04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Zusatzpunkt 4

Barbara HendricksSPD - Aktuelle Stunde zu den Klimaschutzzielen 2020

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gefragt, ob die Grünen wohl heute noch glücklich sind, dass sie diese Aktuelle Stunde beantragt haben.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind wir! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind zutiefst traurig über das komische Maßnahmenpaket!)

Ich habe dann gedacht: Möglicherweise nutzen sie sie als Chance, um aus dem nörgelnden Abseits herauszukommen, in das sie sich seit gestern begeben haben.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja, genau!)

Bedauerlicherweise haben Sie das nicht vor.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ihre Rede hat mich wirklich enttäuscht, Frau Höhn,

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal, wie die 70 Millionen erbracht werden sollen, Frau Hendricks!)

zumal ich Sie fachlich und als Mensch durchaus schätze. Umso mehr erstaunt es mich, dass Sie wider besseres Wissen erneut das vortragen, was Sie schon gestern vorgetragen haben. Offenbar haben Sie in den vergangenen 24 Stunden nicht die Chance genutzt, sich unser Klimaaktionsprogramm einmal gründlich anzusehen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Offenbar sind Sie auch nicht bereit, das zu akzeptieren, was der Bundeswirtschaftsminister gestern hier in der Befragung der Bundesregierung dem deutschen Parlament gesagt hat,

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Stimmt, dazu sind wir nicht bereit! Das ist richtig! Weil er Quatsch erzählt hat!)

mit der Verbindlichkeit, die die Aussage eines Mitglieds der Bundesregierung vor dem deutschen Parlament hat.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sollen es nicht sagen, sondern machen!)

Seine Aussage war, dass er die Umsetzung bei der Stromerzeugung noch im ersten Halbjahr des nächsten Jahres gesetzlich regeln wird. Das ist auch die Antwort für Sie, Frau Kollegin Bulling-Schröter: Das ist diesem Parlament gestern vom zuständigen Wirtschafts- und Energieminister mitgeteilt worden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die International New York Times hat heute auf der ersten Seite eine Überschrift, die sinngemäß lautet: Deutschland verdoppelt seine Anstrengungen bei der Bekämpfung des Klimawandels. – Das wird sogar in New York wahrgenommen. Aber Ihnen ist das nicht gelungen; Sie sind vielleicht ein bisschen zu nah dran.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die tageszeitung, die normalerweise nicht im Verdacht steht, den Grünen sehr fern zu stehen,

(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte? Also wirklich, Frau Hendricks! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben Sie wohl was verpasst!)

schreibt heute:

Und:

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Die Süddeutsche Zeitung schreibt heute:

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, kleine Ideen! Genau! Ganz kleines Karo ist das! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Sie summieren sich“; viele kleine Dinge summieren sich: Das dürfte auch Ihnen aus der Mathematik bekannt sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der CDU/CSU: Na ja, man darf aber auch nicht zu viel erwarten!)

Bei der Stromerzeugung!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wo denn?)

– Ich werde das jetzt nicht noch einmal sagen.

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber vielleicht können Sie uns ja mal sagen, warum Sie die ganze Zeit nur aus der Zeitung vorlesen!)

Die zusätzlichen 22 Millionen stehen in diesem Programm. Dabei geht man von der Projektion der alten Bundesregierung aus. Der Wirtschaftsminister hat es hier gestern ausdrücklich und mehrfach erläutert; genau so ist es.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß nicht, wie er das erbringen soll! 70 Millionen mal eben! Hallo! – Gegenruf der Abg. Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Dann machen Sie doch mal einen Plan!)

– Tja, es ist in der Tat nicht so einfach. Wir müssen unsere Anstrengungen mehr als verdoppeln. Denn in der Vergangenheit haben wir für den Klimaschutz bzw. zur Erreichung des CO 2 -Minderungsziels von 40 Prozent tatsächlich nicht genug getan.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Exakt!)

In den 90er-Jahren hatten wir etwa 14 Prozent Minderung. Das ist im Wesentlichen durch den industriellen Abbau in der ehemaligen DDR entstanden. Das war nicht im eigentlichen Sinne Klimaschutzpolitik, sondern das ist so geschehen – im Wesentlichen.

(Eva Bulling-Schröter [DIE LINKE]: Genau, ja!)

