anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen – Mehr Teilhabe eröffnet neue Perspektiven
Für die Bundesregierung erteile ich der Beauftragten für die Belange behinderter Menschen, Verena Bentele, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ich stehe richtig gerne heute hier, um am Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung zu Ihnen zu sprechen. Ich wurde vor einigen Tagen gefragt, ob wir diesen Tag eigentlich noch brauchen. Und, wie Sie sich denken können, als Beauftragte der Bundesregierung ist meine Antwort ein klares Ja.
Denn dieser Tag gibt uns die Gelegenheit, immer wieder zu gucken: Welchen Weg haben wir noch vor uns und was ist noch zu tun, bis wir in einer inklusiven Gesellschaft leben?
Es gibt – das können Sie mir glauben – noch viel zu tun, beispielsweise, wenn es um die neue Eingliederungshilfe, um die Reform, die uns so wichtig ist, geht. Für Menschen mit Behinderung muss es selbstverständlich sein, dass sie Hilfen aus einer Hand bekommen.
Wir brauchen meiner Ansicht nach vor allem eine unabhängige Beratung. Wir brauchen aber auch Leistungen, die für jeden Menschen immer von einer Ansprechpartnerin oder einem Ansprechpartner einer Behörde erbracht werden.
In unserer modernen technologisierten Welt muss es möglich sein, dass sich die Akten und die Abläufe bewegen und nicht die Menschen ihren Leistungen nachlaufen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen.
Unsere Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland müssen ebenfalls die Hürden immer noch selbst beseitigen, wenn sie die Potenziale und Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung sehen und einsetzen wollen. Es muss aber für Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen wollen, weil sie deren Kompetenzen erkennen und sie damit als großen Gewinn ansehen, möglich sein, sie einstellen zu können, ohne dass ihnen Steine in den Weg gelegt werden.
Für mich ist jedenfalls klar: Arbeit muss sich lohnen, und zwar für alle Menschen, auch für Menschen mit Behinderung. Das erreichen wir nur, wenn wir endlich die Einkommens- und Vermögensanrechnung abschaffen.
Für Menschen mit Behinderung ist es heute nicht möglich, ein Vermögen anzusparen, für die Ausbildung der Kinder zu sorgen oder, wie vielleicht viele von Ihnen schon geplant haben, einen Weihnachtsurlaub zu machen; denn dafür fehlt schlicht das Geld. Mit 2 600 Euro ist schnell eine Grenze für Wünsche und Träume erreicht, selbst wenn wir keinen übermäßigen Anspruch haben. Lassen Sie uns dafür sorgen, dass jeder Mensch von seinem Einkommen und Vermögen so viel haben darf und haben kann – auch wenn er einen hohen Assistenzbedarf hat –, dass am Ende des Tages auch eine selbstbestimmte Teilhabe durch eigene Mittel möglich ist.
Darüber hinaus dürfen wir natürlich die Kinder und Jugendlichen nicht vergessen. Ich plädiere deswegen ganz eindeutig für die sogenannte große Lösung.
Kinder und Jugendliche sind in erster Linie Kinder und Jugendliche. Sie sollen unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe ihre Unterstützung bekommen und als Kinder und als Jugendliche behandelt und gesehen werden. So setzen wir die UN-Behindertenrechtskonvention um.
Das bringt mich zu meinem letzten Punkt. Am 7. Juli 2011 wurde hier im Deutschen Bundestag beschlossen, dass Kinder und Jugendliche, die in Heimen der Behindertenhilfe Missbrauch erlitten haben, nicht weiter aus dem Heimerziehungs-Fonds ausgeschlossen werden sollen. Lassen Sie uns hier – darum bitte ich inständig – eine Lösung suchen, um auch diese Menschen mit Behinderung zu entschädigen, und dafür sorgen, dass auch sie einen Ausgleich für erlittenes Leid bekommen.
Für mich ist dieser Tag ein guter Tag. Viele Organisationen und Verbände der Menschen mit Behinderung werden heute Veranstaltungen und Aktionen machen, bei denen ich den einen oder die andere von Ihnen mit Sicherheit sehe. Ich freue mich auf gute Diskussionen und darauf, dass wir das, was wir heute planen und wofür wir heute einstehen, auch tun.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche uns allen einen guten Internationalen Tag für die Rechte der Menschen mit Behinderung.
Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Katrin Werner, Fraktion Die Linke.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4216112 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 72 |
Tagesordnungspunkt | Vereinbarte Debatte Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen |