Michael FuchsCDU/CSU - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Worte von Herrn Ernst hören wir eigentlich jedes Jahr fünf-, sechs-, siebenmal.
(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Leider! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Und sie werden nicht besser! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Das könnte er sofort einstellen, wenn Sie es machen würden!)
Lieber Herr Ernst, Sie sollten irgendwann mal irgendwas anderes sagen. Wir haben das alles schon gehört. Ihre gesamte Auffassung über die Vermögensteuer sollten Sie zunächst einmal mit dem Bundesverfassungsgericht abklären. Ich verweise auf den berühmten Halbteilungsgrundsatz. Nehmen Sie ihn doch zur Kenntnis. Es hat doch keinen Sinn, das immer wieder zu wiederholen.
(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Machen Sie doch eine andere Politik!)
Sie wissen, dass das nicht funktioniert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wir sagen es so lange, bis Sie es ändern!)
Meine Damen und Herren, die deutsche Wirtschaft ist in einer ausgesprochen positiven Situation, so positiv, wie sie viele Jahre nicht gewesen ist. Trotz der schwierigen Situation im Umfeld, trotz des schwierigen Auslandsgeschäftes für die deutschen Unternehmen, trotz der Situation, die wir in der Ukraine, in Syrien, im Irak und in vielen Ländern Europas haben, wächst unsere Wirtschaft weiter, und zwar im nächsten Jahr um 1,2 Prozent.
Ich will diese Zahl verdeutlichen. Was bedeutet 1,2 Prozent Wachstum? Das sind 34 Milliarden Euro zusätzliches Wachstum. Bei Griechenland wären es 10 Prozent Wachstum, bei Portugal wären es 15 Prozent Wachstum, ja, selbst bei Österreich wären es mehr als 10 Prozent Wachstum, wenn die Wirtschaft in diesen Ländern in der gleichen Größenordnung wachsen würde. Dass eine reife Volkswirtschaft wie die deutsche in einer Krisensituation so wächst, ist ausgesprochen positiv. Dies zeigt, wie robust unsere Wirtschaft ist, wie robust die Binnenkonjunktur ist und dass wir wettbewerbsfähige Unternehmen haben.
Davon profitieren wir alle: Davon profitieren die Menschen; davon profitieren die Unternehmen. Davon profitiert allerdings auch der Staat, und deswegen sind wir überhaupt in der Lage, bei niedrigster Inflation einen solch ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, wie es heute der Fall ist. Nach 46 Jahren haben wir es endlich mal wieder geschafft, einen Haushalt auszugleichen. Ich bin dem Bundesfinanzminister, aber auch allen Haushältern dankbar, die das ermöglicht haben. Das ist eine tolle Leistung. Wenn das Gleiche in anderen europäischen Ländern gemacht würde, würde es uns allen wesentlich besser gehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das ist ein Zeichen, dass das, was wir machen, funktioniert. Wir sollten darum kämpfen, dass das in ganz Europa so gehandhabt wird.
Meine Damen und Herren, die Lage ist positiv. Die Arbeitsmarktsituation ist so positiv wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Aber das ist kein Automatismus. Wir können uns darauf nicht ausruhen. Wir dürfen nicht glauben, dass uns das geschenkt wird. Die Situation hat sich wirklich verändert. Während Ende der 1990er- Jahre, Anfang dieses Jahrtausends die Wirtschaft in aller Regel darüber geklagt hat, dass die Löhne zu hoch sind und dass Deutschland deswegen nicht wettbewerbsfähig ist, so muss man jetzt feststellen, dass sich die Diskussion komplett auf andere Bereiche verlagert hat.
Da geht es um die Energiepolitik; da geht es aber auch um eine gut ausgebaute Infrastruktur. Deswegen ist es vollkommen richtig, dass die Bundesregierung gesagt hat: Gerade der Breitbandausbau für das Internet in ganz Deutschland, im Land, auf der Fläche, ist dringend notwendig und muss vorangetrieben werden. – Dass dafür Gelder in die Hand genommen werden müssen, weiß jeder von uns; das ist klar. Aber das geht auch in andere Bereiche hinein: Luftverkehr, Bahnverkehr etc. All das muss besser ausgebaut werden; denn ein Land wie Deutschland braucht eine vernünftige Infrastruktur. Daran sollten wir weiter arbeiten.
Wir haben ein weiteres großes Problem – da liegt eine zentrale Aufgabe für dieses Parlament –, und das ist die demografische Entwicklung. Ich nenne nur zwei, drei Zahlen. Im Jahr 2009 wurden in Deutschland 600 000 Ausbildungsverträge im Handwerk unterschrieben. Wir werden im Jahr 2015 überhaupt nur noch 500 000 Schulabgänger haben. Das heißt, da wird es eine gewaltige Lücke geben. In meinem Wahlkreis haben wir immerhin noch 365 offene Ausbildungsstellen im Handwerk.
