27.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 70 / Tagesordnungspunkt I.12

Sigmar GabrielSPD - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09

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Frau Kollegin Dröge, manchmal finden es auch Eltern nötig, dass die Kinder endlich ausziehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Dass die Kinder noch bei den Eltern wohnen, ist nicht nur bedauerlich für die Kinder, sondern manchmal auch für die Eltern.

Ich wollte Ihnen, Frau Kollegin Dröge, aber noch einmal sagen, warum ich mich auf der Rednerliste habe nach hinten setzen lassen. Ich wollte Ihrem Kollegen Krischer, der ja immer spannende Reden hält, einmal die Möglichkeit geben, dass ich auf ihn antworten kann; denn dies ist die Stunde des Parlaments. Nun haben Sie aber mit Herrn Krischer getauscht

(Thomas Oppermann [SPD]: Er ist ausgewichen!)

und konnten daher nicht nach mir sprechen.

Die Haushaltsdebatte ist die Stunde des Parlaments, und da ist es angemessen, dass Ministerinnen und Minister dem Parlament auf ihre Debatte antworten und nicht vorweggehen. Das ist die Idee einer Haushaltsdebatte.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Legen Sie los!)

Ich bin ja auch schon einige Jahre Parlamentarier, und es ist, wie ich finde, doch ganz spannend, wenn Sie als Abgeordnete etwas sagen und ein Minister wie ich muss hinterher antworten.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Auf Frauen antworten Sie wohl nicht, oder was?)

Aber wenn man es, wie Ihr Kollege Krischer, lieber hat, sicher zu sein, dass ihm keiner mehr antworten kann, dann ist das kein Zeichen eines ausgesprochen großen Selbstbewusstseins, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Nun zur Beantwortung Ihrer Fragen, Frau Kollegin Hajduk und Frau Kollegin Dröge.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja schön, wenn Sie antworten würden!)

– Ich dachte, ich soll Ihre Fragen beantworten. Ich mache das gerne.

Frau Kollegin Dröge, die Antwort auf Ihre Frage, was CETA angeht, habe ich Ihnen doch schon im Ausschuss gegeben. Da haben Sie und die Kollegin Hajduk mich doch schon einmal gefragt: Wie sieht es aus? Kriegen Sie die Investitionsschutzklauseln aus dem Abkommen raus? – Ich habe damals im Parlament wie auch noch einmal im Haushaltsauschuss gesagt, dass ich davon ausgehe, dass das mehr als schwierig ist und vermutlich nicht klappen wird. Denn das Abkommen ist ausverhandelt.

Wir bemühen uns jetzt, die Investitionsschutzklauseln, die in CETA, dem europäisch-kanadischen Abkommen, enthalten sind, noch zu verbessern. Ich habe Ihnen übrigens nicht nur gesagt, sondern auch geschrieben, was der Gutachter dazu sagt; diesen können Sie übrigens einladen. Er sagt, dass der Investitionsschutz im europäisch-kanadischen Abkommen so schwach sei, dass er jedem kanadischen Unternehmen empfehlen würde, vor der deutschen Gerichtsbarkeit zu klagen, weil die Aussicht, dort Entschädigungen zugesprochen zu bekommen – vorausgesetzt, es gab einen entsprechenden entschädigungswürdigen Eingriff beispielsweise durch ein Gesetz –, wesentlich höher sei als vor einem Schiedsgericht.

Der Grund dafür ist, dass Kanada mit Schiedsgerichtsverfahren mit den Vereinigten Staaten schlechte Erfahrungen gemacht hat und deshalb ein Interesse Kanadas bestand, diese Verfahren deutlich einzuschränken. Das alles wissen Sie. Das alles steht im Gutachten. Es ist überhaupt kein Problem für mich, zu wiederholen, dass wir im Hinblick auf CETA am Ende vor der Frage stehen, ob unser Unwohlsein und die Kritik an dem „Schweizer Käse“ des Investitionsschutzes – der Gutachter hat es so bezeichnet; so schwach findet er es – dafür ausreichen, dass Deutschland als alleiniges Land in Europa den gesamten Prozess anhalten kann.

Sie werden sich als grüne Fraktion fragen müssen, wie Sie als europäisch-orientierte Partei, die Sie ja sind, mit Ihrer Position umgehen, wenn der Rest Europas dieses Abkommen will. Ich sage Ihnen: Deutschland wird dem dann auch zustimmen. Das geht gar nicht anders.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Herr Minister, darf die Kollegin Hajduk dazu eine Zwischenfrage stellen?

Selbstverständlich.

Herr Minister, ich möchte da einmal nachfragen. Es ist richtig, dass wir darüber bereits mehrfach gesprochen haben. Ich finde aber, dass es das Kapitel Investitionsschutz aufgrund seiner Bedeutung wert ist, diskutiert zu werden. Das hier ist also keine Schauveranstaltung, sondern eine sehr ernste Debatte. Sie wissen auch, welchen Resonanzboden das in der Bevölkerung hat. Im Übrigen ist das, was wir machen, nicht parteigebunden, sondern es herrscht eine allgemeine Verunsicherung.

Sie haben damals im Ausschuss geantwortet, dass es ganz schwer sei, Mitstreiter zu finden. Sie haben auch gesagt, dass sich das besonders auf CETA bezieht. Ich habe das so verstanden, dass es bei TTIP noch viel offener wird. Deswegen habe ich dahin gehend noch Nachfragen.

Sie haben im Ausschuss und öffentlich zu verstehen gegeben, dass Sie davon überzeugt sind, dass solche Regelungen gar nicht nötig sind. Da die Meinung der deutschen Regierung mit Blick auf die Bewertung eines solchen Abkommens aber nicht unwesentlich ist, möchte ich Sie fragen: Warum und aufgrund welcher Erkenntnis sind Sie so sicher, dass Entschädigungsansprüche, die sich aus mediativen Schiedsgerichtsverfahren ergeben, definitiv keinen indirekten Druck auf Gebietskörperschaften ausüben können?

