27.11.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 70 / Tagesordnungspunkt I.17

Georg NüßleinCDU/CSU - Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Epl 16

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Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Der Kollege Lenkert hat hier passagenweise zu Altlasten im Osten ausgeführt, es aber peinlich vermieden, zu sagen, woher diese kommen, nämlich aus der ehemaligen DDR.

(Ralph Lenkert [DIE LINKE]: BASF hat 1920 angefangen!)

Sie hätten „nostra culpa, nostra culpa“ sagen müssen. Ich möchte mit Bezug auf die Zwischenfrage, die der Kollege Lenkert vorhin gestellt hat und die der Kollege Hirte hervorragend pariert hat, festhalten: 25 Jahre nach dem Mauerfall können wir, die Menschen der Bundesrepublik Deutschland, stolz darauf sein, was wir gemeinsam bei der deutschen Einheit geleistet haben. Nicht stolz sein kann man auf die Umweltlasten, die die DDR hinterlassen hat.

(Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Stolz kann man sein, dass Thüringen gewählt hat!)

Die Bundesrepublik Deutschland hat durch einen klaren Rahmen sowie durch Innovation und Technologie dafür gesorgt, dass das der Vergangenheit angehört, im Übrigen – das kannten die Bürger der DDR genug – nicht durch Verzicht und – das kannten die Bürger der DDR ebenfalls genug – nicht durch Zwang. Freiwilligkeit und Wirtschaftlichkeit, das sind aus meiner Sicht die Kriterien für eine kluge und zukunftsgerichtete Umweltpolitik. Sie sind auch entscheidend für den Klimaschutz.

Der deutsche Beitrag zum weltweiten Klimaschutz ist null und nichtig, wenn wir nicht vorleben können, dass Wirtschaftswachstum und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Vorbild ist nur, wer Wohlstand steigert und CO 2 reduziert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vorbild ist nicht, wer immer höhere Ziele ausgibt, sie am Ende nicht erreicht oder sie nur durch Deindustriealisierung erreicht. Deshalb formulieren wir ganz klare Anforderungen an das Aktionsprogramm Klimaschutz 2020, das wir sehr begrüßen. Diese Anforderungen heißen: Erstens. Eingriffe, die der deutschen Wirtschaft schaden, sind unnötig und zu unterlassen. Zweitens. Markt, Wettbewerb und Anreiz gehen vor Regulierung und Zwang. – Ich habe eigentlich erwartet, dass auch die Grünen das jetzt so formulieren, nachdem sie auf dem Parteitag beschlossen haben, dass sie jetzt die Partei der Freiheit werden.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Waren wir schon immer! Freiheit und Kennzeichnung! Wir wollen eine Ampel!)

Ich würde mir wünschen, dass das auch so kommt. – Drittens. Bei all dem, was wir in den nächsten Wochen und Monaten zum Klimaschutz beraten werden, müssen wir klare Preisschilder entwerfen, eine Reihenfolge aufstellen und uns Gedanken machen, wie man mit möglichst niedrigen volkswirtschaftlichen Kosten das 40-Prozent-Ziel erreichen kann, das wir erreichen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Ausstieg aus der Kernenergie macht die Zielerreichung hinsichtlich des CO 2 -Ausstoßes natürlich noch schwieriger. Gleichzeitig aus der Kohle auszusteigen, halte ich persönlich für kaum darstellbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verlangt ja auch niemand! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wollen noch nicht einmal wir! Wir wollen nur mal damit anfangen!)

Ich bitte, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, gerade das Thema Versorgungssicherheit ernst zu nehmen. Ich will noch einmal deutlich machen: Ein nationaler Alleingang beim Ausstieg aus der Kohle macht mittelfristig keinen Sinn, weil das ETS-Zertifikate freisetzt, die im Ausland wieder eingesetzt werden können.

(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kann man ja aus dem Handel herausnehmen!)

Jetzt gibt es ein paar ganz Schlaue, die sagen: Aber der ETS-Handel liegt doch am Boden, und die Zertifikate werden ohnehin nicht genutzt. – Nur, wenn man gleichzeitig sagt, man wolle den CO 2 -Handel europaweit stärken, was wir tun wollen, dann darf man solche Effekte nicht vernachlässigen. Deshalb macht ein nationaler Ausstieg aus der Kohleverstromung keinen Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie bei der Atomkraft auch immer gesagt!)

Das würde an das Motto erinnern: Hauptsache, die Statistik stimmt. Wie dann der Importstrom produziert wird, steht auf einem anderen Blatt. – Das ist aus meiner Sicht der falsche Weg.

Ich glaube, ein guter Ansatz, ein Ansatz, der uns auch wirtschaftlich voranbringen kann, ist die Energieeffizienz. Es macht Sinn, Rohstoffe zu sparen, die Technik auf Sparen auszurichten, Weltmarktführer bei solchen Technologien zu werden, knappe Güter sorgsam einzusetzen und zu berücksichtigen, dass auch deren Exploration massive Umweltprobleme verursacht, die man betrachten muss.

