04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 5

Ole SchröderCDU/CSU - Aufnahme von Flüchtlingen

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Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der hier vorliegende Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betrifft ein Thema, dem sich die Bundesregierung seit Ausbruch der Krise in Syrien intensiv widmet. Es ist nicht übertrieben, wenn ich sage, dass sich Deutschland der Sache der syrischen Flüchtlinge annimmt wie kaum ein anderes Land außerhalb der Krisenregion. Das gilt sowohl für die dringend notwendige und daher vorrangige Hilfe vor Ort als auch für die Flüchtlingsaufnahme. Unsere Experten im Bundesinnenministerium, im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, beim THW, im Auswärtigen Amt sowie in den betroffenen deutschen Botschaften tun alles, damit die Unterstützung für die von dem schrecklichen Krieg betroffenen Menschen in Syrien, im Irak und in der gesamten Krisenregion so effektiv wie möglich ist und die Hilfe auch wirklich ankommt.

Deutschland wird allen Betroffenen in der Krisenregion weiterhin helfen. Schwerpunkt dieser Hilfe wird auch künftig die konkrete Unterstützung der Bemühungen der Erstaufnahmestaaten und der internationalen Organisationen vor Ort sein. Derzeit liegen die deutschen Hilfsleistungen für die Hilfe vor Ort bei 800 Millionen Euro. Deutschland ist damit eine der Nationen, die mit am meisten geben.

Seit Ausbruch des Konflikts sind rund 60 000 syrische Staatsbürger als Asylbewerber nach Deutschland gekommen und haben bei uns Schutz gefunden. Jeden Monat werden es mehr. Daneben nimmt Deutschland mit humanitären Aufnahmeprogrammen aktiv Menschen aus Syrien und der Region auf. Mit den gesamten Aufnahmekapazitäten dieses Aufnahmeprogramms stellt Deutschland drei Viertel aller Plätze zur Verfügung. Insgesamt haben seit Ausbruch des Konflikts rund 75 000 syrische Staatsangehörige Schutz in Deutschland gefunden, meine Damen und Herren.

Natürlich werden jetzt vielfach höhere Aufnahmequoten gefordert. Auch wenn es gut gemeint ist, ist es mit der Ankündigung von Kontingenten nicht getan. Die Flüchtlinge müssen in einem überschaubaren Zeitraum und einem nachvollziehbaren Verfahren ausgewählt und aufgenommen werden. Die Aufnahme in Deutschland kann nur dann einen echten Mehrwert bedeuten, wenn wir diejenigen finden, die unseren Schutz am meisten brauchen. Zudem müssen sich Menschen entscheiden, diese Region zu verlassen und einen völlig neuen Kulturkreis zu betreten. Wer die Krisenregion einmal bereist hat, der weiß, dass viele diesen Schritt scheuen. Die meisten wollen vor Ort bleiben. Das gilt übrigens auch für zahlreiche Personen, die von ihren Verwandten für die Aufnahme in Deutschland angemeldet wurden. Das ist eine Erfahrung aus den laufenden Verfahren.

Wenn wir hier einen qualitativen Mehrwert erzielen wollen, müssen wir mit Bedacht vorgehen. Familien mit Kindern, Menschen, die eine spezielle medizinische Behandlung benötigen, Menschen, die bereits Bindungen nach Deutschland haben oder sonst in besonderem Maße von einer Aufnahme profitieren, müssen wir ausfindig machen. Ich glaube, bisher ist uns das recht gut gelungen. Unsere Programme finden jedenfalls auf internationaler Ebene allergrößte Beachtung und Lob, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mehr davon!)

Am 9. Dezember, also am kommenden Dienstag, findet endlich die durch den Bundesminister des Innern erstmals im März 2013 und in der Folge immer wieder eingeforderte Pledging-Konferenz des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen zugunsten syrischer Flüchtlinge statt. Wir haben in den vergangenen Wochen und Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, unsere Partner inner- und außerhalb Europas immer wieder darauf aufmerksam zu machen, dass das notwendig ist. Wir brauchen diese Pledging-Konferenz, um ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen, damit es zu einer wirklichen Entlastung in der Region kommt;

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

denn das fördert auch die Bereitschaft der Anrainerstaaten, ihre Tore für weitere Flüchtlinge aus Syrien offen zu lassen.

Der UNHCR wirbt darum, verschiedene Zugangswege in Staaten außerhalb der Krisenregion für syrische Flüchtlinge zu eröffnen, um die Zahl derjenigen, die die Region verlassen können, auch außerhalb des klassischen Resettlements oder der schnelleren humanitären Aufnahmeverfahren zu erhöhen. Deutschland vollzieht diesen Schritt bereits. Neben dem humanitären Aufnahmeprogramm des Bundes mit 20 000 Aufnahmeplätzen haben die Bundesländer durch ihre Programme bereits mehr als 10 000 Aufnahmeplätze geschaffen, und die Programme laufen weiter.