Es geht bei dieser Thematik nicht immer nur um die Bundesrepublik. Es kann auch um eine Kommune gehen. In dem Fall würden sich internationale Großunternehmen und die Rechtsabteilung einer Kommune vor internationalen Schiedsgerichten gegenüberstehen. Warum sind Sie so sicher, dass das, was Sie als Maßstab gesetzt haben – kein Druck auf souveräne Entscheidungen – nicht doch entsteht und dass sich die Schiedsgerichte schwächer auswirken als der ordentliche Rechtsweg in Deutschland? Da reicht mir kein gutachterliches Zitat. Da muss doch eine Prüfung in Ihrem Haus stattgefunden haben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Antwort Nummer eins ist, dass wir in der Tat der festen Überzeugung sind, dass der Gutachter recht hat. Wir reden jetzt über das Abkommen zwischen Kanada und Europa und nicht über ein noch nicht existierendes Abkommen mit den USA. Der dort vorgesehene Investitionsschutz ist außerordentlich schwach. Der Gutachter hat daher mit seiner Beurteilung recht.

Die Antwort Nummer zwei auf die Frage, wie die Kommunen von CETA und dem Abkommen mit den USA betroffen sind: Die öffentliche Daseinsvorsorge – darauf beziehen sich ja die Sorgen der Kommunen – ist von diesem Freihandelsabkommen ausgenommen. Das heißt, der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, bei dem ja viele Sorgen haben, der Druck zur Privatisierung und zu einer weiteren Liberalisierung werde steigen, ist weder Bestandteil von CETA noch Bestandteil des Abkommens mit den USA. Es ist vorgesehen, die öffentliche Daseinsvorsorge von den Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten auszunehmen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie ganz sicher, Herr Gabriel?)

– Ich bin sicher, dass unser Begriff von öffentlicher Daseinsvorsorge von diesem Abkommen ausgenommen bleibt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn das für eine Antwort?)

– Der deutsche Begriff, Herr Krischer, „öffentliche Daseinsvorsorge“ ist in Deutschland nichts Umstrittenes. Dazu gehören Krankenhäuser, dazu gehört die Abwasserbeseitigung.

(Klaus Ernst [DIE LINKE]: Abwasser ist in CETA drin!)

Eine Kommune darf übrigens privatisieren; aber sie wird durch ein Freihandelsabkommen nicht dazu gezwungen, es zu tun.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

In der Öffentlichkeit wird so getan – Frau Hajduk, ich meine nicht Sie persönlich, sondern andere –, als würde ein Freihandelsabkommen in Deutschland oder in Europa bestehende Gesetze verändern. Das ist bei keinem Freihandelsabkommen der Welt der Fall. Deutschland hat 130 Investitionsschutzabkommen geschlossen – übrigens nicht unbedingt immer mit dem besten Investitionsschutz. In all diesen Ländern gibt es amerikanische Konzerne. Kein einziger dieser amerikanischen Konzerne hat versucht, über ein Schiedsgericht sozusagen deutsche Gesetze zu verändern. Es gibt gar keine Erfahrung, die den Eindruck rechtfertigt, das könnte passieren.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erzählen Sie mal, was ein schwedischer Konzern macht!)

– Mit Fragen ist es so: Wenn man eine Frage gestellt bekommt, muss man antworten, Herr Krischer. Deswegen möchten Sie ja lieber nach mir reden und nicht vor mir.

Frau Hajduk, bereits die alte Bundesregierung hat in Bezug auf die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten gesagt, dass sie ein Investitionsschutzabkommen zwischen zwei entwickelten Rechtssystemen wie den Vereinigten Staaten und Europa eigentlich nicht für notwendig hält. Die Antwort der Amerikaner ist relativ einfach – die der Europäer auch –: Es geht nicht um Deutschland, sondern um Länder wie Rumänien und Bulgarien, mit denen es amerikanische Investoren in Europa ebenfalls zu tun haben und bei denen auch Deutschland Schwierigkeiten hat, den Investitionsschutz für seine Unternehmen sicherzustellen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Es gibt ja durchaus Streitverfahren in erheblichem Umfang über deutsche Investitionen in Mitgliedstaaten der Europäischen Union, von denen wir nicht den Eindruck haben, dass sie mit dem Wettbewerbsrecht in der EU oder mit den Regeln der WTO in Einklang zu bringen seien. Deswegen, finde ich, müssen wir als Deutsche aufpassen, dass wir bei diesem Thema keine nationale Bauchnabelschau betreiben. Ich bin deshalb dafür, dass wir das alles öffentlich und in Ruhe debattieren.

Ich habe überhaupt keine Zweifel daran, dass wir beim kanadisch-europäischen Abkommen noch Verbesserungen erreichen werden. Aber der Rest Europas hält die deutsche Debatte über das kanadisch-europäische Abkommen für – wie soll ich das einmal freundlich ausdrücken? – bemerkenswert. Wir werden doch am Ende vor der Frage stehen, ob die Sorgen, die wir haben und die von keiner Regierung, die am Ende in den europäischen Räten abstimmen muss, geteilt werden, berechtigt sind. Dabei ist es egal, ob Sozialdemokraten, ob Konservative oder ob Grüne wie in Schweden in der Regierung sind; die schwedische Regierung ist absolut dafür, das zu machen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Niederlande haben einen Beschluss gefasst!)

– Nein, Frau Kollegin, ich habe mit der niederländischen Kollegin gesprochen. Sie ist der Überzeugung, dass man CETA verabschieden muss.

Die Niederländer sind, weil sie uns Deutschen entgegenkommen wollen, so freundlich, zu sagen: Wir schauen einmal, ob wir noch etwas verändern können. – Aber den Glauben, wir hätten es im Kreuz, gegen den Rest Europas den Investitionsschutz komplett wieder aus den Verhandlungen herauszunehmen, den habe ich nicht.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

– Das habe ich Ihnen schon beim letzten Mal im Parlament und auch im Ausschuss gesagt. Im Gegensatz zu Ihnen finde ich, dass man darüber eine ganz rationale und gelassene Debatte führen kann, weil das Abkommen ein gutes Abkommen ist und wir noch einige Verbesserungen erreichen werden.

Sie als Grüne würden, wären Sie in der Regierung, nicht auf die Idee kommen – da bin ich ganz sicher –, Europa wegen dieses Abkommens anzuhalten. Ich glaube nicht, dass Ihre Außen- und Europapolitiker das machen würden. Auch wir werden es nicht machen.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das heißt also, Sie stimmen zu!)

