Ralf KapschackSPD - Bundesministerium für Arbeit und Soziales Epl 11
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! In Deutschland haben so viele Menschen einen Job wie nie zuvor. Das stimmt. Es stimmt natürlich auch, dass die pure Zahl noch nicht so ganz viel über die Qualität dieser Arbeitsplätze aussagt.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Richtig!)
– Ja, zugegeben. – Aber man muss trotzdem zur Kenntnis nehmen, dass nicht nur Teilzeit- und befristete Arbeitsverhältnisse geschaffen worden sind, sondern auch jede Menge sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs. Das muss man einfach zur Kenntnis nehmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir werden mit dem gesetzlichen Mindestlohn dafür sorgen, dass deutlich mehr Menschen von ihrer Arbeit auch leben können.
(Beifall bei der SPD)
Wir werden durch neue Regeln die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt verbessern.
Ich bin gestern Abend mit der U-Bahn zu meiner Wohnung gefahren.
(Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Lassen Sie mich den Gedanken eben zu Ende führen. – Im U-Bahnhof war ein Werbebanner, auf dem mich ein junger Mann anschaute. Auf seiner Brust war eine Aufschrift mit dem Text: „Habt ihr uns vergessen?“ Es ging um neue Perspektiven für Langzeitarbeitslose.
(Zuruf von der LINKEN: Von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft!)
– Ja. Ich habe mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft relativ wenig am Hut, aber die Frage, die da gestellt wird, muss man doch beantworten können. – Die Frage kann ich gut beantworten: Nein, wir haben niemanden vergessen, erst recht nicht die Langzeitarbeitslosen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich finde, dieser Haushalt – auch wenn Sie anderer Meinung sind – ist ein Beleg dafür; denn mit den Programmen, die die Ministerin ausführlich erläutert hat, wird klar: Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist für diese Regierung und insbesondere für die Sozialdemokraten ein ganz besonderes Thema, ein zentrales Anliegen.
(Beifall bei der SPD)
Die beiden Programme „Chancen eröffnen – soziale Teilhabe sichern. Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit“ und „Perspektiven in Betrieben“ sind Schritte in die richtige Richtung. Intensive Betreuung ist das A und O bei der Vermittlung von Langzeitarbeitslosen.
(Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Ich habe Sie nicht vergessen.
Herr Kollege Kapschack, gestatten Sie denn die Zwischenfrage?
Ja, gut.
Bitte schön.
Herr Kapschack, es tut mir leid, aber die Präsidentin hat immer nur nach rechts geschaut, nicht nach links.
Ich habe hier eine Statistik, die zu dem Thema passt, nachdem wir schon den ganzen Tag darüber geredet haben, wie toll es ist, dass so viele Beschäftigungsverhältnisse geschaffen wurden. Nach dieser Statistik wurden in den letzten zehn Jahren 1 Million neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen, aber leider ist es nicht so, dass man sagen könnte, dass alle etwas davon gehabt haben. Wie gesagt: 1 Million mehr insgesamt. Aber die Zahl der normal Beschäftigten ist in dem gleichen Zeitraum um 2,4 Millionen gesunken. Das heißt, es wurden zwar 1 Million Beschäftigungsverhältnisse mehr geschaffen, aber die Normalarbeitsverhältnisse verzeichnen ein Minus von 2,4 Millionen. Bei den atypisch Beschäftigten gibt es ein Plus von 3,3 Millionen, bei den befristet Beschäftigten ein Plus von 600 000, bei den Teilzeitbeschäftigten ein Plus von 2,4 Millionen, bei den geringfügig Beschäftigten ein Plus von 1,8 Millionen, bei den Leiharbeitnehmern gibt es ein Plus von 700 000. Ist Ihnen das bekannt, und was sagen Sie dazu?
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Krellmann. – Bitte schön, Herr Kapschack.
Natürlich ist mir das bekannt. Das ändert aber nichts an meiner Einschätzung, dass die Zahl sozialversicherungspflichtiger Vollzeitarbeitsplätze zugenommen hat. Nichts anderes habe ich gesagt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich möchte auf das Thema Langzeitarbeitslosigkeit zurückkommen. Eine intensive Betreuung – ich habe es angesprochen – ist das A und O, wenn man Langzeitarbeitslose wieder in Beschäftigung bringen will. Gerade in dieser Woche ist das sehr anschaulich und sehr positiv in der Wirtschaftswoche beschrieben worden; dabei ist die Wirtschaftswoche alles andere als ein Zentralorgan der deutschen Sozialdemokratie.
Die Opposition sagt, das sei nicht genug. Da sind wir gar nicht so weit auseinander. Ich komme aus dem Ruhrgebiet – das wissen manche –, und da fallen – das wissen manche immer noch nicht – keine Briketts vom Himmel. Das Ruhrgebiet ist auch nicht das Armenhaus der Nation. Das wird deutlich, wenn man sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf anschaut. Richtig ist aber, dass es erhebliche Probleme am Arbeitsmarkt gibt. Diese Probleme haben mit dem Strukturwandel zu tun. Wenn man sich die Arbeitslosenquote unter dem Blickwinkel des SGB II anschaut, dann stellt man fest, dass von den 15 Städten mit der höchsten Arbeitslosenquote ungefähr fünf bis sechs Städte, also etwa ein Drittel, im Ruhrgebiet liegen. Diese Probleme gibt es aber nicht nur im Ruhrgebiet, sondern auch in anderen Teilen der Republik. Diese Probleme gibt es in Bremerhaven genauso wie in Pirmasens und in Frankfurt an der Oder.
Ich werbe hier – das Thema ist schon ein paarmal angesprochen worden – für einen neuen Weg, der zusätzliche Möglichkeiten eröffnen wird. Lassen Sie uns da, wo wir Verantwortung tragen, parteiübergreifend dafür sorgen, dass stärker Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanziert wird.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Auf Fachebene wird das als Passiv-Aktiv-Tausch diskutiert. Gelder, die bislang für passive Leistungen, also für Hartz IV oder Kosten der Unterkunft, ausgegeben werden, sollen für die Schaffung von Beschäftigung in den Bereichen verwendet werden, in denen das sinnvoll und notwendig ist. Dafür werbe ich vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU, weil ja bekannt ist, dass der Bundesfinanzminister diesen Ansatz noch nicht so richtig überzeugend findet. Deshalb, und nur deshalb können wir diese Idee zurzeit bundesweit noch nicht umsetzen.
Das ist eine Idee von Kommunen, Sozialverbänden und anderen, die in den vergangenen Jahren immer wieder auf den Tisch gelegt worden ist, zuletzt von meinen ostdeutschen Kolleginnen und Kollegen. Es geht um einen völlig anderen Ansatz als bisher. Es geht darum, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren – darum geht es –, und darum, die begrenzten Mittel besser einzusetzen: im Interesse der Menschen, im Interesse der Sozialkassen und auch im Interesse der Kommunen.
Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass wir zumindest ein paar Modellprojekte in den besonders betroffenen Regionen auf den Weg bringen. Ich bin sicher, es lohnt sich.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Für die CDU/CSU-Fraktion erhält jetzt Stephan Stracke das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4184588 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium für Arbeit und Soziales Epl 11 |