Ferner hat Deutschland jüngst ein mehrjähriges Maßnahmenpaket für syrische Studierende aufgelegt. In diesem Rahmen werden dem DAAD insgesamt 7,8 Millionen Euro für Stipendiaten zur Verfügung gestellt, mit dem syrische Studierende ihr Studium in Deutschland absolvieren oder fortsetzen können. Das Programm trägt den Namen „Leadership for Syria“ und richtet sich an syrische Flüchtlinge sowohl in der Region als auch in Deutschland. Das Bewerbungsverfahren läuft; die ersten Stipendiaten sollen im Frühjahr 2015 ihr Studium aufnehmen.

Meine Damen und Herren, wir dürfen eines nie vergessen: Trotz aller Anstrengungen, die wir im Rahmen der Aufnahmeprogramme auf uns nehmen, erreichen wir die Masse der Flüchtlinge nur in der Region selbst. Wir können deren Leid nur dann wirklich lindern, wenn wir vor Ort helfen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Rüdiger Veit [SPD]: Beides!)

Dort können wir mit dem Geld am meisten tun. Alles andere, etwa die Aufnahmeprogramme, können nur für besonders Schutzbedürftige gelten und für solche Menschen, die besondere Beziehungen nach Deutschland haben.

Wichtig ist die Hilfe vor Ort. So hilft beispielsweise das Technische Hilfswerk bilateral in den Flüchtlingslagern in Jordanien und Nordirak bei der Sicherstellung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung und beim Errichten weiterer Infrastruktur. Auch andere EU- Partner helfen. Aber hier sollte viel mehr geschehen. Im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens kann erheblich mehr an Hilfe geleistet werden. Die Europäische Kommission hat angekündigt, aufgrund neuer Bedarfserhebungen erneut an die Mitgliedstaaten heranzutreten. Es geht auch darum, beim Wiederaufbau zu helfen. Im Nordirak gibt es Binnenvertriebene, die in ihrem Heimatland Schutz finden und sobald wie möglich in ihre alten Wohngebiete zurückkehren wollen. Die Hilfsorganisationen wie auch die Bundesregierung konzentrieren sich hier auf die Hilfe vor Ort. Flüchtlingsaufnahmen in Deutschland kommen daher lediglich in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.

Wenn wir über Flüchtlingsschutz sprechen, geht es darum, dass die Menschen Schutz in einem sicheren Staat finden. Wer bereits in Europa um Asyl nachgesucht hat, fällt unter die in Europa geltenden Regeln. Das gilt auch für Syrer und Iraker. Es ist nicht nachvollziehbar, hier Ausnahmen vorsehen zu wollen. Im Rahmen des Dublin-Verfahrens wird das Vorhandensein familiärer Bindungen für alle Asylbewerber gleichermaßen berücksichtigt.

(Ulla Jelpke [DIE LINKE]: Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein!)

Insofern, liebe Frau Amtsberg, ist der Vorwurf, den Sie hier erhoben haben, dass dies im Dublin-Verfahren nicht berücksichtigt wird, nicht richtig; das entspricht nicht der Praxis.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie ja auch zustimmen!)

Ich will damit nicht sagen, dass Behörden keine Fehler machen.

(Luise Amtsberg [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es geht nicht um Fehler! Es geht darum, denen das zu sagen!)

Wir müssen darauf achten, dass die familiären Bindungen berücksichtigt werden. Aber das geben die gesetzlichen Regelungen bereits her.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Auch die Forderung nach einer Erleichterung des Familiennachzugs wird zu einem beträchtlichen Teil durch unseren Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung bereits erfüllt sein. Wir werden den Status für subsidiär Schutzberechtigte erheblich aufwerten und ihn an die Regelungen für die Flüchtlinge gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention anpassen. Insofern ist dieser Punkt berücksichtigt. Diese Personen können dann selbstverständlich ihre Familien nachholen. Das ist uns sehr wichtig.

Für die durch das Bundesaufnahmeprogramm berücksichtigten Personen gilt das bereits. Wir legen natürlich größten Wert darauf, dass die gesamte Familie, nicht nur ein Teil davon, nach Deutschland kommt. Wo das nicht gewährleistet ist, weil die Familie sich nicht zusammen an einem Ort aufhält, berücksichtigen wir das im Nachhinein. Wir sind da sehr flexibel und ermöglichen in Zusammenarbeit mit der Botschaft, dass die Familien zusammenbleiben können. Daran haben wir selbst ein großes Interesse.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was den Abschiebestopp betrifft, ist es, denke ich, auch eine Selbstverständlichkeit, dass wir nicht nach Syrien abschieben. In Einzelfällen ist in den Nordirak – in sichere Herkunftsgebiete – abgeschoben worden. Es ist klar: Das muss in besonderen Ausnahmefällen möglich sein, insbesondere, wenn es sich um Kriminelle handelt. Das ist geltende Rechtslage. Davon wollen wir auch im Fall des Irak nicht Abstand nehmen. Unsere Gesetze nehmen den besonderen humanitären Schutz in den Blick.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung zeigt Solidarität und stellt sich ihrer internationalen Verantwortung in der aktuellen Flüchtlingskrise. Was wir machen, ist nicht nur gut gemeint, sondern ist auch im Vollzug gut gemacht. Dafür danke ich allen Beteiligten, die hier, aber vor allen Dingen auch vor Ort Verantwortung übernehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Danke, Herr Dr. Schröder. – Nächste Rednerin ist Petra Pau für die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4221042
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Aufnahme von Flüchtlingen
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