Manuela Schwesig - Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Epl 17
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Haushalt 2015 ist Basis, ist ein wichtiger Baustein einer modernen Gesellschaftspolitik, einer modernen Gesellschaftspolitik, wie ich sie vor einem Jahr bei meinem Amtsantritt angekündigt habe. Einer modernen Gesellschaftspolitik, die auf Solidarität basiert, auf dem Zusammenhalt der Generationen. Einer modernen Gesellschaftspolitik, die auf Freiheit basiert, auf der Freiheit für Frauen und Männer, in unserem Land ihren Lebensentwurf zu leben und dabei unterstützt zu werden. Einer modernen Gesellschaftspolitik, die natürlich auch auf Gerechtigkeit basiert, vor allem darauf, dass Frauen und Männer in unserem Land gleichberechtigt sind.
Wie sieht es aus mit dieser Gerechtigkeit? Wir haben in unserem Grundgesetz verankert – dieses Grundgesetz haben wir in diesem Jahr gebührend gefeiert –, dass Männer und Frauen gleichberechtigt leben; aber 75 Prozent der Frauen sagen: Das ist für uns nicht Realität. Warum sagen 75 Prozent der Frauen: „Die Lebenswirklichkeit sieht für uns anders aus, als sie im Grundgesetz verbrieft ist“? Das liegt daran, dass die Frauen spüren, dass sie in der Arbeitswelt benachteiligt sind. Sie erleben, dass sie schlechtere Löhne bekommen als die Männer, sie erleben, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie immer noch schwierig ist und es oft an ihnen hängt, und sie erleben, dass sie schlechte Aufstiegschancen haben, obwohl gerade die junge Generation der Frauen besser ausgebildet ist denn je.
Dass wir mit moderner Gesellschaftspolitik dafür sorgen, dass diese Solidarität, diese Freiheit und diese Gerechtigkeit in unserem Land gelebt werden, ist eine wichtige Aufgabe der Großen Koalition. Deshalb freue ich mich darüber – das wissen Sie sicherlich –, dass wir uns in dieser Woche im Koalitionsausschuss entschieden haben, dass der Gesetzentwurf, den ich gemeinsam mit Heiko Maas zur gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen vorgelegt habe, kommt. Das ist mit Blick auf diese moderne Gesellschaftspolitik ein wichtiger Gesetzentwurf. Ich bin froh, dass die verbindliche Frauenquote kommt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich bin sehr froh, dass sich diejenigen, die für SPD und Union an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen haben, schon damals Gedanken darüber gemacht haben, wie das gehen kann: Wir brauchen klare Vorgaben, damit es gelingt, dass mehr Frauen in Führungspositionen kommen, verbunden mit Spielräumen, die die Unternehmen haben müssen. Deshalb ist es gut, dass der Gesetzentwurf für die größten Unternehmen mit den größten Gremien, mit den größten Aufsichtsräten in unserem Land eine klare, feste Vorgabe von mindestens 30 Prozent vorsieht – ohne Ausnahmen; das war mir immer wichtig.
Liebe Abgeordnete der Grünen, Sie reden immer von einem „Quötchen“. Wenn Sie das als „Quötchen“ ansehen, dann sind Ihre Vorschläge nichts; denn Ihre Vorschläge sehen Ausnahmen vor. Die sieht unser Gesetzentwurf nicht vor. Insofern, finde ich, ist das ein sehr guter Gesetzentwurf. Aber ich will mich mit Ihnen nicht darüber streiten, weil ich weiß, dass Sie dieses Vorhaben im Grunde Ihres Herzens unterstützen. Ich freue mich, dass es dafür eine so breite Unterstützung in diesem Haus gibt.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir geben einer Vielzahl von Unternehmen, über 3 000 Unternehmen, die Möglichkeit, sich auf den Weg zu machen und sich selbst Zielvorgaben zu setzen, allerdings nach klaren Regeln, nämlich nach den Regeln, sich verbindlich festzulegen, dies umzusetzen und darüber zu berichten.
