27.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 70 / Tagesordnungspunkt I.17

Christian HirteCDU/CSU - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Epl 16

Lade Interface ...
Anmelden oder Account anlegen






Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! „ Das Budget sollte ausgeglichen sein, die öffentlichen Schulden sollten reduziert werden.“ Das sagte schon Marcus Tullius Cicero vor 2000 Jahren. Relativ lange hat es gedauert, ehe sich diese Erkenntnis in der praktischen Politik wirklich durchgesetzt hat. Gut, dass wir heute so weit sind. Gut, dass wir einen Haushalt haben, den wir in dieser Woche ohne Neuverschuldung verabschieden werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carsten Träger [SPD])

Während viele europäische Staaten mit einer Neuverschuldung kämpfen – gewollt oder ungewollt; aber selten ohne eigenes Zutun –, macht Deutschland in der gesamtstaatlichen Betrachtung sogar Überschüsse. Stellt man Haushalts- und Handelsbilanz nebeneinander, kommt Deutschland mit einem Plus von fast 6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts hervorragend davon.

In diese Stärke versuchen nun aber andere Staaten und auch einige Politiker hierzulande eine besondere Verantwortung Deutschlands hineinzuinterpretieren. Wer so viel Geld habe, meinen sie, solle es gefälligst auch ausgeben. Bei nicht wenigen stößt dies auf offene Ohren. Zum Beispiel scheint die neue rot-rot-grüne Allianz in Thüringen das Geldausgeben in großem Umfang zu planen, freilich ohne viele Worte darüber zu verlieren, wo denn das Geld dafür herkommen soll.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das muss Ihnen aber wehtun, in Thüringen auf der Oppositionsbank zu sitzen!)

Herr Kollege Hirte, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Lenkert?

Gerne.

Kollege Hirte, die CDU hat in Thüringen 24 Jahre lang regiert. Im Jahr 1991 lag der Schuldenstand Thüringens bei null, inzwischen liegt er bei fast 17 Milliarden Euro. Können Sie mir sagen, wer die ganze Zeit den Ministerpräsidenten in Thüringen gestellt hat, welche Partei diese Schulden verursacht hat?

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/ CSU)

Herr Kollege Lenkert, möglicherweise haben Sie verkannt, woraus die hohen Investitionsausgaben und die Schuldenaufnahme resultierten. Sie resultierten nicht aus der Politik der vergangenen 24, 25 Jahre im neugegründeten Freistaat Thüringen, sondern aus der desaströsen Wirtschafts- und Sozialpolitik, die die SED in den Jahren zuvor zu verantworten hatte.

(Beifall bei der CDU/CSU – Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Und der Umweltpolitik!)

Wenn Sie hier den Eindruck erwecken wollen, dass die Schulden in Thüringen daraus resultieren, dass in den letzten Jahren keine verantwortungsvolle Haushaltspolitik betrieben wurde, sollten Sie sich daran erinnern, dass wir in Thüringen seit Jahren ausgeglichene Haushalte vorgelegt haben. Schon in den letzten Jahren der Regierung Althaus ist es gelungen, ohne neue Schulden auszukommen. In der aktuellen Legislaturperiode sind sogar Schulden getilgt worden. Ich würde mir wünschen, dass Thüringen diesen Kurs in den nächsten Jahren beibehält. Leider ist das nicht zu erwarten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das muss Ihnen sehr wehtun!)

– In der Tat, das tut mir weh. Es zeichnet sich ja ab, was wir zu erwarten haben.

Die Schuldenkrise hat verdeutlicht, wie anfällig Staaten mit einer hohen Schuldenquote sind. Gerade das Beispiel Griechenland zeigt doch, wie wichtig solides Wirtschaften ist. Die schwarze Null ist deswegen kein Fetisch, keine Monstranz, die der Finanzminister vor sich herträgt, und sie ist auch nicht seiner Eitelkeit geschuldet, sondern sie steht für die Glaubwürdigkeit und für die Stabilität unseres Gemeinwesens. Das sind ganz wichtige Standort- und Investitionsvorteile, die – das ist zu befürchten – künftig in Thüringen vielleicht nicht mehr gegeben sind.

Dass Sparen und Investieren sich nicht gegenseitig ausschließen, haben wir mit dem Haushaltsentwurf 2015 bewiesen. Dafür ganz herzlichen Dank an den Finanzminister. Für den Einzelplan 16 gilt der Dank insbesondere Ministerin Hendricks und den Kollegen aus dem Haushaltsausschuss, die Kurs gehalten haben und dieses historische Ereignis ermöglicht haben. Liebe aktuelle Freunde von der SPD, dieses Ergebnis ist auch Folge dessen, was die letzte Große Koalition mit der Schuldenbremse auf den Weg gebracht hat. Das ist quasi die Konsequenz der Schuldenbremse, die vor einigen Jahren vereinbart wurde und jetzt endlich greift. Auch dafür herzlichen Dank an die Koalitionäre. Mein herzlicher Dank gilt im Besonderen meinem Fraktionskollegen Dr. André Berghegger, der mit mir gemeinsam im Haushaltsausschuss den Einzelplan 16 verantwortet, heute aber leider nicht sprechen kann, da sich der Ältestenrat auf eine bestimmte Höchstzahl von Rednern verständigt hat. Deswegen darf ich heute seine Erfolge hier mit erläutern.

