Ralph BrinkhausCDU/CSU - Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn man sich die Reden der Linken in den letzten Tagen und jetzt die Rede von Frau Lötzsch angehört hat,
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Die waren gut! – Johannes Kahrs [SPD]: Das hast du echt gemacht?)
stellt sich die Frage: Können Sie von der Linken mir ein Land auf dieser Welt nennen, in dem das ganze Paket aus Sozialleistungen, Fürsorge für Schwache der Gesellschaft, medizinischer Versorgung und allem, was dazu gehört, besser ist als in Deutschland? Wenn Sie mir diese Frage nicht beantworten können, dann frage ich Sie: Wo möchten Sie denn dann lieber leben?
(Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Wir bleiben hier! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Keine Hoffnung! Wir bleiben hier! – Sven- Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In den skandinavischen Ländern!)
Es ist total okay, wenn Sie als Opposition Kritik üben. Aber die Skandalisierung, die Sie dauernd betreiben, diese Übertreibung, diese Maßlosigkeit in der Argumentation, das ist auf Dauer unerträglich. Das können wir nicht dulden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Eines muss man Ihnen ins Stammbuch schreiben: Alle Versuche, einen sozialistischen oder kommunistischen Weg einzuschlagen und so das Paradies auf Erden zu schaffen, sind bisher in einer großen Tragödie geendet. An Ihrer Stelle wäre ich als Partei, deren Namen unter einer dieser großen Tragödien steht, ganz vorsichtig, ein Urteil über andere zu fällen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der LINKEN – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja Kalter- Krieg-Rhetorik!)
Nichtsdestotrotz ist heute ein großer Tag der Freude. Ich war gestern auf einer Veranstaltung. Dort sagte jemand zu mir: Mensch, das ist doch ein großer Tag für euch alle.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn man so einen Haushalt verteidigen muss, das ist doch peinlich!)
Im Laufe dieser Woche ist in der Mühseligkeit der einzelnen Debatten etwas untergegangen: dass heute wirklich ein großer historischer Tag ist. Generationen von Abgeordneten, sowohl hier als auch in Bonn, haben versucht, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen, aber es ist ihnen nicht gelungen. Zwölf Finanzminister haben hier vor Wolfgang Schäuble gesessen und versucht, einen ausgeglichenen Haushalt hinzubekommen. Auch ihnen ist es nicht gelungen, aber heute stehen wir hier und haben es geschafft.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
Wenn ich sage „wir“, dann meine ich nicht nur die Politik, sondern vor allem die Bürgerinnen und Bürger sowie die Unternehmerinnen und Unternehmer, die dafür gesorgt haben, dass wir die Einnahmen bekommen, um diesen Haushalt aufstellen zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD])
Wenn ich aber feststelle, dass es die Unternehmerinnen und Unternehmer sowie die Bürgerinnen und Bürger sind, die es geschafft haben, diesen Haushalt hinzubekommen, dann muss ich auch sagen, dass wir ihnen auch eine Perspektive aufzeigen müssen, wie es mit diesem Haushalt weitergeht, und ich denke, in diesem Haushalt sind viele solcher Perspektiven angelegt. Wir haben auch sehr viel für die Zukunft getan. Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen, was wir in diesem Haushalt für die Zukunft getan haben.
Die Aussage, wir haben es geschafft, bedeutet auch, dass wir es hier in der Politik geschafft haben. An dieser Stelle möchte ich unserem Koalitionspartner, der SPD, mit dem wir dieses Projekt durchgezogen haben, Danke sagen; denn das war nicht ganz selbstverständlich. Wir wissen genau, dass es viele in Ihren Reihen gibt, für die der ausgeglichene Haushalt nicht das Lieblingsprojekt Nummer eins ist.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)
Wir wissen auch – das möchte ich auch überhaupt nicht schlecht bewerten –, dass es den einen oder anderen gibt, der gern mehr Geld ausgegeben oder es an anderer Stelle eingesetzt hätte. Insofern ist es nicht hoch genug einzuschätzen, dass Sie sich an den Koalitionsvertrag gehalten haben, an das, was wir gemeinsam vereinbart haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Im Gegenzug können Sie von uns auch erwarten, dass wir uns an den Koalitionsvertrag halten, auch wenn darin das eine oder andere Projekt steht, welches nicht unser Lieblingsprojekt ist; auch das muss man an dieser Stelle sagen.