Bei der Energieeffizienz steht der Wärmebereich Gott sei Dank ganz oben auf der Agenda dieser Bundesregierung. Ich verstehe, dass den Grünen alles nicht schnell genug gehen kann. Aber man hätte – das hat auch der Kollege Hirte vorhin angedeutet – durchaus schon früher einen Beitrag dazu leisten können, die CO 2 -Gebäudesanierung, die wir hier seit Jahren einfordern, auch tatsächlich umzusetzen.

(Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier?)

Ich will gar nicht auf die Vergangenheit eingehen. Ich würde mir nur wünschen, dass in der Zukunft nicht dasselbe Spiel gemacht wird, das da heißt: Der Bund muss die Zeche zahlen, und die Länder lehnen sich zurück und schauen sich an, was passiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Energieeffizienz im gewerblichen Bereich spielt natürlich auch eine wichtige Rolle. Da gibt es eine Menge zu tun. Ich glaube nicht, dass man dafür immer ein Audit braucht. Ich glaube, dass unsere Unternehmen mittlerweile sehr genau wissen, wo sie Geld sparen können. Wir sollten uns vielmehr miteinander Gedanken machen, womit wir die Entwicklung von Energieeffizienz möglicherweise verhindern. Ein Beispiel ist für mich die Fallbeillösung, die im EEG steht. Da ist klar, dass derjenige, der Energie einspart, sich einen Bärendienst erwiesen hat, wenn er unter die 16-Prozent-Hürde fällt. Es gibt noch eine ganze Menge ähnlicher Schwellen. Man muss sich noch einmal im Rahmen der Effizienzoffensive Gedanken machen, wie man das Ganze etwas besser aufeinander abstimmt.

Ich habe vorhin gesagt, dass wir beim Thema ETS Optimierungen vornehmen wollen. Das ist ein marktwirtschaftliches Instrument, auf das wir viel setzen sollten und bei dem wir auch berücksichtigen müssen, dass sich konjunkturelle Einflüsse auf die Preise der CO 2 - Zertifikate auswirken. Das ist auch gut so; denn letztendlich geht es darum, wie man die Konjunktur stützt, wenn die Nachfrage sinkt und damit dann natürlich auch die CO 2 -Produktion. Es ist klar, dass der Markt darauf reagieren muss.

Momentan wird in der Automobilindustrie über die Frage nachgedacht, ob es sinnvoll ist, den Verkehr zu integrieren. Mein Damen und Herren, das sollte man durchaus diskutieren.

(Zuruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD])

– Nein. Nicht, damit sie nichts machen müssen. Sie erkennen nämlich, dass einige in Brüssel imstande sind, mit dem 95-Gramm-Ziel Industriepolitik gegen die deutschen Flotten zu betreiben. Deshalb sagen sie: Wir sollten einmal überlegen, ob das für uns nicht weniger schädlich ist.

Ich glaube, man braucht beides. Man braucht den Handel mit CO 2 -Zertifikaten. Mit Maß und Ziel kann man vielleicht auch den Verkehrssektor einbauen. Dabei muss man aber natürlich immer bedenken, dass das Auswirkungen auf den Benzinpreis hat und dass diese Art der Mobilitätsreduzierung natürlich auch eine soziale Komponente hat. Auf der anderen Seite muss man aber auch maßvoll Maßstäbe dafür setzen, damit sich die Technik nach vorne entwickelt, aber mit Maß und Ziel, jedoch nicht, um die deutsche Wirtschaft und die Automobilindustrie zu schädigen, sondern um den technischen Fortschritt anzuregen. Das sollten wir gemeinsam tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will noch auf ein Thema eingehen, das hier auch eine Rolle gespielt hat und das durchaus sehr brisant ist, nämlich auf das Thema Fracking. Eine Regelung zu diesem schwierigen Thema ist in der vergangenen Legislaturperiode an der Kommunikation gescheitert.

(Christian Kühn [Tübingen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat da regiert?)

Viele haben damals so getan, als sei Fracking aktuell verboten und die Mehrheit im Deutschen Bundestag wolle Fracking erlauben. Heute sind schon wieder einige auf dem Weg, ähnliche Kommunikationsstrategien aufzubauen, Frau Höhn. Mein Damen und Herren, es geht nicht darum, Fracking zu erlauben. Das ist erlaubt, und zwar relativ unkonditioniert. Vielmehr geht es darum, Fracking ordentlich zu regulieren.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt einmal ehrlich! 80 Prozent der Flächen öffnen für Fracking!)

Der Vorschlag der Bundesministerin dazu ist ein guter Vorschlag, unabhängig davon, wie Sie das sehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Fakt ist: Wer Fracking konditionieren bzw. regulieren will, der muss an diesem Vorschlag jetzt konstruktiv mitarbeiten. Sonst stehen wir am Ende wieder ohne Gesetz da, und die Industrie kann fracken und kann sich auf dem Klageweg durchsetzen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann sie mit Ihrem Gesetz ja auch! Das ist doch kein Unterschied!)