Ich freue mich sehr, dass wir uns einig sind, dass der öffentliche Bereich der Wirtschaft nicht hinterherhinken darf. Das sind gute Vorschläge, die wir zukünftig gemeinsam beraten können. Ich bin sicher, dass wir damit einen Kulturwandel in der Arbeitswelt einleiten. Einen Kulturwandel, den wir dringend brauchen, einen Kulturwandel dahin gehend, dass Frauen mehr Möglichkeiten bekommen, ihre Potenziale zu entfalten, dass Frauen schlicht und einfach gerecht behandelt werden und dass sie in der Arbeitswelt die gleichen Chancen wie Männer haben, wenn sie gut qualifiziert sind. Wir haben diese gut qualifizierten Frauen. Das ist das Signal an die Frauen in unserem Land: Wir machen uns auf den Weg hin zu mehr Gerechtigkeit für die Frauen in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Gut ist auch, dass dieses Gesetz nicht die schwarze Null gefährdet. Im Gegenteil, dieses Gesetz wird dazu führen, dass Wirtschaft und öffentlicher Bereich noch erfolgreicher werden. Damit stärken wir den wirtschaftlichen Erfolg unseres Landes. Diesen Erfolg brauchen wir. Denn es sind ja nicht abstrakte Unternehmen, die dafür Sorge tragen, dass wir hier über die Verteilung von Geld reden, sondern es sind die Frauen und Männer in unserem Land, die tagtäglich arbeiten gehen, ob als kluge, verantwortungsvolle Unternehmerinnen oder Unternehmer, ob als Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer. Diese Menschen sind die Leistungsträger in unserem Land. Sie gehen arbeiten und sorgen mit ihren Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen dafür, dass unser Sozialsystem getragen wird und wir heute einen Haushalt vorliegen haben, mit dem wir wichtige Vorhaben in unserer Gesellschaft voranbringen können.
Es ist wichtig, dass wir diese Frauen und Männer unterstützen, zum Beispiel bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Im Etat des Familienministeriums sind allein für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie 5,5 Milliarden Euro veranschlagt, für das Elterngeld und das neue Elterngeld Plus. Es ist wichtig, dass die neue Generation Vereinbarkeit ihr Lebensmodell leben kann.
Viele Frauen und Männer in unserem Land sagen: Ich will beides. Ich möchte meinen Job machen; ich möchte dafür Zeit haben und darin gut sein. Aber ich möchte auch Zeit für meine Familie haben. – Frauen in unserem Land haben oft das Gefühl, dass es nie für beides reicht. Im Job wird ihnen gesagt: Du musst möglichst rund um die Uhr präsent sein. Wenn du zu viel Zeit mit deiner Familie verbringst, dann reicht die Zeit nicht für den Job. – Von der Familie kommt die Frage: Wann bist du eigentlich wieder zu Hause? – Diesen Druck spüren die Frauen. Diesen Druck spüren aber auch die jungen Väter in unserem Land. Sie sagen nämlich: Ich will nicht erst zum Gute-Nacht-Kuss zu Hause sein, sondern ich will auch Zeit für meine Familie haben. – Deshalb ist es gut, dass die Große Koalition mit dem neuen Elterngeld Plus das Lebensmodell unterstützt, dass Mütter und Väter Zeit für beides, für den Job und für die Familie, haben und sich diese Zeit partnerschaftlich teilen. Das ist moderne Gesellschaftspolitik. Es ist aber auch eine Frage der Gerechtigkeit, dafür zu sorgen, dass Mütter und Väter Chancen im Job, aber auch Zeit für die Familie haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir denken auch an die Familien, deren Kinder vielleicht schon längst aus dem Haus sind, denen sich dafür aber die Frage stellt: Wie geht es mit pflegebedürftigen Angehörigen weiter? Viele Menschen erleben beides. Zum einen haben sie eine Erziehungsverantwortung für die Kinder, zum anderen stellt sich ihnen die Frage: Was ist mit meinem pflegebedürftigen Vater? Wie bekomme ich das unter einen Hut, wenn ich arbeiten muss? Auch dies lastet oft auf den Schultern der Frauen. Deshalb freue ich mich sehr, dass wir die Basis für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen, auch mit pflegebedürftigen Angehörigen.