(Norbert Barthle [CDU/CSU]: So ist es!)
Ich möchte mich aber auch bei den Kollegen von der FDP, die nicht mehr hier sind, bedanken, die in der letzten Legislaturperiode diesen Weg der Haushaltskonsolidierung mit uns eingeschlagen haben. Das war gut und wichtig.
An eines möchte ich noch einmal erinnern: Wo standen wir denn am Beginn der letzten Legislaturperiode, 2009? Wir waren in einer Situation, in der wir gerade eine der schwersten Bankenkrisen seit den 1930er-Jahren überstanden hatten, in einer Situation, in der wir den schwersten Wirtschaftseinbruch in der Zeit der Bundesrepublik erlebt hatten. Wir waren in einer Situation, in der wir in einer Staatsschuldenkrise gestanden haben, die im Übrigen immer noch nicht überwunden ist. Wir stehen heute in einer Situation, in der wir Krisen im Mittleren und Nahen Osten sowie in der Ukraine erleben, die uns das Leben – auch wirtschaftlich – sehr, sehr schwer machen.
Trotzdem haben wir es geschafft, die Nettoneuverschuldung in Höhe von 50 Milliarden Euro auf null herunterzubringen. Das ist gar nicht hoch genug anzuerkennen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun können Sie sagen, dies sei nicht das Verdienst christdemokratischer Finanzminister oder einer christdemokratischen Bundeskanzlerin.
(Johannes Kahrs [SPD]: Immerhin ist das schon eine Erkenntnis!)
Nein, ich sage Ihnen: Das ist ihr Verdienst; denn es ist kein Zufall, dass es ein christdemokratischer Finanzminister ist, der diesen Haushalt so vorlegt; denn ausgeglichene Haushalte und eine solide Haushaltsführung sind der Markenkern der Union, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun kann der eine oder andere sagen: Ihr habt Glück gehabt, ihr habt niedrige Zinsen und hohe Steuereinnahmen. – Dann lassen Sie uns den Blick einmal woanders hinwenden, wo die Zinsen ebenfalls niedrig und die Steuereinnahmen hoch sind: in mein Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen. Dort wird unter gleichen Bedingungen der Haushalt gegen die Wand gefahren. Auch das gehört zur Wahrheit. Es ist nicht selbstverständlich, dass man in dieser Situation einen ausgeglichenen Haushalt hinbekommt. Nein, im Gegenteil: Es ist eine große Leistung, die wir hier vollbracht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt gibt es den einen oder anderen, der versucht, uns diesen Tag madig zu reden, indem er sagt: Ein ausgeglichener Haushalt, die schwarze Null, das ist ein Fetisch. Meine Damen und Herren, es ist kein Fetisch. Es ist eine Frage unseres Selbstverständnisses und der Generationengerechtigkeit, und zwar deshalb, weil wir uns schon überlegen müssen, was wir hinterlassen.
Wir haben im Bereich der Sozialversicherungssysteme – auch dies gehört zur Ehrlichkeit – nicht unbedingt immer nur – zumindest aus der Perspektive der Entlastung der kommenden Generationen – sehr gute Entscheidungen getroffen. Umso wichtiger ist es, dass unsere Haushälter dafür sorgen, dass der Kernhaushalt sauber bleibt, dass wir ausgeglichene Haushalte haben und keine zusätzlichen Schulden für die Zukunft machen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Bettina Hagedorn [SPD] – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Versteckte Schulden!)
