04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 9

Manuela Schwesig - Ausbau der Kindertagesbetreuung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Wie Familien in unseren Städten und Gemeinden leben, entscheidet sich vor Ort: ob es überhaupt einen Kitaplatz gibt, ob es einen guten Kitaplatz gibt, ob es gute Ganztagsschulen sowie Freizeitangebote gibt, wie es mit der Schwimmhalle aussieht, ob sie baufällig ist oder vielleicht gerade saniert wurde.

Wir alle wissen aus unserer eigenen politischen Tätigkeit vor Ort, dass es viele Kommunen schwer haben. Deshalb ist es gut und richtig, dass die Bundesregierung mit diesem Gesetz eine große Finanzspritze für die Kommunen gibt: auf der einen Seite eine Entlastung um 1 Milliarde Euro und auf der anderen Seite zusätzliche Hunderte Millionen Euro für den weiteren Kitaausbau. 1 Milliarde Euro, sehr geehrte Abgeordnete, ist keine Kleinigkeit, sondern eine wichtige Geldspritze, und jeder von uns, der die Not vor Ort kennt, weiß, dass die Kommunen dringend darauf warten. Deshalb ist es gut, dass wir das jetzt zügig auf den Weg bringen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Wie Herr Abgeordneter Alois Rainer sagte, übernimmt der Bund die Kosten für die Grundsicherung im Alter vollständig. Natürlich gibt es immer noch weitere Forderungen, aber ich finde, man muss die Kirche im Dorf lassen. Ich habe zehn Jahre lang Kommunal- und Landespolitik gemacht. Was jetzt der Bund an Entlastungen auf den Weg bringt – heute eine Finanzspritze von 1 Milliarde Euro und Aufstocken des Sondervermögens „Kinderbetreuungsausbau“ nach Bereitstellung von 4 Milliarden Euro für die Grundsicherung im Alter und 1 Milliarde Euro pro Jahr für Bildungsausgaben –, das sind doch keine Peanuts, sondern das sind richtig große Beträge, die wir aus dem Bundeshaushalt „ausschwitzen“ müssen, ohne neue Schulden zu machen. Das ist kein Mosaiksteinchen, sondern ein Gesamtpaket der Generationengerechtigkeit: Investitionen in Kinder und Bildung und auf der anderen Seite schuldenfreier Haushalt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

In meiner Heimatstadt Schwerin – übrigens eine sehr verschuldete Kommune – gibt es keine Zwei-Klassen-Kitas, sondern es gibt für alle Kinder gute Kitas. Das kann ich bestätigen, weil mein Sohn in die Kita ging und nun ziemlich relaxed den Schulübergang geschafft hat. Ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass es in Kommunen, die wenig Geld haben, Kitas zweiter Klasse gibt. Aber sie brauchen natürlich finanzielle Unterstützung. Das beschließen wir heute.

In meiner Heimatstadt wurde in der letzten Woche die zweite 24-Stunden-Kita eröffnet. Die Kinder gehen nicht 24 Stunden am Tag in eine Kita; das will ich vorausschicken. Diese Kita hat rund um die Uhr an allen Tagen im Jahr geöffnet. Das ist gerade für Eltern, die im Schichtdienst arbeiten, sehr wichtig, weil sie sich die Arbeitszeiten nicht aussuchen können. Die Notfallaufnahme im Krankenhaus beispielsweise muss bereitstehen, da muss die Ärztin Schichtdienst machen. Bei dieser Kita bewerben sich Paare um einen Platz, die Polizisten oder Altenpfleger sind, also aus Dienstleistungsbereichen kommen, in denen Randzeiten abgedeckt werden müssen. Diese Kita ist unter anderem auch aus Bundesmitteln gefördert worden. Wir wissen, dass wir mehr solcher Ganztagskitas – nicht mit einer Betreuung rund um die Uhr, aber mit einer Ganztagsbetreuung – im Land brauchen. Deshalb ist es gut, dass der Bund mit dem heutigen Gesetz auch das Sondervermögen „Kinderbetreuungsausbau“ für diese Legislatur auf 1 Milliarde Euro aufstockt, um weitere Kitaplätze, vor allem Ganztagsplätze, zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich werde Ihnen in der nächsten Zeit den Fünften Zwischenbericht zum Kinderförderungsgesetz vorlegen und darf Ihnen heute schon sagen: Aus den Daten geht hervor, dass 90 Prozent der Eltern mit der Betreuung ihrer Kinder und dem Angebot in Kitas zufrieden sind. Das ist eine gute Zahl. 25 Prozent der Eltern finden allerdings, dass es in Kitas bessere Lernangebote geben sollte. Wir wissen von den Jugendämtern auch, dass noch nicht jedem Elternteil sofort ein Kitaplatz zur Verfügung gestellt werden kann, obwohl es einen Rechtsanspruch darauf gibt. So schrieb mir zum Beispiel eine 62-jährige Frau über ihre beiden Töchter, dass beide studiert haben, beide gute Jobs haben, und beide jetzt Kinder haben. Die Mutter ist, wie ich finde, zu Recht stolz: Die beiden haben alles richtig gemacht. Aber sie bekommen keine Ganztagsplätze für ihre Kinder. Jetzt springen Oma und Opa ein. Sie geben frühzeitig ihren Job auf, um die Betreuung der Enkel zu übernehmen. Ich glaube, dass wir einerseits gar nicht wollen, dass Leute deswegen vorzeitig aus ihrem Job aussteigen – für die Leute nicht, aber auch wegen des Fachkräftemangels nicht. Andererseits wissen wir: Nicht jeder hat Oma und Opa, die das leisten können. An diesem Beispiel sehen Sie, dass es eben nicht so ist, wie einige denken: „Wir haben doch so viel für den Kitaausbau getan, das muss doch jetzt genug sein“, sondern dass es weiterhin Bedarf in unserem Land gibt, dass junge Mütter und junge Väter mehr Kitaplätze, vor allem Ganztagsplätze, brauchen. Das bringen wir heute auf den Weg mit dem neuen Kitagesetz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Richard Pitterle [DIE LINKE])

