27.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 70 / Tagesordnungspunkt I.16

Sven-Christian KindlerDIE GRÜNEN - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Epl 10

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben große Herausforderungen; wir haben große Probleme in der Landwirtschaft. Um nur einige zu nennen: Wir haben das Höfesterben. Wir haben immer neue Lebensmittelskandale. Wir haben Monokulturen. Wir haben die Klimaverschmutzung. Wir haben Quälerei in der Massentierhaltung. Wir haben Gensoja im Futter.

Mit diesem Haushalt werden diese Probleme fortgeschrieben, muss man leider sagen. Es gibt keine Wende, keine Antwort und keine Reaktion darauf. Dieser Haushalt ist gegen die Interessen der bäuerlich-ökologischen Landwirtschaft gerichtet.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Schmidt, Sie sind jetzt knapp ein Jahr im Amt; Sie sind knapp ein Jahr Landwirtschaftsminister. Zu Beginn der Legislaturperiode haben Sie selbst nicht geglaubt, dass Sie Landwirtschaftsminister werden. Die Frage ist, was Sie in diesem einen Jahr gemacht haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gute Arbeit!)

Wir wissen jetzt: Sie haben die Gentechniklobby in Brüssel unterstützt. Und wir wissen auch: Sie essen jeden Tag einen Apfel, und das soll auch Herrn Putin schaden.

(Zuruf des Abg. Cajus Caesar [CDU/CSU])

Was war sonst? Sonst sind Sie abgetaucht. Nichts! Wo waren die großen Gesetzesvorhaben? Welche Gesetzgebungsprozesse haben Sie vorangebracht? Wo war ein neuer Anlauf für ein echtes Tierschutzgesetz? Wo war eine Regelung zur Hofabgabeklausel? Wo ist die Erhöhung der GAK-Mittel? Da ist nichts, gar nichts bei Ihnen als Minister. Als Agrarminister sollten Sie aber wissen, Sie müssen auch arbeiten. Wer die Felder nicht bestellt, der kann nachher auch nicht ernten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister, es hat einen Grund, dass Sie im Kern eigentlich nur die Verwaltung des Status quo machen. Sie wollen nämlich nicht arbeiten; Sie trauen sich nicht an Strukturen ran, weil Sie nicht den Mut haben, sich mit mächtigen Interessen anzulegen, nämlich mit der Agrarindustrie und der Agrarlobby. Hierfür braucht man Mut und auch Biss, wenn man da was durchsetzen will. Ich finde, es muss endlich Schluss damit sein, dass die CSU- Agrarminister Minister der Großkonzerne sind. Wir brauchen endlich eine Agrarwende in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber nicht nur in Deutschland hat Ihre Agrarpolitik verheerende Folgen. Das sehen wir leider auch weltweit. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, die FAO, sagt ganz klar: Kleine und familiäre bäuerliche Betriebe sind der zentrale Baustein im Kampf gegen Hunger in Schwellen- und Entwicklungsländern.

Was macht nun die Bundesregierung an dieser Stelle in diesem Etat? Sie fördern weiter Agrarexporte; Sie fördern weiter die Fleischindustrie. Sie fördern Lobbybüros zum Beispiel in China. In diesem Jahr haben Sie die German Meat GmbH in Peking eingerichtet. Sie haben ein Reisebüro im Ministerium, um Reisen zur Förderung von Agrarexporten zu finanzieren. Mit Steuergeldern fördern Sie Reisen von Fleischunternehmen nach Ghana, zur Elfenbeinküste, nach Thailand und nach Mexiko, um so hochsubventionierte Billigfleischexporte in lokale Märkte hineinzudrängen. Mit Dumpingkonkurrenz machen Sie lokale Bauern platt und treiben auch diese Bauern in die Abhängigkeit von der Fleischindustrie. Somit treiben Sie dort den Hunger voran.

Ich finde, ehrlich gesagt: Das ist skandalös. Diese Agrarexporte müssen endlich gestoppt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Aber nicht nur weltweit, sondern auch hier in Deutschland brauchen wir einen Paradigmenwechsel in der Landwirtschaft. Es kann nicht sein, dass jeden Tag 20 bäuerliche Betriebe in Deutschland dichtmachen müssen. In Deutschland gibt es ein massives Höfesterben. Seit 2005, seit Angela Merkel regiert, sind 27 Prozent der Betriebe dichtgemacht worden.