Aber ein ausgeglichener Haushalt ist kein Dogma, das sage ich als Haushaltspolitiker der Union. Es wird immer wieder Situationen geben – und wir hatten eine solche Situation im Jahr 2009 –, in denen der Staat in die Speichen greifen muss, wo wir stützen und helfen müssen. Wir müssen uns auch ehrlich in die Augen schauen. Es kann auch die eine oder andere geopolitische Situation geben, in der wir darüber nachdenken müssen, was wir machen. Nichtsdestotrotz bedeutet das, dass wir in der heutigen Zeit, wo dies möglich ist, darauf achten müssen, den Haushalt auszugleichen. Das haben wir bei diesem Haushalt gemacht.
Heute ist ein Tag der Freude und des Feierns. Blicken wir einmal 45 Jahre zurück, als irgendwann Ende der 60er-Jahre im Plenarsaal in Bonn am Ende einer Haushaltswoche Kollegen von uns gesessen haben. Sie haben zwar keinen Haushaltsentwurf mit einer Null eingebracht, aber eigentlich einen ganz guten Entwurf vorgelegt. Sie sind samstags in ihre Wahlkreise zurückgefahren und haben gedacht: Mensch, jetzt haben wir etwas Tolles gemacht. Wir können glücklich und zufrieden sein. – Dann kamen die 70er- und die 80er-Jahre, und der Schulden-Tsunami brach über uns herein.
(Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist das für eine Rede? Was ist das für eine harte Kritik an Helmut Kohl gerade?)
Es ist daher wichtig für uns, dass wir diesen ausgeglichenen Haushalt zukunftsfest machen. Das heißt, dass wir uns nicht darauf ausruhen, was wir bisher erreicht haben, sondern nach vorne schauen. Wenn ich sage, dass wir nach vorne schauen, dann heißt das, dass wir zwei Dinge im Blick behalten müssen – ganz einfach –: die Ausgaben und die Einnahmen. Bei den Ausgaben müssen wir darauf achten – und das machen unsere Haushälter –, dass wir nicht der Versuchung erliegen, hier und da noch etwas zu draufzulegen oder hier und da noch eine Stelle aufzubauen.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Wir müssen weiter darauf achten, dass wir das Geld, das wir ausgeben, auch effizient ausgeben. Wir müssen schauen, welche Gegenleistung wir dafür bekommen.
Ich möchte heute gar nicht so sehr über die Ausgabenseite reden, sondern mehr über die Einnahmenseite. Bei der Einnahmenseite ist eines richtig: All das, was wir ausgeben, muss vorher eingenommen werden. Wir haben in den letzten Monaten aus gutem Grund sehr viel verteilt und ausgegeben. Angesichts der Tatsache, dass wir einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen, ist es heute und hier an der Zeit, dass wir uns wieder einmal mehr über das Einnehmen und Erwirtschaften unterhalten.
Wenn ich eben gesagt habe, dass alles von Bürgerinnen und Bürgern und von Unternehmerinnen und Unternehmern erwirtschaftet wird, dann bedeutet das auch, dass wir ihnen den Freiraum geben müssen, dies zu erwirtschaften. Da müssen wir uns – in der Sprache der Grünen ausgedrückt – ehrlich machen: In den letzten Monaten haben wir, aus gutem Grund, an der einen oder anderen Stelle sehr viel Last und Bürokratie auf die Unternehmen abgewälzt. Deswegen gilt für uns die Devise: Wir halten uns natürlich an das, was im Koalitionsvertrag steht. Auf der anderen Seite muss es dann aber auch genug sein mit der Belastung der Wirtschaft und der Menschen, die arbeiten.
(Johannes Kahrs [SPD]: Luftverkehrsteuer, sage ich da nur!)
Wenn wir uns über das Erwirtschaften unterhalten, dann müssen wir uns Gedanken darüber machen, wer denn den Haushalt in 30 oder 40 Jahren erwirtschaftet. Mit 43 Millionen Menschen, die in Lohn und Arbeit stehen, haben wir eine Rekordzahl erreicht. Egal was wir machen: In 30 Jahren werden es nur noch rund 30 bis 32 Millionen Menschen sein. Das bedeutet, dass die vier Schultern, die die Last heute tragen und dafür sorgen, dass der Staat rundläuft, zu drei Schultern werden. Das müssen wir im Hinterkopf behalten. Das werden wir durch Familienpolitik auch nicht wettmachen können.