– Nein, wir verhandeln weiter über CETA.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herr Krischer, ich habe gar kein Problem damit, ausschließlich darüber zu reden. Wir reden mit unseren Kollegen über weitere Verbesserungen beim Investitionsschutz, auch beim europäisch-kanadischen Abkommen. Ihre Frage und die Frage Ihrer Kollegin war aber, ob wir den komplett herausbekommen. Meine Antwort ist: Nein. Das habe ich Ihnen im Ausschuss gesagt, das habe ich hier im Parlament gesagt, und das werde ich auch meiner Partei sagen, die in Teilen eine andere Auffassung hat.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut! Dann ist das ja mal klargestellt! Dann ist ja gut!)

– Dazu brauchte man keine Klarstellung, weil ich Ihnen das schon im Ausschuss gesagt habe. Dass Sie offensichtlich selbst keinen Weg wissen, wie man es herausbekommen könnte, zeigt sich daran, dass Sie ständig der Aussage ausweichen, wie Sie sich gegenüber Ihren Partnern in Europa aufstellen wollen.

Herr Minister, Sie hatten freundlicherweise angeboten, dass Sie anstelle der vorbereiteten Rede dieses ja offenkundig wichtige Thema intensiv behandeln wollen. Der Kollege Ernst würde gerne eine Frage stellen und die Kollegin Dröge auch.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist echt wichtig!)

Dann unternehmen wir jetzt einmal den Versuch, die Regierungsbefragung in die Parlamentsdebatte zu integrieren, wenn Sie damit einverstanden sind.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre ja gut, wenn er mal zur Regierungsbefragung käme!)

Darf der Kollege Ernst eine Zwischenfrage stellen?

Aber gerne.

Bitte schön.

Drei Fragen hätte ich, Herr Minister.

(Zurufe von der CDU/CSU und der SPD: Oh!)

– Das sind relativ kurze Fragen.

Erstens. Sie haben gerade Rumänien angesprochen. Dass dort ein Investorenschutz notwendig wäre, ist Ihnen bekannt. In Rumänien leitet ein Mineralwasserhersteller zurzeit ein Schiedsverfahren ein, weil von der Regierung zugesagte Investitionen gekürzt wurden. Diese Investitionen wurden allerdings gekürzt, weil Rumänien jetzt Mitglied der Europäischen Union ist und diese Subventionen nicht den Regeln der Europäischen Union entsprechen. Die Politik, die wir in der Europäischen Union betreiben, führt also dazu, dass die rumänische Regierung jetzt ein Schiedsverfahren am Hals hat, von dem sie noch nicht weiß, wie es ausgeht.

Zweitens. Sie haben gerade gesagt, dass der Rest Europas eine andere Position vertritt. Ich glaube, man muss überprüfen, wer das ist. Ich weiß, dass die Bürger in sehr vielen Ländern eine ganz andere Auffassung haben als diejenigen, mit denen Sie vielleicht sprechen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Kommunisten wahrscheinlich!)

In diesen Ländern findet dieselbe Debatte statt wie in Deutschland. Wenn wir über den „Rest Europas“ reden, müssen wir, glaube ich, auch die Frage klären, warum die Europäische Union ein Bürgerbegehren ablehnt, mit dem der Einfluss der Bürger hinsichtlich dieser Fragen ein wenig manifestiert werden könnte. Das ist Fakt: Die Europäische Union lehnt dieses Bürgerbegehren ab.

Drittens. Sie haben gesagt, die öffentliche Daseinsvorsorge sei ausgenommen. Sie haben in diesem Zusammenhang auch vom Abwasser geredet. Das CETA- Abkommen beinhaltet ausdrücklich – das habe ich überprüft – das Problem des Abwassers, das die Kommunen betrifft, nämlich im Anhang II. Es gibt zwei verschiedene Anhänge: Der eine beschäftigt sich mit dem Thema Wasser, der andere mit dem Thema Abwasser. Das Abwasser ist also drin. Momentan wird die Daseinsvorsorge in diesen Abkommen also keinesfalls so definiert, wie Sie das vielleicht möchten.

Ein letzter Punkt: der Parteitagsbeschluss. Ich habe den Eindruck, dass wir zurzeit etwas Merkwürdiges erleben: Wir haben einen Parteitagsbeschluss Ihrer Partei. Den Inhalt dieses Beschlusses haben wir hier zur Abstimmung gestellt. Sie haben nicht zugestimmt, sondern gesagt: Das machen wir alles schon. – Jetzt stellen wir aber fest, dass es offensichtlich in eine andere Richtung geht. Offensichtlich läuft es auf eine Zustimmung zu diesen Abkommen hinaus, obwohl man den Investorenschutz nicht herausbekommen hat.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Dass für Sie Freihandel etwas Schlechtes ist, kann ich verstehen!)

Täuscht mich der Eindruck, oder täuscht er mich nicht?

Natürlich täuscht er Sie. – Erstens. Sie haben sich damals ja gerade nicht getraut, den Antrag zur Abstimmung zu stellen. Das hätte ich sehr begrüßt; aber das haben Sie sich nicht getraut, weil der Antrag am Anfang – dieser Text wurde gemeinsam mit den Gewerkschaften verabschiedet – die Freihandelsabkommen als etwas Richtiges bezeichnet. Sie haben sich nicht getraut, diesen Antrag hier zur Abstimmung zu stellen, weil er am Anfang eine positive Beurteilung von Freihandelsabkommen enthält. Deswegen haben Sie sich das damals nicht getraut. Das ist Ihr Problem, nicht meins.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch bei der LINKEN)

– Lesen Sie einmal Ihre Anträge nach. Ich habe halt ein ganz gutes Gedächtnis.

Zweitens. Beim Thema Daseinsvorsorge bzw. Abwasser, das Sie angesprochen haben, geht es um folgende Frage: Darf es einen Marktzugang für kanadische Unternehmen in Deutschland und umgekehrt geben? Das wird dort geregelt. Dort wird nicht geregelt, dass es einen irgendwie gearteten Zwang zur Privatisierung gibt. Das Recht der Kommunen, zu sagen: „Wir wollen die Abwasserbeseitigung oder die Wasserversorgung in unserer Hoheit behalten“, wird davon überhaupt nicht tangiert.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: So ist es! Richtig!)