Das Elterngeld Plus, das ich eben vorgestellt habe, wird diesen Freitag im Bundesrat verabschiedet und auf den Weg gebracht. Den neuen Gesetzentwurf zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf werden wir in der nächsten Woche beraten. Durch die Pflegereform haben wir dafür die finanziellen Voraussetzungen geschaffen. Es wird zukünftig möglich sein, im Akutfall eine kurze Auszeit für Phasen der Pflege in der Familie zu nehmen oder auch in eine längere Pflege- und Familienpflegezeit zu gehen, und zwar mit finanzieller Unterstützung. Das ist ein wichtiges Signal der Großen Koalition: Wir lassen Familien mit pflegebedürftigen Angehörigen nicht im Stich, sondern unterstützen sie. Auch das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Die moderne Gesellschaftspolitik setzt auch auf den Zusammenhalt der Generationen, auf die Solidarität. Ein Erfolgsprojekt für gelebte Solidarität sind die Mehrgenerationenhäuser in unserem Land. Jedes Mehrgenerationenhaus lebt die Idee vom Zusammenhalt der Generationen. Dort sind zum Beispiel Kitas. Dort sind auch Omas und Opas, die vorlesen und Zeit mit Kindern verbringen, die vielleicht nicht ihre eigenen Enkelkinder sind, aber in ihrem Stadtteil leben und deren Eltern froh sind, dass sie unterstützt werden, weil die eigenen Großeltern der Kinder vielleicht 300 Kilometer weit entfernt wohnen. Es gibt hier viele tolle Projekte, zum Beispiel auch für Familien, die eine Entlastung brauchen, weil sie demenziell erkrankte Angehörige haben.
Sie alle kennen die Mehrgenerationenhäuser und haben sich für sie starkgemacht. Deshalb sage ich ein Dankeschön an die Fachpolitiker, aber auch an die Haushaltspolitiker, die sich dafür eingesetzt haben, dass es jetzt Planungssicherheit für diese Mehrgenerationenhäuser gibt. 16 Millionen Euro sind für 2015 verankert, und es gibt den wegweisenden Beschluss des Haushaltsausschusses, diesen Ansatz zu verstetigen. Das ist ein wichtiges Signal an die Generationen, aber vor allem auch an die Ehrenamtlichen in diesen Mehrgenerationenhäusern. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung!
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, moderne Gesellschaftspolitik heißt auch Freiheit, zum Beispiel Freiheit für unsere Jugend, die nicht von der Schule und durch Erwartungen der Gesellschaft erdrückt werden darf, sondern Freiräume erhalten muss, wie wir alle sie als Jugendliche hatten. Gelegentlich sehnen wir uns heute vielleicht nach dieser Zeit zurück. Deshalb bin ich Ihnen sehr dankbar, dass wir die Kinder- und Jugendarbeit besser unterstützen, dass wir die Mittel dafür weiter aufstocken und dass wir vor allem die Jugendmigrationsdienste in diesem Haushalt besserstellen, weil sie dazu beitragen, dass Vielfalt in unserem Land gelebt wird und dass junge Migrantinnen und Migranten in unserem Land gut aufwachsen. Das ist ein wichtiges Signal für die Jugend in unserem Land.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich bin auch dankbar dafür, dass in diesem Etat weiterhin über 100 Millionen Euro für das wichtige Bundesprogramm „Integration und Sprache“ bereitstehen. Die Bekämpfung von Kinderarmut ist wichtig. Dazu gehört, dass die Eltern eine Arbeit haben und gut dafür bezahlt werden. Dazu gehört aber auch, dass die Kinder – auch bereits in den Kitas – unabhängig vom sozialen Status der Eltern Chancen auf Bildung bekommen und gefördert werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit der Sprachförderung in den Kitas den Grundstein dafür legen, dass die Kinder in unserem Land gut aufwachsen. Auch das ist ein Signal des Haushalts 2015, das an die Kinder in unserem Land geht.