Wir müssen uns über unsere demografische Entwicklung unterhalten. Wir müssen die Potenziale heben, die wir in unserem Land haben. Ich nenne da die Erwerbstätigkeit von Frauen und Migranten sowie eine gute Zuwanderung. Wir können es uns nicht mehr leisten, dass Jugendliche ohne Schul- und Berufsabschluss ins Leben gehen. Ich erwähne auch, dass wir die Erwerbstätigkeit von Älteren steigern müssen. Die Rente mit 63 war diesbezüglich nicht unbedingt nur hilfreich. Es sollte uns umso mehr Verpflichtung sein, an anderen Stellen dafür zu sorgen, dass auch ältere Menschen in Lohn und Arbeit stehen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nichtsdestotrotz: Was vier Schultern getragen haben, müssen bald drei Schultern tragen. Deshalb müssen wir produktiver und innovativer werden. Auch dazu finden sich im Haushalt einige Ansätze. Wir sind in diesem Land gar nicht schlecht aufgestellt. Wir haben eine tolle Forschungs- und Bildungspolitik. Wir haben tolle Spitzenforschungsinstitute. Wir sind nicht nur Fußballweltmeister, sondern auch Patentweltmeister. Wir haben mittlerweile eine erwähnenswerte Start-up-Szene, die wir fördern müssen. Wir haben tolle Familienunternehmen. Wir haben gute Großunternehmen. Wir haben dank der dualen Berufsausbildung eine gut ausgebildete Arbeitnehmerschaft; auch daran sollten wir ein bisschen mehr arbeiten. Wir haben, auch wenn das an der einen oder anderen Stelle hier bestritten wird, immer noch eine der besten Infrastrukturen der Welt; wir müssen daran arbeiten, dass auch das fortgeschrieben wird. Wir haben also sehr gute Ausgangsbedingungen.
Wir haben viel über die digitale Welt gesprochen. Es wird immer gesagt, Deutschland sei schlecht aufgestellt. Nein, wir haben die Industrie 4.0. Was bei den Amerikanern Facebook, Amazon und Google ist, das ist unsere Fertigungsautomatisierung und Prozesstechnologie. In diesem Bereich sind wir gut. Im Übrigen, Frau Lötzsch, haben Sie ja gesagt, dass wir einen guten Glühwein haben, den wir Haushälter an der einen oder anderen Stelle leeren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei dem Haushalt kann das teuer werden!)
Meine Damen und Herren, wir sind in Deutschland sehr gut aufgestellt. Wir haben sehr gute Perspektiven für die Zukunft, und es hängt davon ab, was wir daraus machen. Trotzdem glaube ich, dass viele Menschen in diesem Land beunruhigt in die Zukunft blicken. Sie sehen die Zukunft nicht unbedingt als Chance, sondern als Bedrohung. Unsere Aufgabe als Politik ist es, diesen Trend umzukehren, indem wir den Menschen zeigen, dass Deutschland nicht nur ein Land ist, das wirtschaftlich gut aufgestellt ist, sondern auch ein Land, in dem man sehr gut leben kann. Wenn wir daraus etwas Vernünftiges machen, dann haben wir auch eine gute Zukunft. Wenn wir uns einmal in der Welt umschauen, müssen wir ganz ehrlich sagen: Wer, wenn nicht wir, soll denn optimistisch in die Zukunft blicken und zuversichtlich sein?
Meine Damen und Herren, der Haushalt, den wir hier vorlegen und den wir heute verabschieden, ist ein zuversichtliches Zeichen für die Zukunft, ist ein optimistisches Zeichen für die Zukunft, aus dem wir viel machen können. Insofern ist heute ein guter Tag für unser Land.
Danke schön.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Als nächste Rednerin hat Anja Hajduk das Wort.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4189521 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 71 |
Tagesordnungspunkt | Schlussrunde Haushaltsgesetz 2015 |