Das Kitagesetz ermöglicht eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Wir leisten damit auch ganz konkrete Armutsbekämpfung; denn gerade die alleinerziehenden Frauen, die langzeitarbeitslos sind, können oft deshalb nicht arbeiten und ein eigenes Einkommen haben, weil ihnen ein Ganztagsplatz fehlt. Unsere Gesamtevaluation der Familienleistungen hat gezeigt: Durch ein gutes Kitaangebot wird die Armutsquote um bis zu 7 Prozent reduziert. Insofern ist das alles wichtig für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, für die Armutsbekämpfung, aber eben auch für die frühkindliche Bildung von Kindern; denn hier wird auch ein Sprachförderungsangebot gemacht, das für die Kinder wichtig ist. Das ist ein Gesetz, in dem eine ganze Menge Wertvolles für unsere Kinder steckt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es wird zu Recht angesprochen, dass neben der Zahl der Plätze, die es geben muss, auch die Qualität stimmen muss. Deshalb ist es gut, dass wir erstmalig in einem Gesetz auch qualitative Standards setzen. Wir ermöglichen zum Beispiel, dass mit diesem Geld Ganztagsplätze geschaffen werden, aber auch Ausstattungsinvestitionen getätigt werden können. So können zum Beispiel Küchen gebaut werden, um eine gesunde Ernährung anbieten zu können. Wir stellen Geld zur Verfügung für Sprachförderung, und wir wollen den Ganztagsausbau vor allem auch vor dem Hintergrund der Inklusion voranbringen. Das alles ist ganz wichtig.

Ich bin sehr froh, dass Professor Rauschenbach, der Direktor des Deutschen Jugendinstituts, erst kürzlich bestätigt hat, dass die Qualität unter dem Kitaausbau nicht gelitten hat. Die Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts besagt sogar, dass der Personalschlüssel sich leicht verbessert hat und auch das Qualifikationsniveau des Personals nicht gesunken ist. Dennoch ist es wichtig, dass wir uns, so wie es auch im Koalitionsvertrag verankert ist, weiter Gedanken über qualitative Verbesserungen machen, weil die Herausforderungen im Kitabereich immer weiter steigen.

Deshalb bin ich froh, dass es erstmalig gelungen ist, dass alle Länder und der Bund sich gemeinsam zu einem Qualitätsdialog verabredet haben. Wir wollen gemeinsam beschreiben, was wichtige Qualitätsziele sind und wie sie finanziert werden können. Das ist ein Prozess, der jetzt begonnen hat. Etwas Vergleichbares – ich habe es selbst fünf Jahre lang als Landesministerin erlebt – gab es bisher nicht. Da die Grünen vermutlich gleich in das gleiche Horn blasen werden: Es gibt ein Land, das dieses Kommuniqué nicht unterschrieben hat, das ist ausgerechnet Hessen, wo Sie an der Regierung beteiligt sind. Wenn Sie also bei den Vorschlägen zu Qualitätsverbesserungen glaubwürdig sein wollen, dann tun Sie auch selber etwas.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich will an dieser Stelle sagen: Ich bin sehr dankbar, dass alle Länder mitziehen und dass auch die Kommunen mit an Bord sind. Ich glaube, das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die man nur auf allen drei Ebenen gemeinsam stemmen kann. Es ist wichtig, dass wir in unserem Land mit dem Ausbau guter Ganztagskitas weiter vorankommen, Kitas, die qualitativ stimmen. Wir wollen auch nicht auf die Ergebnisse dieses Dialogs warten, sondern wir wollen parallel etwas tun. Der Bund wird ab 2015 den dauerhaften Betrieb – hier geht es um die laufenden betrieblichen Kosten – mit Mitteln in Höhe von jährlich 845 Millionen Euro unterstützen. So viel Geld haben wir noch nie dafür bereitgestellt. Dann kommen noch die 100 Millionen Euro für 2017 und 2018 on top drauf. Der Bund hat sich noch nie so stark an laufenden Kosten und damit an den Kosten für Personal und Qualität beteiligt. Das ist ein wichtiges Signal und gut angelegtes Geld.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Chancengleichheit für Kinder ist ein Punkt, der für mich ganz besonders wichtig ist. Diese Chancengleichheit fängt auch in der Kita an. Deshalb ist es gut und richtig, dass der Bund mit jährlich über 100 Millionen Euro die Sprachförderung unterstützt, insbesondere auch in Brennpunktkitas. Ich bin froh, dass wir neben den erwähnten Mitteln dieses Geld noch zusätzlich zur Verfügung stellen, sodass die Sprachförderung, die schon gut vor Ort läuft – ich weiß, dass sich viele Abgeordnete dafür einsetzen –, weiter stattfinden kann. Das ist eine wichtige Unterstützung; denn alle Kinder sollen unabhängig von der familiären und der finanziellen Situation die beste Bildung bekommen. Die Bildung fängt in den Kitas an.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als nächster Rednerin erteile ich das Wort der Abgeordneten Ekin Deligöz, Bündnis 90/Die Grünen.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4221476
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Ausbau der Kindertagesbetreuung
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