27.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 70 / Tagesordnungspunkt I.12

Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Gabriel, ich fand es gut, dass wir hier einmal eine Debatte über TTIP, über CETA, über Freihandelsabkommen geführt haben und herausgearbeitet haben, dass Sie – ich habe das in der Klarheit noch nicht gehört; ich glaube, das war auch öffentlich nicht klar – CETA, dem Freihandelsabkommen mit Kanada, mit Investitionsschutz zustimmen werden. Das hat sich gelohnt; denn Sie haben das klipp und klar gesagt. Es ist gut, dass das hier von Ihnen klargestellt worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE])

Es ist kein Geheimnis, dass wir da eine andere Auffassung haben.

(Zuruf des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

Ich bin einmal gespannt darauf, was die Sozialdemokratie, die dazu ja etwas Konträres beschlossen hat, in Zukunft dazu sagen wird. Da stehen uns sicherlich noch interessante Debatten bevor.

(Wolfgang Tiefensee [SPD]: Sie müssen die Dokumente des Konvents gründlich lesen!)

Wenn Sie das nicht innerhalb Ihrer Partei hinbekommen, dann ist es ja gut, wenn wir es hier im Plenum schaffen, die Position klarzumachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Thomas Jurk [SPD]: Sie müssen sich auch positionieren! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Nur Nein zu sagen, Herr Krischer, bringt uns nicht weiter!)

Herr Gabriel, Sie haben hier 40 Minuten geredet; der Präsident hat das bestätigt. Das ist völlig in Ordnung. Ich würde mir wünschen, Sie kämen einmal zur Fragestunde und beantworteten dort die Fragen, anstatt Ihre Staatssekretäre vorzuschicken, die vom Blatt ablesen und die Fragen anderweitig beantworten. Da sollten Sie sich einmal stellen; den Mut sollten Sie haben. Das wäre Parlamentarismus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Aber Mut können Sie ihm nicht absprechen!)

Sie haben zwar 40 Minuten über TTIP und viele andere Dinge gesprochen – Sie haben auch etwas zur Energiepolitik gesagt –, aber Sie haben nicht ein einziges Mal – Zeit dafür wäre durchaus gewesen – das Wort „Klimaschutz“ erwähnt; das kommt bei Ihnen gar nicht vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das haben Sie überhaupt nicht im Kopf. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie werden das Klimaschutzziel 2020 krachend verfehlen.

(Dr. Michael Fuchs [CDU/CSU]: Reden Sie doch nicht so einen krachenden Quatsch!)

Das ist die Bilanz von mehreren Regierungen Merkel, an denen Sie zweimal – als Umweltminister und als Wirtschaftsminister – beteiligt waren. Das ist Ihre Bilanz, wenn dieses Klimaschutzziel verfehlt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Der Öffentlichkeit ist eines klar – es ist gut, dass das deutlich geworden ist –: Wir kommen nicht drumherum, etwas beim Kohlekraftwerkspark zu tun. Wir müssen endlich die ältesten Kohlekraftwerke aus Adenauers Zeiten vom Netz nehmen, wenn wir das Klimaschutzziel erreichen wollen. Da habe ich in den letzten Wochen etwas erlebt, was ich bei Sigmar Gabriel gar nicht kannte: Viermal hat er in drei Wochen seine Position verändert.