Ständig wird der Versuch unternommen, Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Genau!)

Unsere Unternehmen, auch unsere Wasserversorgungsunternehmen, haben im Zweifel ein Interesse, Marktzugangsmöglichkeiten in anderen Teilen der Welt zu bekommen. Im Gegenzug sagen wir: Wenn bei uns jemand die Abwasserbeseitigung oder Wasserversorgung privatisiert – das gibt es in Deutschland durchaus, und zwar auf freiwilliger Basis, ohne Zwang –, dann muss es auch möglich sein, dass sich Unternehmen aus anderen Ländern darum bewerben, wie das übrigens heute in der Europäischen Union schon der Fall ist.

Gucken Sie sich einmal an, wo in Deutschland Lyonnaise des Eaux oder Générale des Eaux in den letzten Jahren überall tätig waren. Ich will gar nicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Es geht lediglich darum: Wenn sich eine Kommune das Recht herausnimmt, selbst zu entscheiden, was sie mit ihrer Wasserversorgung und Abwasserentsorgung tut, dann darf keine Diskriminierung ausländischer Unternehmen erfolgen. Das ist Gegenstand von Freihandelsabkommen. Sie versuchen, den Eindruck zu erzeugen – vielleicht haben Sie diesen Eindruck ja auch –, dass es einen Zwang zur Privatisierung gibt, dass Kommunen unter Druck gesetzt werden und dass jemand klagen könnte, wenn eine Kommune sagt: Ich privatisiere aber nicht. – Das ist absoluter Unfug. Das steht da nirgendwo drin.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Mit meinem Hinweis darauf, dass die Amerikaner nicht nur Interesse an Deutschland haben, sondern ein Abkommen mit Europa schließen, wollte ich deutlich machen, dass wir als Deutsche erhebliche Schwierigkeiten mit einigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben, weil diese ihre Gesetze, sagen wir einmal, in höchst kreativer Form, wenn es zu wechselnden politischen Mehrheiten kommt, so ändern, dass deutsche Investoren, obwohl sie schon investiert haben, ihre Investition nicht zu Ende führen können. Das verstößt gegen die Regeln des europäischen Binnenmarktes. Wir versuchen, das nicht über Schiedsgerichte zu lösen. Manchmal aber ist ein Schiedsgericht am Ende die einzige Möglichkeit, sich zu vergleichen; auch das gehört dazu. Darauf wollte ich hinweisen.

Ich bitte darum, dass wir so vorgehen, wie es die Kollegin Hajduk tut. Wir müssen versuchen, rational abzuschichten: Wo gibt es berechtigte Sorgen, und wie können wir sie beheben? Wir dürfen aber nicht so tun, als würden unsere gesetzlichen Standards durch Freihandelsabkommen mit Investitionsschutz bedroht. Seit es Investitionsschutzabkommen gibt – Deutschland hat, wie gesagt, schon 130 solcher Abkommen geschlossen –, ist so etwas nicht eingetreten.

Jetzt will ich noch etwas zu der Asien-Debatte sagen. Wissen Sie – das ist auch an den Kollegen Ernst gerichtet –, es geht nicht um die Frage, wie viel Prozent Wirtschaftswachstum dadurch entstehen. Ich halte das alles für Voodoo-Ökonomie, sowohl die Aussagen derer, die ein gigantisches Wirtschaftswachstum prognostizieren, als auch derer, die sagen, dass das nur zu ganz wenig Wachstum führen wird; denn kein Mensch kann vorhersagen, wie sich das entwickelt. Aber eines ist klar: Koppeln wir uns zum Beispiel von den asiatischen Ländern ab, wenn diese Freihandelsabkommen schließen, auch mit den USA, sind wir als Europäer außen vor. Dann allerdings ist das für eine Exportnation wie Deutschland eine mittlere Katastrophe. Darum geht es doch.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wir waren gerade zusammen dort. Diese Länder sagen: Das 21. Jahrhundert ist ein pazifisches – eigentlich meinen sie: ein asiatisches – Jahrhundert. – Ich vermute, da ist etwas dran. Jetzt geht es um die Frage: Haben wir als Europäer, als Deutsche eigentlich noch Anschluss an diese Region, oder sagen wir: „Wir sind uns selbst genug“? Das ist die eigentliche Debatte, die wir führen müssen. Wer an sozialen, ökologischen und Nachhaltigkeitsstandards im Welthandel interessiert ist, dem muss doch klar sein, dass wir diese eher mit den Vereinigten Staaten hinbekommen als mit China. Wenn die Vereinigten Staaten eines Tages ein Abkommen mit China schließen, dann werden wir uns diesen Standards anpassen müssen.

Europa wird möglicherweise das letzte Mal die Chance haben, in einem Abkommen zwischen den beiden derzeit noch größten Handelsregionen der Welt Standards für den Welthandel zu beschließen. Sie werden nicht so sein, dass Linke, Sozialdemokraten, Grüne und vielleicht auch Konservative dann sagen: Jetzt ist alles in Ordnung. – Sie werden nicht optimal in unserem politischen Sinne sein. Aber sie werden allemal besser sein als alles, was Amerika und China aufschreiben würden. Es geht um die Frage: Müssen wir uns bzw. müssen sich unsere Kinder diesen Handelsabkommen anpassen, oder haben wir die Chance, gemeinsam mit den Amerikanern Standards zu vereinbaren, denen sich andere anpassen müssen? Das ist die politische Frage, um die es geht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Noch einmal: Jeder von uns, der hier sitzt, weiß doch, dass sich Veränderungen zum Besseren Schritt für Schritt ergeben. Wir werden keine Handelsabkommen schließen, die für alle, die hier im Parlament sitzen, und für die gesamte Öffentlichkeit optimal sind. Wir müssen es aber schaffen, in unserem Land eine aufgeklärte Diskussion zu führen. Monatelang hat Deutschland über ein Chlorhuhn debattiert,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

das gar nicht Gegenstand dieses Handelsabkommens ist.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: So ist es!)

