Heinz RiesenhuberCDU/CSU - Forschungs- und Innovationspolitik
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielen Dank für die freundliche Gratulation; aber die Musikalität ist nicht die beste Eigenschaft des Parlaments.
(Heiterkeit – Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)
Das war jetzt leichtsinnig.
Herr Claus hat hier in freundlicher Weise darauf hingewiesen, es sei eine Anmaßung der Bundesregierung, darüber zu sprechen, auf dem Weg zur Spitze zu sein; er hat es in schönen Varianten ausformuliert. Herr Claus, Churchill hat einmal vor längerer Zeit gesagt: Setzt keine kleinen Ziele! They do not have the magic to stir the people’s minds. – Sie haben nicht die Magie, die Herzen der Menschen zu bewegen. – Wenn wir also keine großen Ziele setzen, werden wir nur Kleines erreichen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Der Wille, wirklich gut zu sein und sich der Konkurrenz der Besten zu stellen, ist die Voraussetzung dafür, dass man überhaupt eine Chance hat, voranzukommen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Hans-Joachim Schabedoth [SPD])
Insofern wünsche ich der Linken einen fröhlichen Geist voller Tatkraft, Mut und Unternehmungsfreude und eine fröhliche Entschlossenheit, das Beste für unser Land zu erreichen.
(Roland Claus [DIE LINKE]: Das können wir mal annehmen! – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Wir fangen in Thüringen an!)
Wie haben wir die Hightech-Strategie angelegt? Lassen Sie uns einen Moment über das Geld reden; denn Geld ist in gewisser Weise die Voraussetzung für den Erfolg. Seit 2006 haben wir die Jahresausgaben für Forschung um 60 Prozent gesteigert; heute liegen sie bei 14,5 Milliarden Euro. So eine Steigerung gab es noch nie, und sie hat uns gutgetan.
Nun sagt hier Frau Sitte, die Geisteswissenschaften seien im Rahmen der HT-Strategie ein bisschen unterfinanziert. Liebe Frau Sitte, Denken ist erstaunlich billig, gell?
(Heiterkeit bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wenn ich es damit vergleiche, was es kostet, das CERN oder eine Raumstation zu errichten, dann komme ich zu dem Schluss, dass man mit wenig Geld weit kommt, wenn man die richtigen Köpfe und die angemessene Begeisterung hat. Daran wollen wir arbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Dann können Sie die Leute auch angemessen bezahlen!)
Insofern ist die Hightech-Strategie eine kluge Integration aus den unterschiedlichen Welten der technischen Entwicklung, der Betrachtung der gesellschaftlichen Folgen, der Integration in ein Gesamtsystem, aber auch ein erstaunlich harmonisches Zusammenspiel der verschiedenen Ministerien, die durchaus in Eigenständigkeit – einer hat darauf hingewiesen –, aber in dem gleichen Geist, der unsere Bundesregierung auszeichnet, mit der gleichen Strategie und mit dem gleichen Verständnis unserer Zukunft und der Aufgaben, die auf uns zukommen, die Arbeit anlegen.
Wir haben seit 2006 ungefähr 50 Milliarden Euro, wenn man alles einbezieht, in die Maßnahmen der Hightech-Strategie investiert. Das war vernünftig investiertes Geld, wie die Erfolge zeigen, die ich jetzt im Einzelnen nicht beschreiben will; denn da sind wir uns alle einig. Unsere Wirtschaft schlägt sich tapfer, die technikgeprägten Bereiche sind erfolgreich, die wissensbasierten Dienstleistungen werden stärker, auf den Weltmärkten stehen wir gut da. Das heißt, wir haben hier eine gute Lage.
In dieser Lage ist die HT-Strategie eben die Zusammenfassung. Die HT-Strategie war bis etwa 2010 ein Heraussuchen der zukunftsfähigsten, marktfähigsten Bereiche und hatte das Ziel, diese zu fördern und der Wirtschaft zu helfen – eine gute Sache. Seit 2010 bis heute ist das weiterentwickelt worden. Jetzt denken wir mehr vom Ziel her.
Die Hightech-Strategie ist nicht alles. Wir haben die Grundlagenforschung; sie läuft außerhalb und unabhängig von der Hightech-Strategie. Sie ist nicht getragen von Zielen, sondern von der Neugierde, von der Leidenschaft der Forscher. Die Grundlagenforschung ist ein starkes Element, das wir mit steigenden Raten gefördert haben.