Dieser Rückgang wird zu einem Facharbeitermangel und zu einem Wettlauf um Facharbeiter führen. Das sind Dinge, die wir in der nächsten Zeit, Herr Minister, etwas intensiver adressieren müssen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir der Wirtschaft hierbei helfen können; denn wir konkurrieren mit anderen Standorten überall in der Welt. Wenn in Deutschland keine qualifizierten Arbeitnehmer mehr zu bekommen sind, dann kann es uns sehr schnell passieren, dass die Firmen dahin abwandern, wo die Arbeitnehmer sind.
Deswegen bin ich auch froh, dass wir uns sehr intensiv mit dem Außenhandel beschäftigen. Die Bundeskanzlerin hat gestern vollkommen zu Recht sehr nachdrücklich zum Ausdruck gebracht, dass TTIP vorangebracht werden muss. Wenn ich immer die Unkenrufe von allen möglichen Leuten höre, wie schlimm und fürchterlich das Ganze sein würde, kann ich nur sagen: Ich habe in der letzten Woche auf der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft feststellen können, wie notwendig die Freihandelsabkommen sind.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Jeder hat uns klargemacht, dass das dringend ist.
Wenn man nur einmal die letzten fünf Jahre betrachtet – ich bin ja so ein alter Außenhändler
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eher Außenseiter!)
und habe mich zeit meines Lebens mit Außenhandel beschäftigt, meine Damen und Herren –, dann hat man in den 31 größten Nationen, mit denen wir Handel betreiben, 860 neue Handelshemmnisse festzustellen. Beim Aufbau von Handelshemmnissen liegt Russland an erster Stelle. An zweiter Stelle liegt China. An dritter Stelle liegt Indien. Indien hat beispielsweise kurzerhand den Pkw-Importzoll von 75 Prozent auf 100 Prozent angehoben. All das ist in den letzten fünf Jahren passiert. An vielen Stellen sind Handelshemmnisse neu aufgebaut worden. Das schadet der deutschen Wirtschaft natürlich ganz erheblich.
Deswegen ist es notwendig, dass wir so schnell wie möglich daran weiterarbeiten. Die Doha-Runde ist schon lange zum Stillstand gekommen. Seit über zehn Jahren hat sich nichts bewegt. Ich hoffe, dass der neue Präsident jetzt endlich mehr Schwung hineinbringt. Die Zeichen, die dadurch gesetzt wurden, dass Froman jetzt mit Indien verhandelt hat, sind positiv, und es könnte sein, dass sich da etwas bewegt. Aber noch viel mehr würde sich bewegen, wenn es uns gelingen würde, TTIP so schnell wie möglich abzuschließen.
Was ist eigentlich der zentrale Grund dafür, dass TTIP für uns so wichtig ist? Meine Damen und Herren, mit diesem Abkommen werden Normen und Standards für den transatlantischen Raum gesetzt. Unsere Normen werden mit denen der Amerikaner abgeglichen und gleichgesetzt. Die Amerikaner – das hat man uns in Vietnam sehr nachdrücklich beigebracht, Herr Minister – verhandeln auch sehr intensiv über TPP. Das ist das Trans-Pacific Partnership Agreement. Wenn das zuerst fertig ist, dann werden Normen zwischen den Pazifikstaaten und den Amerikanern gesetzt, und dann können wir uns darauf verlassen, dass sie diese natürlich in die Verhandlungen mit uns über TTIP einbringen müssen, weil sie keine zwei verschiedenen Normensysteme – eines für den pazifischen und eines für den atlantischen Raum – haben können. Wenn das passiert, dass zuerst die transpazifischen Normen festgelegt werden, dann bedeutet das für uns, dass wir denen sozusagen nachlaufen müssen. Mir ist es andersherum lieber, nämlich dass die uns nachlaufen.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)
Deswegen finde ich es sehr positiv, dass Frau Malmström uns mitgeteilt hat, dass die Verhandlungen – in großer Transparenz; dafür bin ich unbedingt – so schnell wie möglich fortgesetzt werden sollen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich habe auch noch die Hoffnung, dass das schneller gehen könnte, und zwar deswegen schneller gehen könnte, weil in den USA jetzt in beiden Häusern die Republikaner das Sagen haben, die traditionell deutlich freihandelsfreudiger sind, als es die Demokraten nun einmal sind.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird hier sogar amerikanische Innenpolitik gemacht! Meine Herren!)
Insofern sollten wir alles daransetzen – das ist eine der wichtigsten Aufgaben, Herr Minister, der nächsten Zeit –, dieses Abkommen weiter nach vorne zu bringen.