Es wird so getan, als könnten diesem Handelsabkommen zufolge gentechnisch veränderte Nahrungsmittel nach Europa geschickt werden, obwohl selbst EU-Kommissar Herr De Gucht nachweisen kann, dass dies nicht Gegenstand des Handelsabkommens ist.

Besuchen Sie einmal Opel in Rüsselsheim. Wenn Sie dort sind, sehen Sie: Im Eingangsbereich steht ein kleines Auto. Man versucht gerade, es in die USA zu exportieren. Am Beispiel dieses Autos hat Opel einmal geschildert, was sie alles ändern müssen – vom Blinker über die Scheinwerfer, die Frontlänge und die Decke bis hin zur Heckklappe –, um dieses kleine Auto in den Vereinigten Staaten verkaufen zu können. Ich glaube, die Veränderung der Fertigungslinie, um das möglich zu machen, kostet 150 Millionen Euro. Das ist das Thema, über das wir reden!

Mein dringender Rat an uns alle ist, dass wir das nicht im Klein-Klein debattieren, sondern dass wir uns darüber im Klaren sind, dass, wenn wir uns von den Weltmärkten abkoppeln, dies am Ende viele Hunderttausend Menschen in Deutschland ihren Job kosten wird – nicht die im öffentlichen Dienst und nicht die, die im Parlament sitzen; aber Facharbeiter und Angestellte in Deutschland werden das am Ende bezahlen müssen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Herr Minister, darf denn die Frau Dröge jetzt noch ihre Zwischenfrage stellen?

Ja.

Herr Minister, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage noch zulassen. – Ich hatte mich eben noch zu der Debatte über die Schiedsgerichte gemeldet, weil auch ich, ähnlich wie Sie, ein gutes Gedächtnis habe.

Am 25. September 2014 haben wir hier im Parlament miteinander über CETA und die Schiedsgerichte diskutiert. Damals lag Ihr Gutachten schon vor; wir hatten das gelesen. Unser Gegengutachten liegt ebenfalls vor – Sie haben das hoffentlich auch gelesen –, weshalb wir weiterhin der Meinung sind, dass es hochproblematisch ist, wenn Schiedsgerichte Teil von CETA sind.

Aber ich habe eine konkrete Frage an Sie. Darauf sind Sie bei Ihrer Antwort auf die Zwischenfrage von Frau Hajduk auch nicht eingegangen, sondern Sie haben nur den Anschein erweckt, als würde das, was Sie hier im Parlament erzählen, in einer zusammenhängenden und logischen Reihenfolge stehen. In der angesprochenen Debatte haben Sie aber gesagt:

Das haben Sie hier im Parlament gesagt: „verbindliche Leitlinien“. Wenn man diese verbindlichen Leitlinien liest, findet man darin:

Auch das haben Sie am 25. September 2014 hier im Parlament versprochen.

Damals gab es Ihr Rechtsgutachten schon, und Sie haben nicht gesagt, dass Sie der Ansicht sind, dass nur vielleicht noch einzelne Teile nachzuverhandeln sind, was Sie im Moment in Brüssel tun, wie ich wahrnehme, und nicht über das gesamte ISDS zu verhandeln ist. Sie haben auch nicht so klar, wie Sie das jetzt getan haben, gesagt, dass die SPD CETA am Ende zustimmen wird, wenn ISDS Teil des Abkommens ist, sondern Sie haben den Anschein erweckt – so muss ich Ihr Zitat verstehen –, dass Sie CETA ablehnen werden, wenn ISDS nicht herausgenommen wird.

Deswegen ist meine konkrete Frage an Sie: Ist das jetzt verbindlich? Gilt das, was Sie uns am 25. September 2014 im Deutschen Bundestag gesagt haben, nicht mehr?

Bei meiner zweiten Frage geht es um die öffentliche Daseinsvorsorge. Sie haben jetzt gesagt, sie sei nicht mehr Bestandteil von TTIP. Wenn man sich das TTIP- Mandat aber durchliest, dann sieht man, dass nur die Public Utilities aus den Verhandlungen ausgeklammert werden. Gemäß der Definition von Public Utilities geht es nur um die öffentliche Daseinsvorsorge, die nicht im Wettbewerb mit Kommerziellen steht. Es geht hier also im Kern um die Polizei, die Justiz und die öffentliche Verwaltung.

Unsere europäische Definition von öffentlicher Daseinsvorsorge entspricht eben nicht dieser Definition von Public Utilities. Im TTIP-Mandat ist diesbezüglich keine Klarstellung vorgenommen worden, weshalb nach unserer Rechtsauffassung ein großer Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht aus den TTIP-Verhandlungen ausgeklammert ist.

Meine Frage an Sie ist: Wie kommen Sie zu Ihrer Rechtsauffassung?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Erstens ging es bei der Debatte mit dem Kollegen Ernst um das europäisch-kanadische Abkommen. Darüber haben wir eben geredet.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es nicht!)

– Ich habe auf die Frage von Herrn Claus geantwortet, Frau Kollegin.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Von Herrn Ernst! Das ist Herr Claus, und das ist Herr Ernst!)

– Ernst. Dass ich euch immer verwechsle!

(Heiterkeit – Roland Claus [DIE LINKE]: Da ist Guttenberg schon dran gescheitert!)

Ich hoffe, es ist für keinen von Ihnen ein Problem. – Ich habe auf die Frage des Kollegen Ernst geantwortet, der über das europäisch-kanadische Abkommen geredet hat. Zu TTIP gibt es noch gar keine Verhandlungsergebnisse.

In der Tat bin ich der festen Überzeugung, dass es bei TTIP um Marktzugänge gehen wird und nicht um den Zwang zur Privatisierung im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das haben uns die Verhandler, die in Brüssel für die Europäische Union verhandeln, übrigens auch mehrfach bestätigt. Deswegen sehe ich keinen Grund, meine Auffassung dazu zu ändern.

Zweitens. Sie haben völlig korrekt zitiert, dass das Leitlinien für mein Handeln sind. Was tue ich also? Ich versuche, zu klären, was von den 14 Punkten, die darin stehen, umsetzbar ist und was nicht. Am Ende muss man sich dann entscheiden, ob die Dinge, die man nicht geschafft hat, im Vergleich zu den Dingen, die man geschafft hat, so schwerwiegend sind, dass man das ganze Abkommen ablehnen muss, oder ob man glaubt, dass das, was man durchsetzen konnte, ausreicht, um zu rechtfertigen, dass man das Abkommen, obwohl man vielleicht nicht alles hinbekommen hat, nicht ablehnt. Ich glaube, dass diese Lehre in Ihrer Partei schon längst gezogen wurde.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Von Herrn Kretschmann zumindest!)