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, eine moderne Gesellschaft braucht die Freiheit, dass Menschen in unser Land kommen und hier groß werden und leben können, ohne Angst davor zu haben, dass sie diskriminiert werden, angegriffen werden oder sogar Gewalt erleben, weil sie eine andere Hautfarbe haben, aus einer anderen Kultur stammen, einer anderen Religion angehören oder eine andere sexuelle Identität haben. In den letzten Wochen und Monaten haben wir gesehen – Herr Leutert hat darauf hingewiesen –, dass zum Beispiel der Antisemitismus in unserem Land wächst, dass wir Probleme mit dem radikalen Salafismus haben und dass mittlerweile Familien bei der Polizei anrufen und sagen: Ich habe die Sorge, dass mein Kind auswandert und sich dem IS-Terror anschließt. – Das ist ganz konkrete Realität. Deswegen ist es richtig, dass wir neben der Bekämpfung von Rechtsextremismus präventiv gegen diese neuen Formen der Radikalisierung arbeiten. Natürlich müssen gewaltbereite Dschihadisten und Terroristen von den Sicherheitsbehörden und der Justiz verfolgt werden.
Aber es geht um mehr. Es geht auch darum, dass alle Demokratinnen und Demokraten durch Angriffe auf unsere Demokratie und unsere offene Gesellschaft herausgefordert sind, Zeichen zu setzen. Deshalb brauchen wir nicht nur eine sicherheitspolitische Antwort, sondern auch eine präventive gesellschaftspolitische Antwort.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wie kann das gehen? Wir haben das Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das am 1. Januar 2015 startet. Mit diesem Bundesprogramm werden wir unter Beteiligung von Jugendlichen auf kommunaler Ebene und auch auf Landesebene Demokratiezentren und präventive Projekte fördern, die heute schon erfolgreich sind, aber unter zwei Punkten leiden: Sie haben keine Planungssicherheit und oft keine ausreichenden finanziellen Mittel vor Ort. Deshalb ist es gut, dass wir mit dem neuen Bundesprogramm eine längerfristige Finanzierung auf den Weg bringen und eine Verstetigung erreichen. Der Bundestag hat entschieden, dieses Bundesprogramm um 10 Millionen Euro aufzustocken. Das finde ich richtig, weil inzwischen neue radikale Formen hinzukommen, für deren Bekämpfung wir nicht Gelder aus der Arbeit gegen Rechtsextremismus herausziehen können. Nein, das Geld muss on top kommen, sodass wir gegen alle radikalen Formen in unserem Land angehen können.
Herr Leutert, Sie haben recht: Es kann immer mehr sein. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Vor mehreren Jahren hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dieses Programm aufzustocken. Leider ist dann einige Zeit nichts passiert. Umso mehr freue ich mich, dass der Deutsche Bundestag jetzt fraktionsübergreifend sagt: Wir wollen unseren Beschluss umsetzen und stocken dieses Bundesprogramm auf. – Ich als Ministerin stehe bereit, die Maßnahmen dieses Programms mit meinen Leuten und mit Vertretern der Zivilgesellschaft umzusetzen. Mehr geht immer; gar keine Frage. Aber diese 10 Millionen Euro sind ein wichtiges Signal für die Menschen, die vor Ort Gesicht zeigen. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich; denn ohne Freiheit ist moderne Gesellschaftspolitik nichts.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Ministerin. – Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen ist Dr. Franziska Brantner.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4184769 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 70 |
Tagesordnungspunkt | Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Epl 17 |