Heute war vielleicht nicht die Gelegenheit, es zu erklären; aber draußen ist Ihre Position nicht deutlich geworden, und auch ich habe es nicht verstanden, wie jetzt 22 Millionen Tonnen CO 2 -Emissionen eingespart werden sollen – wobei das eigene Ministerium sagt, es müsste mindestens doppelt so viel sein, und wissenschaftliche Gutachten besagen, es müsste dreimal so viel sein. Dazu kommt nichts. Wird es da ein Gesetz geben? Wird es eine freiwillige Selbstverpflichtung geben? – All das wissen wir nicht. Dabei ist es erforderlich, dass wir beim fossilen Kraftwerkspark endlich etwas machen. Dazu würde ich mir – wo auch immer – eine Klarstellung wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es mag ja sein – wahrscheinlich ist es auch so –, dass Ihnen der Klimaschutz egal ist, dass das nicht Ihr Thema ist, dass Sie sagen: Komm, ich bin Sozi, ich bin für qualmende Schlote; das ist mein Ziel, das ist das, wovon ich erzähle. – Aber das ist nicht zukunftsfähig. Welches Signal sendet ein Wirtschaftsminister, eine Bundesregierung aus dem Energiewendeland Deutschland, wenn hier hochmoderne Gaskraftwerke abgeschaltet werden und Investoren ernsthaft überlegen, sie zu demontieren und im Ausland wieder aufzubauen? – Nachdem Sie schon die erneuerbaren Energien abgebaut und abgerissen haben, machen Sie das jetzt auch noch mit der Effizienztechnologie. Das kann doch nicht sein. Da werden wir alles dagegensetzen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Noch etwas. Wir reden ja heute über den Haushalt. Da habe ich gehört: Herr Schäuble legt 2016 ein 10-Milliarden-Euro-Programm auf. Ich frage mich die ganze Zeit: Warum kommt das nicht mit diesem Haushalt? Warum, bitte schön, kommt dieses Investitionsprogramm nicht sofort, wenn Sie es für erforderlich erachten? – Es kann doch nicht sein, dass Sie etwas für die Zukunft ankündigen, dass Sie ungedeckte Schecks liefern, an die sich nächstes Jahr keiner mehr erinnert, und das Geld am Ende bei der CSU in Bayern landet und in Umgehungsstraßen investiert wird anstatt in Energieeffizienz, Gebäudesanierung und Effizienztechnologien für die deutsche Wirtschaft. Da sollten Sie jetzt die Fakten schaffen und nicht ungedeckte Schecks für die Zukunft ausstellen, meine Damen und Herren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es hier heute mehrfach von den Kollegen, die dazu geredet haben, gehört: Da gibt es jetzt einen Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz und ein Aktionsprogramm Klimaschutz 2020. All das sind nur Worthülsen; das ist nur beschriebenes Papier. Am Ende ist die Wahrheit im Haushalt. Da muss man eines feststellen: Sie sind auf dem gleichen Niveau wie Ihr Amtsvorgänger. Sie haben die gleichen Mittel, die gleichen Programme im Haushalt wie Philipp Rösler – nichts mehr. Da ist die Große Koalition nach einem Jahr angekommen. Das ist nicht zukunftsgerecht. Das ist ein Rückschritt in die Vergangenheit. Das hilft uns beim Klimaschutz nicht weiter.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Einmal durchschnaufen!)

Das bringt die deutsche Wirtschaft nicht voran. Das ist an der Stelle nicht in Ordnung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Harald Petzold [Havelland] [DIE LINKE])

Denken Sie an die Redezeit.

Letzter Satz, Frau Präsidentin.

Nein, stopp, Herr Krischer! – Erlauben Sie eine Zwischenfrage vom Kollegen Jurk?

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Nein, wenn die Redezeit abgelaufen ist, geht das nicht mehr! – Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: Die Redezeit ist abgelaufen! – Max Straubinger[CDU/CSU]: Sie ist schon längst abgelaufen, die Redezeit!)

– 20 Sekunden.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: 25! Feierabend!)

– Wir können jetzt gerne mal die Geschäftsführer nach vorne holen, wenn Sie mögen.

(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU], an BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewandt: Hauptsache, ihr kriegt jetzt eine Minute abgezogen!)

So, Herr Jurk.

Ich hoffe, Herr Krischer freut sich, wenn ich durch meine Frage jetzt auch seine Redezeit verlängere.

Zu meiner Frage. Sie haben eben Herrn Rösler bemüht. Ich kann mich erinnern: Als Schwarz-Gelb an der Regierung war, bestand große Unsicherheit darüber, was aus all den Energieprogrammen wird, die aus dem EKF gespeist werden; denn durch die sinkenden Einnahmen aus dem Zertifikatehandel und der fehlenden Brennelementesteuer ist ja ein Teil der Basis weggebrochen. Wären Sie bereit, mir zuzustimmen, dass wir mit dem in diesem Haushalt vorgesehenen Bundeszuschuss dafür sorgen werden, dass eine solide Basis für die Finanzierung der energetischen Programme gelegt wird? Das kann man mit dem, was Herr Rösler gemacht hat, nun wirklich nicht vergleichen.

Herr Jurk, ich danke Ihnen für diese Frage, mit der Sie lediglich bestätigen, dass Sie die Mittel aus dem Bundeshaushalt nehmen. Der blödsinnige EKF hat seine Funktion doch völlig verloren. Das haben wir als Grüne schon damals kritisiert.

(Thomas Jurk [SPD]: Wir auch!)