– Ich wollte nicht auf Herrn Kretschmann abheben. Ich glaube, dass das bei den Grünen alle so sehen. – Es ist absolut klar: Wir versuchen, so zu verhandeln, dass die Gefahren durch den Investitionsschutz, die Frau Hajduk beschrieben hat, nicht eintreten. Ich glaube, dass wir das auch schaffen. Bei den Verhandlungen zu CETA ist das viel einfacher als bei TTIP. Bei den Verhandlungen zu TTIP ist das noch offen. Bei CETA sind die jetzigen Regelungen schon schwach. Wir werden versuchen, dieses Abkommen noch besser zu machen: durch Regeln zu Appellationsgerichten, durch die Frage, wie die Richter berufen werden, durch die Entscheidung, dass man nur den einen oder den anderen Weg gehen kann und nicht, nachdem man auf nationaler Ebene gescheitert ist, noch ein Schiedsgericht anrufen kann.

Mein Eindruck ist, dass in Europa schon jetzt nicht viele bereit sind, in dieser Frage, selbst bei den Verbesserungen, mitzumachen. Dann werden Sie und wir entscheiden müssen – auch meine Partei wird darüber entscheiden müssen –, ob Sie glauben, ein europäisch-kanadisches Abkommen, bei dem es nicht gelungen ist, den gesamten Investitionsschutz herauszunehmen, stoppen zu müssen, weil Sie der Überzeugung sind, dass deutsche Sorgen wichtiger sind als das, was der Rest Europas für sich und seine wirtschaftliche Entwicklung für sinnvoll und nötig hält. Dabei rate ich zu etwas weniger deutscher Nabelschau. Das ist mein Rat an uns alle. Deswegen bin ich bei dem, was ich tue, mit mir im Reinen.

Ich hätte übrigens auf die Frage Ihrer Kollegin Hajduk viel einfacher antworten können. Sie hat mich nämlich nur gefragt, ob ich etwas dafür tue, der Gefahr, dass ein Parlament erpresst wird, entgegenzutreten. Ich hätte sagen können: Natürlich tun wir das. – Ich hätte allen konkreten Aussagen zu CETA und TTIP aus dem Weg gehen können. Glauben Sie mir: Ich bin sprachlich und auch sprecherisch dazu in der Lage.

Ich habe das absichtlich nicht gemacht, weil ich dafür bin, dass wir rational über diese Fragen reden, und weil ich es richtig finde, dass das Parlament, Frau Hajduk, darüber debattiert. Aber bitte seien Sie sachbezogen, und halten Sie sich an Tatsachen! Wir reden über keine Kleinigkeit. Wenn wir das hier falsch machen, dann werden uns unsere Kinder und Enkel aufgrund unserer ängstlichen und ideologischen Debatte in Deutschland verfluchen; das sage ich Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mein Gott!)

Frau Kollegin, Sie haben noch eine Frage gestellt. Sie haben gefragt, warum die 10 Milliarden Euro – auch Frau Hajduk hat das freundlich angesprochen –, die Herr Schäuble zur Verfügung stellt, nichts bringen. Darauf will ich Ihnen antworten: Unter anderem führt dieses Geld dazu, dass wir am 3. Dezember dieses Jahres im Kabinett ein Energieeffizienzprogramm beschließen können, mit dem endlich das Thema Energieeffizienz klar aufgegriffen wird, und dass wir allein bis 2018 für diesen Bereich zusätzlich rund 1,2 Milliarden Euro erhalten.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum denn nicht jetzt? – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann nehmen Sie doch unsere 3 Milliarden!)

– Für die nächsten Jahre stehen dafür im Haushalt des Finanzministers 7 Milliarden Euro bereit. Darin steht, wie ich glaube, eine sehr allgemeine Bemerkung dazu, für welche Bereiche das Geld genutzt werden soll. Unter anderem steht darin, glaube ich, das Thema Energieeffizienz. Ich habe Ihrer Kollegin Hajduk im Haushaltsausschuss wahrheitsgemäß gesagt, dass ich beim Tagesordnungspunkt Bereinigungssitzung noch nicht in der Lage war, Ihnen dazu abschließend etwas zu sagen. Die Koalition hat sich vor zwei Tagen über dieses Thema verständigt. Gott sei Dank, Frau Hajduk – darüber sollten wir uns freuen –, bietet das 10-Milliarden-Euro-Programm die Möglichkeit, endlich mehr für Energieeffizienz zu tun.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber ein Jahr passiert wieder nichts!)

– Mensch, Herr Krischer, Sie hätten doch vor mir reden können. Dann hätte ich Ihnen auch noch geantwortet. Dazu hatten Sie keinen Mumm. Nun machen Sie nicht ständig Zwischenrufe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Frau Hajduk, ich finde, Sie haben vorhin eine absolut zutreffende Bemerkung gemacht. Sie haben gesagt: Das ist ein klassisches Investitionsprogramm. – Genau so ist es. Mit den Mitteln von Herrn Schäuble für die Energieeffizienz hebeln wir erhebliche private Investitionen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie wachen langsam auf an der Stelle!)

– Was heißt, wir wachen langsam auf? Das ist nun wirklich keine ganz neue Erfindung: Das am besten laufende Programm in der Konjunkturkrise war das CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm. Das hat damals auch die Große Koalition gemacht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Frau Hajduk, die Wahrheit ist doch, dass die Unionsfraktion und die FDP bereits in der letzten Legislaturperiode versucht haben,

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt kommt’s!)

dieses CO 2 -Gebäudesanierungsprogramm hinzubekommen,

(Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU])

und dass die Länder aufgrund der zu erwartenden Steuerausfälle erklärt haben, dass sie nicht mitmachen würden. Das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein!)

– Ich finde, es ist gar nicht so schlimm, im Parlament die Wahrheit zu sagen, Frau Hajduk. Das kann man gefahrlos machen.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben nur unterschiedliche Meinungen im Parlament! Das gehört auch dazu!)

– Nein. Der Punkt ist doch, dass auch die rot-grün regierten Länder das damals abgelehnt haben. Auch die Grünen haben es abgelehnt.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt doch nicht!)

Wir machen es jetzt dadurch möglich, dass wir einen Vorschlag haben, wie wir in diesem Fall die steuerliche Absetzbarkeit von Gebäudesanierungsprogrammen für die Länder und Kommunen kostenneutral gestalten können. Darauf bezieht sich unser Vorschlag. Deswegen hoffen wir, dass wir mit Unterstützung der Grünen und der Sozialdemokraten im Bundesrat eine Mehrheit für dieses Programm bekommen. Die Möglichkeit, das zu tun, hat uns Herr Schäuble gegeben. Sie haben gesagt, es sei schlimm, dass der für Investitionen zuständige Wirtschaftsminister es dem Finanzminister überlässt, das Geld dafür aufzutreiben. Das ist aber, ehrlich gesagt, sein Job, und ich bin ihm dafür dankbar, dass er ihn gut erledigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Deswegen werden wir beim Energieeffizienzprogramm endlich etwas machen.

Das größte Investitionsprogramm ist übrigens, dass diese Bundesregierung die Absicht hat – und wir wollen das jetzt noch etwas verstärken –, bis zum Ende der Wahlperiode die Städte und Gemeinden um insgesamt 10 Milliarden Euro zu entlasten. 4,5 Milliarden Euro haben wir in diesem Jahr erreicht, übrigens durch die Verabredung der letzten Bundesregierung im Vermittlungsausschuss. Nachts um vier, als alle müde waren – Grüne und FDP waren schon nach Hause gegangen –, haben Herr Kauder und ich gesagt: Jetzt machen wir es. – So ist das im Vermittlungsausschuss: Wer zu früh müde wird, verliert.

(Zuruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU])

– Das hat ja keiner gehört, Herr Kauder. – Dadurch haben wir eine Entlastung um 4,5 Milliarden Euro erreicht.

Jetzt wollen wir bis zum Ende der Wahlperiode mit dem Teilhabegesetz noch einmal das Gleiche schaffen. Das ist das größte Investitionsprogramm, das man durchführen kann. Denn mehr als 50 Prozent der öffentlichen Investitionen werden durch die Städte und Gemeinden aufgebracht, und sie können das häufig nicht mehr, weil ihre Finanzkraft nicht ausreicht. Diese Regierung verbessert die Finanzkraft der Kommunen. Das ist ein Investitionsprogramm.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich hoffe übrigens sehr, dass sich Bund und Länder in der Debatte über die Flüchtlingshilfe darauf einigen, die Kommunen weiter zu unterstützen; denn ich habe Angst davor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen sonst mit anderen öffentlichen Aufgaben, zum Beispiel Sanierungsvorhaben für Schulen, Kindergärten, Freibäder und anderes, in Konflikt gerät. Den politischen Sprengstoff dürfen wir nicht zulassen. Es darf nicht sein, dass wir die Kommunen mit den Flüchtlingsfragen alleine lassen und es am Ende zu solchen Konstellationen kommt.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dazu haben wir auch einen Antrag!)

Denn wir werden in Deutschland mehr Flüchtlinge aufnehmen. Das tun wir bereits, und ich hoffe, dass sich Bund und Länder in dem Punkt einigen, weil wir nicht nach dem Motto „Den Letzten beißen die Hunde“ handeln dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

Weil wir über viele Themen gesprochen und auch viel über TTIP diskutiert haben, bin ich noch nicht zum Haushalt des Wirtschaftsministeriums gekommen. Ich will nur noch einmal bestätigen, was Herr Fuchs und andere bereits gesagt haben. Wir hatten im letzten Jahr 0,1 Prozent Wachstum. Im Jahr davor waren es 0,4 Prozent. Jetzt haben wir 1,2 Prozent Wachstum. Da kann man wirklich nicht behaupten, wir seien auf dem Weg in die Krise.

Wir haben 325 000 neue Arbeitsplätze in diesem Jahr, übrigens fast alle sozialversicherungspflichtig. Wir haben den Höchststand bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung erreicht. Wir haben zum ersten Mal seit langer Zeit – wir beide streiten immer darüber, Herr Schlecht – steigende Reallöhne. Das hat etwas mit den Tarifabschlüssen zu tun, aber auch mit dem Mindestlohn.

(Zuruf von der CDU/CSU: Na ja! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Ich glaube, nicht!)

Ich finde übrigens, dass die Bundeskanzlerin gestern einen ganz wichtigen Satz gesagt hat.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nur einen?)

– Nein, mehrere Sätze. – Sie hat zum Beispiel gesagt, Frau Kollegin Lötzsch: Nichts rechtfertigt die Aggression gegenüber der Ukraine und das Annektieren der Krim. – Aber niemand von Ihnen hat geklatscht. Ich habe das genau gesehen. Man muss ja nicht immer klatschen, wenn die Regierungschefin einer anderen Fraktion redet, aber bei der Aussage wäre es gut gewesen, wenn Sie mitgeklatscht hätten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Sie hat gestern auch gesagt: Man darf nicht Wirtschafts- und Sozialpolitik gegeneinander ausspielen. – Das finde ich richtig. Der Mindestlohn ist doch kein Wahlgeschenk, wie es manche darstellen. Wir wollen, dass Leute, die den ganzen Tag arbeiten gehen, nicht am Ende des Monats zum Sozialamt gehen müssen. Einer, der arbeiten geht, muss mehr haben als einer, der nicht arbeiten geht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist der Sinn des Mindestlohns. Das ist kein Wahlgeschenk. Das ist eine hart erarbeitete Leistung.