Aber die Hightech-Strategie denkt jetzt von den Zielen her: Was brauchen wir, damit für eine wachsende Menschheit ein humanes Leben möglich wird? Was brauchen wir, damit unsere Natur erhalten bleibt? Was brauchen wir, damit in den Städten Wohnen und Arbeiten zusammenpassen, damit wir eine klimaneutrale Stadt entwickeln? Damit definieren wir die Fragen, die wir angehen aus dem unendlichen Sternenhimmel des Wissens heraus, aus dem wir das heraussuchen, was diesen Zielen dient,
(Zuruf von der SPD: Aha!)
und zu einer Strategie zusammenführen, begleitet von den leidenschaftlich engagierten Geisteswissenschaftlern, die uns immer sagen, was gut sei.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Daraus entsteht eine Strategie, die weit über eine klassische Forschungsstrategie hinausgeht. Es entsteht der Entwurf einer neuen Wirklichkeit, der sich immer wieder zurückkoppelt an die gesellschaftliche Diskussion, an die Diskussion mit den Wissenschaftlern, an die Diskussion mit der Wirtschaft, mit den Gewerkschaften, mit den unterschiedlichen Organisationen. Natürlich koppelt er sich auch zurück an die Diskussionen im Bundestag; denn das ist die hervorragendste Quelle von geistiger Prägekraft und machtvoller Entschlossenheit des Wissens, von Verständnis für die Wirklichkeit, des Zusammenführens der unterschiedlichen Tendenzen zu einer einzigen entschlossenen Strategie. Dazu ist diese Debatte ein glanzvoller Beitrag.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Dabei sind wir uns natürlich alle darüber im Klaren, dass wir hier – das ist eine wichtige Debatte – durchaus noch Bereiche haben, bei denen wir enorme Potenziale zu heben haben. Frau Wanka wies selbst darauf hin, dass die Forschungsleistungen der mittelständischen Unternehmen nicht so gewachsen sind, wie man es angesichts der Unterstützung erwarten konnte. Beim Mittelstand gibt es aber auch Erfreuliches. So ist die Zahl der mittelständischen Unternehmen, die mit Universitäten, mit Hochschulen zusammenarbeiten, im Rahmen der ZIM-Förderung von 17 Prozent auf 43 Prozent gestiegen. Hier entwickeln sich Strukturen. Das geht mir nicht schnell genug. Wir arbeiten schon lange daran. Das ist der Wandel einer Kultur. In den Universitäten muss man noch genauer lernen – darauf ist hingewiesen worden; ich glaube, Herr Albani sprach darüber –, wie man mit Erfindungen umgeht.
Freunde, die Hochschulen haben im letzten Jahr 620 Patente angemeldet, die deutsche Wirtschaft insgesamt 47 000 Patente. Wir haben hier noch Potenzial nach oben. Relativ gerechnet liegt der Anteil der Hochschulpatente in den USA bei einer anderen Zehnerpotenz. Das heißt also: Wir haben Chancen, es gibt Entwicklungsmöglichkeiten. Daran arbeitet das Programm SIGNO, das Sie, Frau Wanka, auf den Weg gebracht haben, daran arbeiten die TechnologieAllianz und die Patentverwertungsagenturen. Aber es geht doch auch um die Frage der Entwicklung einer Kultur, der Entwicklung einer Leidenschaft für eine Wirklichkeit jenseits dessen, was man hier als primäre und unmittelbare wissenschaftliche Aufgabe sieht.
Wir haben zu wenig Mädels, die in der Oberstufe Physik als Wahlfach nehmen; die EFI weist darauf hin.
(Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Immerhin gibt es mehr Abiturientinnen als Abiturienten!)
Es gibt zu wenige Frauen, die MINT-Fächer studieren. Der Unterschied bei den Einkommen von Frauen und Männern wird sich dann ändern, wenn mehr Frauen als Ingenieure arbeiten und weniger in einem anderen wichtigen Beruf.
Bei der Gründung von Unternehmen können wir noch riesige Potenziale heben. In den letzten Jahren ist das ein bisschen vor sich hingedümpelt. In den letzten Jahren gab es besonders im Hightechbereich nicht die Dynamik, die wir hätten haben können.
