sage: Auch 1 Prozent ist doch Wachstum, und zwar auf einem sehr hohen Niveau. Wie anfangs erwähnt, kann man eine Rezession auch herbeireden. Davor möchte ich aber ausdrücklich warnen und unterstütze deshalb die Annahmen der Bundesregierung, die von einem höheren Wachstum für 2015, nämlich von 1,3 Prozent, ausgeht.
Dass dieser Aufschwung durch die Binnenkonjunktur getragen wird, merken wir auch. Der private Konsum ist die wichtigste Stütze der Binnenwirtschaft, und die Menschen haben jetzt mehr Geld im Portemonnaie. Das Schöne ist: Sie geben dieses Geld auch aus.
Meine Damen und Herren, Sorge bereitet mir wie sicherlich auch dem gesamten Haus die Situation in Russland und der Ukraine. Auch hierbei möchte ich mich an Fakten orientieren. Die Fakten lassen nichts anderes zu als die Unterstützung der Position unserer Bundeskanzlerin, die bei ihrer Rede in Sydney darauf hingewiesen hat, dass die Ukraine-Krise zu einem Flächenbrand werden könnte.
Putins Handeln oder – vielleicht muss man das eher sagen – Putins Nichthandeln stellt uns in Europa in der Tat vor nicht einfache Entscheidungen, die auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Es darf aber nicht sein, dass wir nach so vielen positiven Erfahrungen zwischen Russland und Deutschland wieder in eine Konfrontation zwischen den USA und Europa auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite hineinlaufen. Ein solches Blockdenken habe ich weiß Gott lange genug erleben müssen. Lassen Sie uns auch nicht vergessen, dass neben allen wirtschaftlichen Beziehungen auch zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Russland und der EU gewachsen sind, die von großem Vertrauen geprägt sind, aber in diesen Tagen, übrigens auch in ganz vielen Familien, auf eine harte Probe gestellt werden. Deshalb mein Appell – vor allem an Russland –: Lassen Sie uns, auch im Interesse des russischen Volkes, doch nicht das zerstören, was wir seit 25 Jahren aufgebaut haben!
Da kommen wir wieder zur Wirtschaft. Sie sprechen nun heute, Herr Minister Gabriel, das zweite Mal in dieser Funktion über Ihren Etat. Hinter uns liegen sehr anstrengende, aber auch konstruktive Beratungen. Ich möchte deshalb Dank sagen, Ihnen, Ihrem Haus, Ihren Staatssekretären auf der Regierungsbank, aber natürlich auch Dank sagen für die gute Zusammenarbeit zwischen uns Berichterstattern.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Nach den parlamentarischen Beratungen hat der Etat des Wirtschaftsministeriums ein Gesamtvolumen von 7,3 Milliarden Euro. Das ist ein leichter Aufwuchs im Vergleich zum Regierungsentwurf, um circa 183 Millionen Euro, der sich natürlich aus der Notwendigkeit der Anpassung der Mittel für das Gebäudesanierungsprogramm ergibt. Gerade dieses Programm sorgt dafür, dass das Geld auch wirklich dorthin gelangt, wo es nach meinem Dafürhalten hin soll, nämlich zu den Hausbesitzern, die ihr Heim energetisch sanieren wollen und so einen effizienten Beitrag zur Energieeinsparung leisten. Als Nebeneffekt – das müssen wir auch sagen – ist dies natürlich auch ein gutes Konjunkturprogramm für unsere Handwerker.
Die Energiewende ist das herausragende Projekt dieser Legislatur. Genau deshalb liegt ein Schwerpunkt des 2015er-Haushalts in diesem Bereich.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn? Aber nicht in diesem Haushalt!)
Auf Ressortebene ist das Ziel „Energiepolitik aus einer Hand“ bereits erreicht worden: Sämtliche Energiefragen sind im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gebündelt worden. Jetzt müssen wir dafür sorgen, Herr Minister Gabriel, dass dies auch auf den darunterliegenden Ebenen fortgesetzt wird.