Das hat leider auch damit zu tun, dass die Regierung Merkel vor allen Dingen auf Masse statt auf Klasse setzt, auf Großbetriebe statt auf kleinere und mittlere Unternehmen. Nachher zahlen eben die kleinen und mittleren Unternehmen und ihre Arbeitnehmer, die ihre Jobs verlieren, die Zeche für diese Agrarlobbypolitik. Ich sage Ihnen: Der Trend des Höfesterbens muss endlich gestoppt werden. Wir brauchen Bauernhöfe statt Agrarfabriken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür haben wir heute einen Änderungsantrag vorgelegt. Wir wollen, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ um 200 Millionen Euro erhöht werden; kurz: Die GAK-Mittel müssen erhöht werden. Gemeinsam mit den Ländern wollen wir einen Aktionsplan für eine bäuerlich-ökologische Landwirtschaft erarbeiten, um den Strukturwandel zu gestalten, um tiergerechte Haltungsverfahren zu entwickeln – auch für den Klimaschutz und für gute bäuerliche Chancen im ländlichen Raum. Die Agrarministerkonferenz hat das letztes Jahr einstimmig gefordert, Agrarminister aus allen Parteien und aus allen Ländern. Deswegen fordere ich Sie als Koalition auf – Agrarminister gehören auch Ihren Parteien an –: Geben Sie sich einen Ruck! Stimmen Sie nachher unserem Änderungsantrag auf Erhöhung der GAK-Mittel zu!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir Grüne wollen auch, dass endlich Ernst gemacht wird mit dem Tierschutz. Jetzt haben Sie, Herr Minister Schmidt, eine PR-Kampagne angekündigt, die sogenannte Tierwohl-Initiative. Leider ist diese Initiative nur ein billiges Feigenblatt. Das erkennt man, wenn man es sich ernsthaft anschaut. Sie wollen zwei Jahre in einem sogenannten Kompetenzkreis reden, sprich: viel Zeit verschenken und nachher nichts machen. Sie haben gesagt, Sie setzen auf „verbindliche Freiwilligkeit“. Herr Minister, ich zitiere Sie – „verbindliche Freiwilligkeit“, ich frage mich, was das sein soll. Ich meine, entweder ist etwas verbindlich oder es ist freiwillig. Das ist so wie organisiertes Chaos; das ist wie ein veganer Schlachthof. Das ist ein Widerspruch in sich. Das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Herr Minister, glauben Sie im Ernst, dass große Fleischkonzerne wie Wiesenhof oder Rothkötter freiwillig Tiere besser behandeln? Glauben Sie wirklich, dass diese Konzerne freiwillig auf ihre Profitinteressen verzichten werden? Ich meine, das ist doch komplett weltfremd.

Wir Grüne wollen, dass jetzt endlich Ernst gemacht wird mit dem Tierschutz. Die Zeiten, wo man freiwillig der Tierquälerei zugeschaut hat, sind jetzt vorbei. Wir wollen klare und harte gesetzliche Standards. Die Lösungen liegen auf dem Tisch. Die Probleme sind bekannt. Wir brauchen endlich ein echtes Tierschutzgesetz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir brauchen ein Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände. Das Enthornen von Rindern, das Abschneiden von Ringelschwänzen bei Schweinen und das Kupieren von Schnäbeln bei Geflügel müssen endlich beendet werden. Die Tiere in den Ställen brauchen genug Platz, Auslauf und Beschäftigung. Wir sagen klar: Die Ställe müssen sich den Bedürfnissen der Tiere anpassen und nicht umgekehrt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denken Sie an Ihre Redezeit, bitte.

Ja, Frau Präsidentin.

Die grünen Landwirtschaftsminister in den Ländern machen vor, wie es geht,

(Lachen bei der CDU/CSU – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

wie man die Agrarwende Schritt für Schritt mit den Bauern, mit den Verbrauchern gestalten kann. Das brauchen wir auch im Bund.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Kindler. – Nächster Redner in der Debatte: Ulrich Freese für die SPD.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4185080
Wahlperiode 18
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Epl 10
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