Gerade der Mittelstand ist auf Freihandel angewiesen. Seine Unternehmen haben keine großen Rechtsabteilungen, die sich mit nichts anderem beschäftigen, als zu schauen, in welchem Land welche Regeln gelten; das kann sich der normale Mittelständler nicht leisten. Wenn wir es aber schaffen können, die Situation so darzustellen, dass er es kann, dann sollten wir das tun.
Meine Damen und Herren, ein weiterer Bereich, in dem es dringend notwendig ist, etwas zu tun, ist der Investitionsbereich. Ich bin froh, dass der Bundesfinanzminister weitere 10 Milliarden Euro zur Verfügung stellt,
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nicht dieses Jahr?)
die wir in den nächsten drei Jahren investieren werden.
(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwann mal! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Irgendwas mal!)
Ich bin froh, dass im nächsten Haushalt festgelegt wird, wohin das Geld fließt. Das ist notwendig.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn jetzt nicht? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Eingeständnis eines Fehlers! Mehr ist es nicht!)
Je mehr Investitionen wir haben, desto größer ist die Chance, dass Deutschland den Wachstumspfad weiter verfolgen kann.
Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass Investitionen nicht nur im öffentlichen Sektor, sondern auch im privaten Sektor, im Unternehmenssektor, erfolgen. Dafür müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass an den Standort Deutschland geglaubt wird und dass möglichst viel in Deutschland investiert wird.
In Deutschland haben wir in den letzten Jahren die höchsten Forschungsetats überhaupt; aber wir geben erst 2,94 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts für Forschung aus. Ich nenne mal die Zahlen anderer Länder: Südkorea investiert 4 Prozent und das wachstumsschwache Japan 3,4 Prozent. Wir sind da also noch nicht an der Spitze. Das kann noch deutlich mehr werden. Wir sollten daran arbeiten.
Wir brauchen in Deutschland gute Bedingungen für Existenzgründer, für Risiko- und auch für Beteiligungskapital. Wir haben zurzeit 4,43 Millionen Selbstständige. Die Zahl klingt besonders gut; aber es ist nicht so, als wäre Deutschland das Gründerland der Europäischen Union oder gar der Welt – nein!
Wenn man sich einmal überlegt, welche großen Unternehmen mit Weltgeltung in Deutschland vor dem Zweiten Weltkrieg gegründet wurden und welche danach, dann stellt man fest, dass es in Deutschland eigentlich nur ein einziges nach dem Zweiten Weltkrieg gegründetes Unternehmen gibt, das Weltgeltung erlangt hat, nämlich SAP. Wir sollten einmal darüber nachdenken, warum das bei uns so ist. In den USA sieht es anders aus. Ich nenne einfach nur Microsoft, Apple, Cisco Systems, Intel, Dell, Facebook, Google; all das sind Unternehmen mit Weltgeltung, die nach dem Zweiten Weltkrieg, zum Teil in den letzten 20 Jahren, entstanden sind. Ich meine, es muss schon einen Gedanken wert sein, warum das bei uns so schleppend vorangeht.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was tun Sie denn dafür? Nicht nur nachdenken, sondern was tun! Sie regieren!)
Das Risiko- und Beteiligungskapital spielt da bestimmt eine Rolle. Ich zitiere jemanden:
Das Zitat stammt von Herrn Gabriel; da sitzt er.
Wir sollten dafür sorgen, dass sich der Einsatz von Venture Capital in Deutschland lohnen kann. Da kann es nicht sein, dass Steuerbegünstigungen für Gewinne aus der Veräußerung von Streubesitzanteilen – die Begünstigungen sind im Prinzip dafür da, um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden – aktuell wieder zur Diskussion gestellt werden;
(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ja, von Schwarz-Grün in Hessen!)
denn dann wird da nicht investiert. Wir brauchen aber gerade diese Investitionen in kleine, in junge Unternehmen; das ist notwendig.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Lieber Kollege Mattfeldt, ich habe noch drei Minuten Redezeit, und deswegen werde ich noch ein bisschen zur Energiepolitik sagen. Wir brauchen eine konsistente Energiepolitik – –
Einen Moment mal! Können wir einen Zeitabgleich machen? Wo sollen die drei Minuten herkommen?
(Heiterkeit – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er wollte uns noch erklären, dass er für Fracking ist!)
Wir brauchen eine konsistente Energiepolitik, die dazu führt, dass wir sicher, zuverlässig und zu jeder Zeit preiswert Energie zur Verfügung stellen können, die selbstverständlich ökologisch sein sollte. – Prima, ich kriege noch Redezeit.
Nein, nein. Nach Ablauf der Redezeit gibt es auch keine Zwischenfragen.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Schade!)
Dann kann ich nur sagen: Wir werden an dieser Energiepolitik intensiv arbeiten.
Na also!
Ich gehe davon aus, dass wir das gemeinsam schaffen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Nun hat der Kollege Schlecht um eine Kurzintervention gebeten.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4181387 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09 |