Meine Damen und Herren, die Wirtschaftspolitik dieser Koalition ist zum großen Teil Mittelstandspolitik. Deshalb setzen wir unsere finanzielle Förderunterstützung vor allem für den Mittelstand fort. Der Mittelstand ist und bleibt das Rückgrat unserer Wirtschaft. Dass dies so bleibt, das war mir und meinem Koalitionsmitberichterstatter Thomas Jurk ein sehr wichtiges Anliegen. Wir beide waren nicht damit einverstanden – das ist, glaube ich, ein offenes Geheimnis –, dass im Haushaltsentwurf einige Ansätze im Bereich der Mittelstandsförderung gekürzt wurden. Deshalb haben wir rund 8 Millionen Euro für diese Zwecke wieder in die Förderinstrumentarien für den Mittelstand hereingeholt, und 1 Million Euro haben wir zusätzlich für Investitionen in Fortbildungseinrichtungen, vor allem denjenigen für das Handwerk, zur Verfügung gestellt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Ein Thema, das vielleicht ab und an zu kurz kommt: Auch die Deutsche Zentrale für Tourismus erhält für 2015 mehr Mittel. Wir haben den Ansatz hierfür auf insgesamt 30 Millionen Euro angehoben, um im Ausland für unsere schöne Heimat, für den Tourismus bei uns in Deutschland zu werben. Das hatte ich bereits bei meiner Rede zur Einbringung des Haushaltes angekündigt; das haben wir jetzt umgesetzt.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir wollen aber nicht nur im Bereich Tourismus mehr machen und die mittelständische Wirtschaft dort mit mehr Geldern unterstützen, sondern auch im Bereich der Digitalisierung. Hier haben wir in den Haushaltsberatungen knapp 4 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, so zum Beispiel zur Unterstützung vor allem kleiner und mittelständischer Betriebe. Diese erhalten zum Beispiel mit dem Modellvorhaben „go-digital“ Gutscheine für externe Beratungsdienstleistungen im Bereich IT-Sicherheit, Internetmarketing und digitale Geschäftsprozesse – Themen, die in kleinen und mittelständischen Betrieben häufig unterschätzt werden. So unterstützt der Bund auch bei diesen wichtigen Themen gerade kleine und mittelständische Unternehmen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Jetzt darf ich noch etwas sagen: Wir haben zu Beginn dieser Legislaturperiode viel Soziales gemacht, wir haben den einen oder anderen sehr ausgabefreudigen Entschluss gefasst. Jetzt müssen wir auch Haushaltskonsolidierung und die Wirtschaft wieder in den Fokus unseres Handelns rücken. Ich selbst komme aus der Wirtschaft und weiß, welche Belastungen diese Beschlüsse für die Wirtschaft mit sich bringen – sie bringen aber auch Gutes für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes; deshalb waren sie zu einem großen Teil richtig. Wir dürfen aber – diese Bemerkung sei mir gestattet – genauso die Leistungsfähigkeit der Unternehmen nicht überfordern; denn es sind die Unternehmen, die den Menschen Arbeit geben, ihren Lohn zahlen und vor allen Dingen Steuern entrichten. Wir geben dann diese Steuereinnahmen hoffentlich klug und geschickt aus. Deshalb: Jetzt ist es an der Zeit, auch an die Wirtschaft zu denken. Lassen Sie uns also alle gemeinsam die noch vor uns liegenden Herausforderungen zum Beispiel im Bereich der Infrastruktur anpacken und die dort bestehenden Probleme lösen.
Nun werden einige Kollegen sagen: Du hast gar nichts über Fracking gesagt. – Das ist richtig.
(Heiterkeit bei der SPD)
Und jetzt ist es auch zu spät.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Zug ist abgefahren! – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber immer an die Wirtschaft denken, Herr Kollege!)
Dazu werde ich jetzt auch nichts sagen. Darüber werden wir auf kluge Weise in einer der anstehenden Sitzungen beraten.
Ich darf heute dafür werben, diesem Haushalt des Bundeswirtschaftsministeriums die Zustimmung zu geben.
Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort erhält nun der Kollege Hubertus Heil für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4181320 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09 |