Es wird dann keine Umweltverträglichkeitsprüfungen geben, auch nicht für das, was wir hier als konventionelles Fracking beschreiben. Auch innerhalb der Union diskutieren wir heftig über das Lagerstättenwasser und über die Fragen: Was ist Stand der Technik? Was muss man tun? Kann man das wieder in die Ursprungstiefe verpressen? Muss man das aufbereiten? Meine Damen und Herren, das wird man ohne Gesetz nicht regeln können. Das wollen wir aber tun.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Der Fokus der Öffentlichkeit liegt in der Tat auf dem sogenannten unkonventionellen Fracking. An dieser Stelle möchte ich deutlich unterstreichen: In diesem Referentenentwurf steht ein glasklares Verbot mit Blick auf den Schutz von Mensch, Natur und Wasser.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist das denn zu lesen?)

Das wird allerdings ergänzt durch einen Erlaubnisvorbehalt. Dieser Erlaubnisvorbehalt besagt – ich sage das einmal untechnisch –:

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein Verbot mit vielen Erlaubnissen!)

Wenn Forschung und Entwicklung irgendwann nach 2018 an einen Punkt kämen, bei dem gar nichts mehr dagegen spräche, dann kann die Wasserbehörde eine Erlaubnis erteilen. Wenn man wie Sie der Auffassung ist, dass das alles Teufelszeug ist und dass man das unter keinen Umständen tun kann,

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unnötig! Überflüssig!)

muss man sich keine Sorgen machen, dass diese Erlaubnis in diesem Land irgendwann erteilt wird.

Ich sage Ihnen aber: Ich halte es für richtig, dass der Erlaubnisvorbehalt darin steht. Denn wenn ein Land, das auf Hightech, auf Forschung und Entwicklung setzt, den Anspruch erhebt, Pilotvorhaben, Spitzentechnologien voranbringen zu wollen, dann muss man zumindest die Chance eröffnen, dass diese Technologie auch im eigenen Land irgendwann einmal zum Tragen kommt.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Herr Kollege Nüßlein, gestatten Sie am Schluss Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage der Kollegin Bulling-Schröter?

Wenn die Frau Kollegin unbedingt will.

(Johannes Kahrs [SPD]: Nein, muss nicht!)

Eigentlich habe ich mit der Kollegin Bulling-Schröter gar kein Problem. Sie spricht meinen Dialekt.

(Johannes Kahrs [SPD]: Was zusammen trinken!)

Danke schön. Wir beide kommen ja aus Bayern. Sie haben es gerade gesagt. – Ich bin über Ihre Ausführungen ein bisschen erstaunt; denn die bayerische Wirtschaftsministerin, Frau Aigner, hat erst neulich in einer großen bayerischen Zeitung gesagt, die Bayerische Staatsregierung, vor allem die CSU, lehne unkonventionelles Fracking insgesamt ab. Sie hat gesagt: Mit uns wird es das nicht geben. – Ich sehe also schon einen Widerspruch zwischen dem, was Sie erzählen, und dem, was in Bayern in der Zeitung steht.

Machen Sie sich keine Sorgen über das, was die Bayerische Staatsregierung in großer Einheit macht. Der bayerische Ministerpräsident hat im Rahmen seines China-Besuchs ganz deutlich formuliert, dass der Vorschlag, den die Frau Hendricks auf den Tisch gelegt hat, ein guter, ein intelligenter Kompromiss ist und dass er das Verbot, so wie es Bayern anstrebt, natürlich so ausgestaltet sehen möchte, wie ich es gerade eben beschrieben habe, nämlich verbunden mit dem Vorbehalt, dass man, wenn nichts mehr dagegen spreche, auch fracken kann.

Ich kann Ihnen auch sagen, dass das, was ich vorhin zu Forschung und Entwicklung gesagt habe, auch hier gilt: Wenn Fracking im eigenen Land nicht mehr anwendbar sein sollte, dann muss man sich doch zumindest die Option offenhalten, am Standort Deutschland zu forschen, zu entwickeln und dafür Sorge zu tragen, dass unter anderen, besseren Konditionen in Zukunft im Ausland gefrackt wird. Das, was wir hier machen, nämlich zu sagen: „Wir bleiben sauber; aber aus dem Ausland importieren wir Gas, das dort unter schlechteren Bedingungen gefrackt worden ist“, ist Ökokolonialismus der schlimmsten Sorte. Deshalb ist das abzulehnen.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wollen erneuerbare Energien! Das ist die Alternative zu Fracking!)

Wir müssen ganz klar dafür Sorge tragen, dass auch da die Technik vorankommt. Zumindest das sollten Sie uns zubilligen, und Sie sollten nicht ständig weiter Denkverbote verhängen. Das steht einer Partei der Freiheit nämlich gar nicht an.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Freiheit für Fracking!)

Nächste Rednerin ist für Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Sylvia Kotting-Uhl.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4185488
Wahlperiode 18
Sitzung 70
Tagesordnungspunkt Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit Epl 16
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