03.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 72 / Tagesordnungspunkt 1

Uwe SchummerCDU/CSU - Vereinbarte Debatte Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen

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Verehrtes Präsidium! Meine Damen! Meine Herren! Dass wir die Parlamentswoche mit einer Debatte anlässlich des Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen starten, zeigt die Gewichtigkeit dieser Debatte. Ob wir jetzt 31 Minuten oder 45 Minuten debattieren, das ist marginal. Entscheidend ist, dass unsere Worte und Taten überzeugen, dass wir die Herzen und Köpfe der Menschen erreichen und dass die Große Koalition ihre Projekte zur Inklusion in der Gesellschaft mit der Bundesregierung zügig vorantreibt. Hier wurde bereits ein gutes Stück Arbeit geleistet. Deshalb bin ich froh, dass diese Debatte zu diesem Zeitpunkt geführt wird. Das zeigt, wie wichtig uns dieses Thema ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Überzeugen reicht nicht! Umsetzen!)

Zurzeit leben in Deutschland 7 Millionen Menschen mit einer anerkannten Schwerbehinderung, davon erhalten etwa 700 000 Menschen, die eine wesentliche Einschränkung haben, Leistungen aus der Wiedereingliederungshilfe. Nur 5 Prozent der Menschen mit Behinderungen ist diese Behinderung angeboren, bei 95 Prozent ist sie im Laufe des Lebens eingetreten, und dies kann jeden Menschen treffen.

Bei vielen Diskussionen und Veranstaltungen im Behindertenbereich stelle ich fest, dass sich eine Gruppe von etwa 10 Prozent intensiv mit dem Thema Behinderung beschäftigt, wir aber immer noch Probleme haben, die übrigen 90 Prozent der Gesamtgesellschaft zu erreichen. Wir brauchen insofern eine Gesinnungsreform, eine Zuständereform, wir müssen Aufklärungsarbeit leisten, diskutieren und informieren. Hier sind wir alle gefordert. Lassen Sie uns den heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung nutzen, um zu helfen, dass Projekte vor Ort umgesetzt werden, und um das Thema in die Mitte der Gesellschaft zu tragen.

Die Reform der Eingliederungshilfe ist ein Großprojekt der Großen Koalition. Die Zielsetzung ist: So viel Teilhabe wie möglich, so viel Unterstützung wie nötig. Selbstbestimmung, Wahlfreiheit und persönliche Entfaltung – das sind Grundsätze eines modernen Teilhaberechts.

Wer es in der Zukunft besser machen will, der muss auch die Vergangenheit aufarbeiten. Ich bin schon etwas erschrocken, dass dem Vorschlag des Bundes, einen zweiten Entschädigungsfonds für missbrauchte behinderte Heimkinder zu bilden – die Kirchen haben schon signalisiert, dabei mitzumachen –, nur Bayern zugestimmt hat, während alle anderen Bundesländer derzeit aber auf der Bremse stehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier stehen wir alle in der Pflicht. Wer sich schon auf Landesebene nicht durchsetzt oder nicht die richtige Philosophie umsetzen will, der wird natürlich auch bei einem so großen Projekt wie der Schaffung eines Teilhabegesetzes nicht vorneweg gehen. Ich appelliere an uns alle, die Ministerpräsidenten in den jeweiligen Bundesländern aufzufordern, zügig eine Regelung für die Entschädigung missbrauchter behinderter Heimkinder auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Etwa 1 Million schwerbehinderter Menschen arbeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt; zwei Drittel dieser 986 000 Menschen in privaten Unternehmen. 300 000 sind in Werkstätten tätig. Die Ausgleichsabgabe umfasst ein Gesamtvolumen von 531 Millionen Euro im Jahr. Davon werden etwa 167 Millionen Euro von den Unternehmen abgerufen, um die Finanzierung der behindertengerechten Umgestaltung von Arbeitsplätzen sicherzustellen. Eine Umfrage des Handelsblattes hat nun ergeben, dass offenkundig jedem vierten Unternehmer die Möglichkeit, Finanzhilfen aus dem Ausgleichsfonds zu erhalten, nicht bekannt ist. Es ist schon merkwürdig, dass ich als Unternehmer weiß, dass ich bezahlen muss, wenn ich die Quote nicht erfülle, aber nicht weiß, dass ich aus dem Fonds Geld entnehmen kann, damit ich im eigenen Betrieb für Barrierefreiheit sorgen kann, um damit motivierte Beschäftigte an mein Unternehmen zu binden.

Deshalb ist die Aufklärungsarbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt so wichtig; denn schwerbehinderte Menschen im Unternehmen sind ein großes Potenzial, das es auszubauen gilt. Darauf hinzuweisen, ist eine ganz wichtige Maßnahme, die wir uns auch am heutigen Tag ins Gedächtnis rufen sollten. Es darf keine Unternehmen ohne Barrierefreiheit geben. Viele finanzielle Hilfen sind möglich, um schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Es muss nur bekannt gemacht werden, dass es sie gibt. 82 Prozent der Unternehmer, die schwerbehinderte Menschen beschäftigen, sagen – so das Handelsblatt –: Es gibt keinen Leistungsunterschied zu anderen Beschäftigten; es handelt sich vielmehr um motivierte, qualifizierte und hochproduktive Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. – Das sollte auch den anderen Unternehmen eine Lehre sein, ihre Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung menschengerecht umzugestalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich möchte an dieser Stelle den Zehntausenden von Schwerbehindertenvertretern gratulieren, die in diesen Tagen ihre Ämter neu übernehmen. Bis Ende November wurden die Schwerbehindertenvertreterwahlen durchgeführt. Die Schwerbehindertenvertreter sind für die soziale Struktur der Unternehmen wichtig und besitzen viel Kompetenz. Sie wissen, wie man aus dem Ausgleichsfonds Gelder für die Ausgestaltung menschengerechter Arbeitsplätze abruft, sie wissen, wie man auch chronisch Kranke im Unternehmen halten kann, sie wissen, wie man Frühverrentungen vermeiden kann, wie man das Erwerbspotenzial in den Unternehmen sichert. Sie leisten eine starke, eine wichtige Aufgabe in den Betrieben und Verwaltungen. Deshalb noch einmal: Gratulation an alle neu gewählten Schwerbehindertenvertreter in Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zum Schluss möchte ich das Thema Einkommen und Vermögen ansprechen. Die Vermögensgrenze in Höhe von 2 600 Euro ist 15 Jahre alt. Es muss auch ein Recht auf ein Sparbuch geben. Wenn wir ein modernes Teilhaberecht miteinander entwickeln wollen, gehört diese Regelung auf den Prüfstand. Hier müssen wir einen großen, einen guten Schritt nach vorne machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Teilhabe bedeutet neue Perspektiven, gute Perspektiven für jeden einzelnen Menschen, aber auch für unsere Gesellschaft. Deshalb ist es gut, dass wir heute diese Debatte miteinander führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Corinna Rüffer, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4216158
Wahlperiode 18
Sitzung 72
Tagesordnungspunkt Vereinbarte Debatte Internationaler Tag der Menschen mit Behinderungen
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