Auch in der Debatte über die Rente geht es nicht um ein Wahlgeschenk. Es gibt keine Rente mit 63. Es gibt eine Rente nach 45 Versicherungsjahren. Dann darf man mit 63 ohne Abschläge gehen. Bei manchen von denen, die das kritisieren, würde ich mir wünschen, sie müssten selbst nach dieser langen Zeit der Erwerbstätigkeit mit der Rente klarkommen, die die Menschen, die so lange gearbeitet haben, heute im Schnitt bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein bisschen mehr Demut gegenüber denen, die in diesem Land arbeiten und dafür manchmal nicht allzu viel Geld bekommen, würde ich mir in der Diskussion wünschen; denn dieses Land lebt von dem Versprechen: Wer sich anstrengt, der hat etwas davon. – Das ist der Grund, warum Deutschland seit 1945 diesen Aufschwung genommen hat. Das ist der Grund: Leistung soll sich nicht nur für einige wenige, sondern für alle lohnen. „ Wohlstand für alle“ war Erhards Credo, und das ist der Grund, warum wir die beiden Dinge nicht auseinanderrücken können.

Übrigens: Auch die Frauenquote ist doch keine Belastung für die Wirtschaft.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht Herr Kauder aber anders! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU]: Quatsch!)

Jedes Jahr gibt es unter den jungen Frauen mehr und bessere Schulabschlüsse, und jedes Jahr gibt es unter den jungen Frauen mehr und bessere Studienabschlüsse. Trotzdem tauchen diese Frauen in den Spitzenstellungen der Wirtschaft nicht auf. Das ist nicht nur ungerecht; selbst der größte Chauvi

(Heiterkeit des Abg. Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

muss doch erkennen, dass es ökonomischer Wahnsinn ist, auf die gut ausgebildeten Frauen in den Spitzenstellungen von Staat und Gesellschaft in diesem Land zu verzichten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Sinn der Frauenquote ist doch nicht, ein paar Frauen in Spitzenpositionen zu bekommen, sondern der Sinn der Frauenquote ist, dass in den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft die Alltags- und Lebensrealität, die Berufswege von Frauen endlich in den Blick genommen werden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

weil Männer diese anders beurteilen als Frauen und weil Frauen möglicherweise – das ist die Hoffnung bei der Frauenquote – dann in ihren Unternehmen dafür sorgen, dass der Berufs- und Karriereweg von Frauen – im Zweifel mit Kindern und Familie – eine bessere Begleitung erfährt, als das unter dem Blickwinkel der Männer der Fall ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist der Sinn der Frauenquote. Sie wird der Wirtschaft helfen, sie wird dem Land helfen. Wir können doch nicht über Fachkräftemangel reden, aber nichts dagegen tun, dass junge, gut ausgebildete Frauen ihren Berufs- und Karriereweg nicht machen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen ist die Frauenquote keine Belastung, sondern ein Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung.

Ich glaube deshalb, dass wir mit all dem, was wir tun, dem folgen sollten, was die Kanzlerin gestern in ihrer Rede gesagt hat: Wir dürfen Wirtschaft und soziale Fragen in Deutschland nicht gegeneinanderstellen, sondern müssen sie miteinander verbinden.

Trotzdem steht Deutschland vor großen Herausforderungen: in der Energiepolitik, bei den Fachkräften, in der Investitionspolitik. Übrigens: Auch wenn wir 3 Prozent Wirtschaftswachstum hätten, müssten wir etwas dagegen tun, dass die energieintensive Industrie das Land verlässt – durch Desinvestitionen –, weil wir zu hohe Energiekosten für diesen Bereich haben. Es darf uns aber nicht egal sein, ob die Grundstoffindustrie in unserem Land weiter existieren kann; denn sie ist verantwortlich für zentrale Wertschöpfungsketten in diesem Land. Wenn jetzt selbst angeblich aufgeklärte Magazine in Deutschland von einer schützenden Hand reden, die wir über Stahlkocher halten würden, will ich sagen: Das sind Arbeitsplätze, die da sind, damit wir dort das Geld verdienen, das wir brauchen, um es auch in Ökologie und Soziales investieren zu können. Darum geht es in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herr Minister – –

Ich komme zum Schluss. – Ich bedanke mich für Ihre Geduld. Ich wollte wenigstens am Ende noch den Eindruck vermitteln, dass es nicht so ist, dass ich glaube, alles sei gut, sondern ich meine, dass wir eine Menge Herausforderungen vor uns haben und es keineswegs so ist, dass wir die alle schon bewältigt hätten. Aber es macht halt auch keinen Sinn, das Land irgendwie in die Krise hineinzureden, und es macht keinen Sinn, zu glauben, wenn man auf den deutschen Bauchnabel schaut, könnte man sich irgendwie noch vernünftig bewegen in einer sich völlig verändernden Welt.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Anhaltender Beifall bei der SPD – Beifall bei der CDU/CSU)

Bevor der Kollege Schlecht, der sich an der dazu vorgesehenen Stelle bereits aufgebaut hat, das Wort erhält, will ich noch eine geschäftsleitende Bemerkung machen: Ich habe natürlich gesehen, dass es zwischendurch noch weitere Wünsche zu Zwischenfragen gab. Wir haben aber – wie ich finde, vernünftigerweise – die Gelegenheit genutzt, Fragen, die uns besonders beschäftigen, unabhängig von der Vorbereitung des Ministers in den Mittelpunkt dieser unmittelbaren parlamentarischen Aussprache zu stellen – mit dem Effekt, dass die Redezeit des Ministers mehr als verdoppelt worden ist.

(Dr. Daniela De Ridder [SPD]: Sehr gut!)

– Ich fand das ja auch sehr vernünftig; wir haben nur vorher einen Beschluss zur Dauer der Debatte gefasst, der mit dieser unserer eigenen Handhabung natürlich in einen immer stärkeren Konflikt geraten ist. Deswegen bitte ich um Verständnis dafür, dass ich mit Rücksicht auf andere Tagesordnungspunkte, die heute über den Tag erledigt werden müssen, irgendwann darauf verzichtet habe, den Minister um die Genehmigung weiterer Zwischenfragen zu bitten. Ich fürchte, er hätte dem stattgegeben,

(Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause)

was mit Blick auf unsere weitere Tagesordnung dann schwierig geworden wäre. Das wollte ich nur zur Unterrichtung sagen. Ich glaube, anders, als einen Mittelweg zu suchen, können wir vernünftigerweise nicht verfahren.

Herr Kollege Schlecht, jetzt haben Sie das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4183602
Wahlperiode 18
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09
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Keine
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