Trotz des Eindrucks, den Sie durch das, was Sie erzählen, erwecken: Sie setzen in der Summe keinen einzigen Euro mehr ein.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist falsch!)

Im Gegenteil: Die Mittel für die Programme werden reduziert, und das Marktanreizprogramm wird verkleinert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik, mit der Sie auf dem Niveau von Philipp Rösler angekommen sind.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Das ist Trickserei!)

Ihre Versprechen sind lediglich ungedeckte Schecks für die Zukunft.

Sie haben die Planungs- und Investitionssicherheit angesprochen. Es ist doch ein Irrsinn, dass Sie Programme ankündigen, aber niemand weiß, ob sie 2016 auch realisiert werden. Ich sage Ihnen, was das für einen Effekt hat: Wenn ich überlege, mein Gebäude zu sanieren, dann mache ich 2015 nichts, sondern ich warte auf das Programm, das Sie für 2016 angekündigt haben. Das heißt: Im Ergebnis wird es 2015 sogar noch einen Absturz bei den Investitionen geben. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir brauchen. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Mit Ihren folgenlosen Ankündigungen und nicht substanziellen, ungedeckten Schecks ziehen Sie am Ende alles runter. Sie machen die Investitionen kaputt. Das müssen Sie sich – tut mir leid – ins Stammbuch schreiben lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, erlauben Sie eine Rückfrage des Kollegen Jurk?

Ja, aber selbstverständlich.

Gut.

Kollege Krischer, Sie sitzen nicht im Haushaltsausschuss. Würden Sie mir recht geben, dass wir beispielsweise die Mittel für die Forschung für erneuerbare Energien und Energieeffizienz erhöht haben? Würden Sie zugeben, dass wir im Vorausblick auf den Nationalen Aktionsplan bereits eine Vielzahl neuer Energieeffizienzmaßnahmen angekündigt

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Angekündigt!“)

haben, die wir selbstverständlich auch einpreisen werden?

(Zurufe von Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Gehen Sie davon aus, dass sich die Bundesregierung an das hält, was das Kabinett beschließt.

(Lachen bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

– Sie lachen immer darüber.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie alle drei, vier Wochen etwas anderes sagen, dann wird das schwierig!)

Ich möchte Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir bei der Übertragung von Programmen des Bundesumweltministeriums, insbesondere beim UAP, dafür gesorgt haben, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die jetzt im Bundeswirtschaftsministerium tätig sind, aus der sachgrundlosen Befristung herausgenommen und in feste Beschäftigungsverhältnisse übernommen wurden. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf den Haushalt. Würden Sie wenigstens das zur Kenntnis nehmen?

Das ist ja alles schön und gut, Herr Kollege Jurk, was Sie hier aufzählen. Aber Sie haben selber gesagt, Sie haben „angekündigt“.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Sagen Sie mal die Wahrheit!)

Ich habe nichts davon gehört, dass klar ist, wie viel in die Gebäudesanierung investiert wird. Aus der Union werden ganz andere Vorstellungen laut: Sie will das Geld in neue Straßen investieren. Da bin ich sehr gespannt.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wortverdreher!)

Ich bin auch sehr gespannt, ob das Geld am Ende überhaupt fließen wird, ob es auch frisches Geld geben wird. Das alles werden wir sehen. Das führt am Ende nur zu Attentismus.

Was die Ankündigungen angeht: Der Wirtschaftsminister hat in den letzten Wochen einen richtig schönen Eiertanz vorgeführt. Erst hat er gesagt: Wir müssen im Bereich Kohlekraftwerke etwas tun. Plötzlich war das alles nicht mehr wahr, und es wurde dementiert. Dann wurde gesagt: Wir machen ein Programm. Dann wurde verhandelt. Jetzt hat er auf einmal alle, die überhaupt gefragt haben, ob man im Bereich Kohlekraftwerke etwas machen muss, für dumm erklärt.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Das zeigt nur: Diese Koalition ist in einer fossilen Endlosschleife.

(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Mein Gott! Du bist auch eine Endlosschleife hier!)

Sie gehen die Herausforderungen nicht an. Sie investieren nicht in die Zukunft. Das ist nicht zukunftsfähig. Das bringt uns nicht nach vorne. Das ist nicht das, was unser Land, was Europa braucht.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Krischer. – Nächster Redner in der Debatte, Dr. Peter Ramsauer für die CSU/ CDU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4183814
Wahlperiode 18
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Epl 09
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