Bundesfinanzminister Schäuble hat angekündigt, in den nächsten Jahren trotz sich eintrübender Konjunkturaussichten und dem damit in Zusammenhang stehenden geringeren Anstieg der Steuereinnahmen zusätzlich 10 Milliarden Euro für investive Maßnahmen auszugeben. Aber schon heute wird investiert: Mit dem Koalitionsvertrag haben wir beschlossen, die Haushaltsmittel des Bundes für die Städtebauförderung zu erhöhen. Das haben wir im Haushalt 2014 gemacht. Auf diesem hohen Niveau setzen wir die Förderung im Haushalt 2015 fort. Außerdem haben wir den Maßnahmenkatalog noch einmal konkretisiert und deutlich gemacht, dass ab diesem Jahr auch Grünflächen förderfähig sind. Ich denke, das ist für die Nachhaltigkeit wichtig und hat auch etwas mit ökologischer Verantwortung zu tun, müsste den Grünen also gefallen.

(Beifall des Abg. Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass Sie da unserem Vorschlag gefolgt sind!)

Ich denke, das ist am Ende ein wichtiges Instrument, um die Attraktivität von Stadtzentren und die Lebensqualität zu steigern.

Beim Wohngeld gibt es im Vergleich zum Regierungsentwurf in der Tat erhebliche Änderungen – das ist schon angesprochen worden –, nämlich 100 Millionen Euro weniger. Es sieht in der Tat etwas beherzt aus, dass wir so viel weniger ansetzen. Aber die Bundesregierung hat eine Reform des Wohngeldgesetzes angekündigt. Es besteht auch überhaupt kein Zweifel daran, dass sie im nächsten Jahr umgesetzt wird. Aber wenn wir sie im nächsten Jahr umsetzen und berücksichtigen, dass die Kommunen noch ein bisschen Zeit brauchen werden, um ihre Software umzustellen und alles vernünftig umzusetzen, dass also noch eine gewisse Zeit zwischen der Verabschiedung des Gesetzentwurfes und dem Inkrafttreten des Gesetzes benötigt wird, ist klar, dass das neue Gesetz im nächsten Jahr noch nicht komplett kassenwirksam werden kann. Wenn wir uns die Zahlen für dieses Jahr ansehen, zum Beispiel Stand September 2014, stellen wir fest, dass gerade einmal 300 Millionen Euro abgeflossen sind. Das heißt, mit dem um 100 Millionen Euro niedrigeren Ansatz kommen wir hervorragend zurecht, ohne dabei Aussagen darüber zu treffen, wie genau die Reform inhaltlich aussehen wird.

Auch Bildung und Wissenschaft sind wichtige Themen, die wir uns als Koalition vorgenommen haben. Es ist gut, dass wir im Rahmen des Einzelplans 16 mit dem Leibniz-Institut für Länderkunde in Leipzig ein wichtiges Projekt angehen. Aufgrund der Evaluierung war schon vor Jahren klar, dass es gut wäre, wenn das Institut umzieht, um Synergieeffekte zu schaffen. Es ist schön, dass wir diese Maßnahmen im Rahmen des nächsten Haushalts starten und damit den Wissenschaftsstandort Deutschland stärken können.

Herr Kollege Kindler, Sie haben in Ihrem Antrag zur energetischen Gebäudesanierung und Energieeffizienz zu diesem Thema Stellung genommen;

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein wichtiger und guter Antrag!)

das finde ich gut. Ich hätte es noch besser gefunden, wenn Sie schon in der letzten Legislaturperiode dafür Sorge getragen hätten, dass die Länder über den Bundesrat, in dem auch die Grünen eine gewisse Mitverantwortung haben, bei der steuerlichen Förderung der Gebäudesanierung helfen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben einen entsprechenden Antrag in den Bundestag eingebracht! Dem haben Sie aber nicht zugestimmt! Sie hätten unserem Antrag ja zustimmen können! – Gegenruf der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU]: Ach, das ist doch unglaubwürdig!)

Dann wären wir heute vielleicht ein Stück weiter. Wenn wir dieses gemeinsame Ziel haben – in Ihrem Antrag schildern Sie ja, wie dramatisch die Konsequenzen des Klimawandels sein könnten –, müsste Ihnen ja daran gelegen sein, über alle Möglichkeiten zu diskutieren.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch auch ein guter Antrag! Sie haben ihn ja gerade selbst abgelesen!)

Zum Dialog sind Sie herzlich eingeladen.

(Beifall der Abg. Marie-Luise Dött [CDU/CSU])

Zu den Mitteln für den Klimaschutz gehören natürlich auch die Mittel für Maßnahmen beim internationalen Klimaschutz. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Das BMUB beteiligt sich am neuen Weltbankfonds für Klimaschutzprojekte in den Entwicklungsländern. Für die Pilot Auctioning Facility sollen bis zu 15 Millionen Euro bereitgestellt werden, um Projekte in der Abfallwirtschaft, vor allem in den Bereichen Deponieentgasung, organische Abfälle und Abwasserentsorgung, zu fördern. Ich denke, das sind sinnvolle Maßnahmen.