Wir stellen die Zuschüsse für Business Angels steuerfrei. Gut, wir haben zwar enorme Fonds, die spezifisch unterschiedlich sind – den High-Tech Gründerfonds, EXIST, GO-Bio –, aber jetzt müssen wir schauen – im Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, gesetzliche Rahmenbedingungen für Wagniskapital zu verbessern –, dass wir die privaten Wagniskapitalgeber dazu bringen, in junge Unternehmen, in junge Technik zu investieren; denn die Privaten kämpfen für ihr Geld, gell? Nichts ist so reizvoll, als erfahren zu müssen, dass das Geld gleich weg ist, gell?
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist eigentlich nicht reizvoll!)
Dann kämpft man. In einer solchen Situation wird auch der beste Beamte tendenziell entspannter sein.
(Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause – Beifall bei Abgeordneten der CDU/ CSU)
Es liegen viele Aufgaben vor uns: im Bereich Internet, Datenschutz, in Bezug auf das neue Telekommunikationsgesetz. Die Frage ist: Inwieweit werden wir Netzneutralität ermöglichen können, damit das Internet offen für Innovationen bleibt? Es gibt viele konkrete Möglichkeiten, Deutschland noch weiter voranzubringen. Aber ein Punkt scheint mir sehr wichtig. Es hat mich gefreut, dass es in der HT-Strategie ein Kapitel gibt, das die schöne Überschrift trägt: „Transparenz und Partizipation“. Also, die Überschrift gefällt mir nicht so gut. Denn das ist ziemlich lateinisch, und wir sollten eigentlich in Menschensprache sprechen, wenn wir um Vertrauen bei den Menschen werben wollen, gell?
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Herr Kollege.
Aber immerhin steht dahinter eine Idee, nämlich die Idee, dass wir überhaupt nur dann erfolgreich sein werden – nicht, wenn wir viel Geld in die Hand nehmen, nicht, wenn wir rein statistisch in technischer Hinsicht im internationalen Vergleich immer besser werden; nein –, wenn wir die Menschen mitnehmen können, wenn die Menschen verstehen und Freude an Technik haben, wenn die Wissenschaftler so reden, dass die Menschen daran glauben, dass das, was gesagt wird, nicht nur vernünftig ist, sondern vielleicht sogar wahr.
Herr Kollege Riesenhuber, könnten Sie gelegentlich einen Blick auf die Uhr werfen?
(Volker Kauder [CDU/CSU]: Warum denn? Er macht es doch gut!)
Das irritiert mich nur.
(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)
Das habe ich mir wohl gedacht.
Nach diesem zarten Hinweis des Präsidenten, den ich an diesem festlichen Tag in einer harmonischen Debatte aufnehme, möchte ich eines festhalten: Wenn wir die Menschen in der gleichen Fröhlichkeit mitnehmen, mit der wir heute über alle Parteien hinweg im Deutschen Bundestag mit unterschiedlichen Standpunkten, aber mit dem gleichen Ziel, das Beste für Deutschland zu erreichen, diskutieren, wenn wir sie mitnehmen in dem Wissen, dass das, was wir machen, vernünftig ist, mit fröhlichem Geist und der Entschlossenheit für das Ziel, und wenn wir dann jenseits jeder Strategie gemeinsam aufbrechen, dann werden wir in einem fröhlichen Volk erfolgreich arbeiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wird Ihnen möglicherweise ähnlich gegangen sein wie mir: Ich habe zwischenzeitlich gedacht, wir könnten viel Redezeit sparen, wenn wir bei bestimmten Tagesordnungspunkten den Kollegen Riesenhuber bäten, diesen Punkt zu erläutern, mögliche Einwände als gut begründet, aber erfreulicherweise gegenstandslos darzustellen,
(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bitte?)
um am Ende dem Parlament eine glanzvolle Debatte zu bestätigen.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Das vielleicht auch als Anregung an die Parlamentarischen Geschäftsführer für die Gestaltung weiterer Tagesordnungspunkte.
Nun bekommt als krönender Höhepunkt dieser Debatte der Kollege Rainer Spiering das Wort.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Rainer, die Latte liegt jetzt hoch!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4220966 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Forschungs- und Innovationspolitik |