Angesprochen wurde auch schon das ehrgeizige Ziel im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2020. Frau Höhn, ich kann nicht bestreiten, dass wir noch ein gutes Stück des Weges vor uns haben. Gespräche dazu laufen momentan bereits auf Fachebene. Ich denke, nach der Kabinettsentscheidung am 3. Dezember dieses Jahres sind wir alle ein Stück schlauer. Vielleicht sagt nachher ja auch die Ministerin noch etwas dazu.

(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, vielleicht!)

Ganz besonders freue ich mich, dass wir mit dem Förderprogramm zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern vorangekommen sind.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

– Ich freue mich auch über die Freude bei den SPD-Kollegen. – Auch manch einen in Stuttgart wird das vielleicht freuen.

(Zuruf von der SPD: Das glaube ich nicht!)

Der Kollege Lemme hat es gerade schon angesprochen: Da haben sicherlich schon einige von den ungefilterten Abgasen die Nase voll. Erst gestern hat uns die Europäische Kommission deutlich mitgeteilt, dass wir in einigen großen Städten Probleme haben. Stuttgart war explizit genannt. Deswegen denke ich, dass das eine sinnvolle Maßnahme ist, um in diesem Bereich vielleicht leichte Verbesserungen zu erzielen.

Ich freue mich natürlich auch, dass wir jetzt – nach unserem intensiven Werben schon im letzten Jahr und im Rahmen der Anberatung des Haushalts für 2015 – mit der SPD einen gemeinsamen, guten Standpunkt gefunden haben und die Förderung wieder aufnehmen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir unmittelbar nach der Haushaltsdebatte zur Anberatung des Haushalts für 2015 quasi im Hinausgehen ein kurzes Gespräch mit der Ministerin Hendricks geführt haben, die deutlich machte, dass sie gesprächsbereit ist. Also: Herzlichen Dank an die Koalitionäre, dass wir hier vorangekommen sind!

Ein weiterer positiv herauszuhebender Aspekt der Beratungen zum Einzelplan 16 – jetzt wird es ein bisschen technisch – ist der Personalbereich. Hier haben wir – dafür auch noch einmal ganz herzlichen Dank an meine Kollegen Lemme und Dr. Berghegger – nach intensiven Verhandlungen schon für den diesjährigen Haushalt eine Vereinbarung mit dem BMUB erreicht, wonach über 200 sachgrundlos befristete Stellen innerhalb der nächsten drei Jahre peu à peu abgebaut und in reguläre Anstellungsverhältnisse umgewandelt werden. Ich denke, das ist zum einen für die Qualität der Arbeit im Haus, zum anderen aber auch für die betroffenen Mitarbeiter eine ganz wichtige Entscheidung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich habe mich ein bisschen über das gewundert, was wir vom ersten Redner der Linken zum Thema Endlagerung gehört haben. Nach einem Antrag der Linken sollen die Mittel für Schacht Konrad und Gorleben abgesenkt werden. Das widerspricht ein bisschen dem, was wir vorhin von Ihnen gehört haben.

(Ulrich Petzold [CDU/CSU]: Ein bisschen!)

Sie haben dargestellt, wie dramatisch alles wäre, kommen aber trotzdem zu erheblichen Einsparpotenzialen. Richtig ist zwar, dass es mit dem Standortauswahlgesetz und natürlich auch durch die Arbeit der Endlagersuchkommission keine Vorfestlegung gibt. Aber das heißt nicht, dass wir in den nächsten 20 Jahren die Hände in den Schoß legen könnten und nichts mehr tun müssten. Wir haben schon erhebliche radioaktive Abfälle, mit denen wir weiter umgehen müssen, und Sie selber haben den Zustand von einigen Behältnissen angesprochen. Das heißt, das Thema bleibt uns unabhängig von der Entscheidung zum Endlager vor Augen, und wir müssen uns als Haushälter darum kümmern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wirklich witzig finde ich den Umstand, dass Sie die Kosten für die Infostellen für zu hoch halten. Sie betragen100 000 Euro bei Gorleben und 200 000 Euro beim Schacht Konrad. Bei einem Gesamthaushalt von 300 Milliarden Euro haben Sie über den gesamten Haushalt verteilt Ausgabenmehrbelastungen von über 50 Milliarden Euro vorgeschlagen, und jetzt kommen Sie mit solchen Kleckerbeträgen. Ich frage mich wirklich, wie Sie die Finanzierung der 50 Milliarden Euro sichern wollen, ohne vernünftige Prioritäten zu setzen. Wenn Sie auf diesem Niveau haushalterische Politik gestalten wollen, dann ist mir bange um meinen Freistaat Thüringen, wenn es dort genauso geht.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Sie werden es überleben!)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die Bundesregierung hat jetzt Bundesministerin Dr. Barbara Hendricks das Wort.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4185422
Wahlperiode 18
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Epl 16
00:00
00:00
00:00
00:00
Keine
Automatisch erkannte Entitäten beta