In den Jahren von 2000 bis heute haben wir etwa 11 Prozentpunkte Minderung hinbekommen. Wir sind jetzt bei 25 Prozent – das haben Sie in der vorigen Woche richtig erkannt, Frau Kollegin Höhn –, und wir würden ohnehin, wenn wir nichts weiter tun würden, im Jahr 2020 zwischen 32 und 35 Prozent erreichen. Diese Lücke von 5 bis 8 Prozent schließen wir jetzt. Diese „Sowieso-Erreichung“ umfasst unter anderem natürlich auch die Projektion der alten Bundesregierung. Es dürfte Ihnen bekannt sein, dass die EVU ungefähr 50 Kraftwerksblöcke zur Stilllegung angemeldet haben – eben weil sich der Energiemarkt so entwickelt, wie er sich entwickelt.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und neue gehen ans Netz! Das ist ein Nullsummenspiel, Frau Hendricks! Das ist Mathematik!)

Wenn 50 Kraftwerksblöcke zur Stilllegung angemeldet werden, wird das doch irgendeine Art von Auswirkung auf den CO 2 -Ausstoß haben; das können doch selbst Sie, Herr Krischer, nicht leugnen. Das wird doch wohl so sein.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Natürlich kommt es darauf an, die Energiewende zum Erfolg zu bringen. Die Energiewende ist ja dazu da, das Klima zu schützen. Wir wollten natürlich alle gemeinsam aus der Atomenergie aussteigen – aus vielen guten Gründen, aber gerade nicht wegen des Klimas; deswegen hätten wir es nicht tun müssen.

(Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Ja, das stimmt! – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch!)

Deswegen ist es doch völlig klar, dass die erneuerbaren Energien an erster Stelle den nicht mehr produzierten Atomstrom klimafreundlich ersetzen. Wir sind im Moment bei 28,5 Prozent Stromproduktion aus erneuerbaren Energien, und es wird, wie wir alle wissen, nach 2022 keine Atomstromproduktion in Deutschland mehr geben. Wir haben uns aber alle vorgenommen, im Jahr 2050 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien zu produzieren. Mit anderen Worten: Den Atomstrom denken wir uns dann mal weg; denn er hört ja 2022 auf, also müssen wir ihn im Jahr 2050 nicht mehr in Rechnung stellen.

Wenn wir also von einem Anteil von 80 Prozent erneuerbarer Energien im Jahr 2050 ausgehen, sieht diese unsere Zielprojektion einen Anteil von 20 Prozent aus fossiler Energie vor; ich weiß jetzt nicht, ob aus Kohle oder Gas; das kann man mit den heutigen Methoden nicht vorhersagen. Das hängt auch davon ab, wie sich der Markt entwickelt. Aber das bedeutet doch, dass es völlig selbstverständlich ist – es ist ein System kommunizierender Röhren –: In dem Maße, wie die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien zunimmt, nimmt die Stromproduktion aus fossiler Energie ab; denn wir haben uns in unserem Wirtschaften – trotz Wirtschaftswachstum – von der Stromproduktion abgekoppelt: Wir verbrauchen weniger Energie, obwohl wir Wirtschaftswachstum haben. Also gehen wir davon aus, dass wir nicht sehr viel mehr Strom brauchen werden als heute. Das wird man annehmen können; denn bisher ist es uns ja gelungen, das voneinander abzukoppeln. Das wird auch unsere Zielrichtung bleiben, dem dienen auch alle Effizienzstrategien. Das liegt auf der Hand und ist auch im Interesse der deutschen Wirtschaft – aus Kostengründen und um bei der Technologie weiter voranzukommen.

Wenn dies also so ist, dann haben wir doch ein gemeinsames Interesse daran, im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Unternehmen, die in der Energieversorgung tätig sind, diesen Pfad so zu beschreiben, dass es nicht zu Brüchen kommt – weder aus der Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder deren Unternehmen noch bei der Versorgungssicherheit.

(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Je mehr Zeit wir dafür haben, umso besser! Nicht zu spät damit anfangen!)

Darum geht es doch: diese nächsten 35 Jahre gemeinsam ins Blickfeld zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Es geht nicht darum, heute aus der Stromproduktion mithilfe fossiler Energien auszusteigen; denn auch 2050 gehen wir immer noch von mindestens 20 Prozent fossiler Energie in der Stromproduktion aus. Vielmehr geht es darum, gemeinsam einen vernünftigen Pfad zu beschreiben und ihn auch gesetzgeberisch auf den Weg zu bringen, und dies hat der Bundesminister für Wirtschaft und Energie gestern in diesem Parlament angekündigt.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und wie!)

Nehmen Sie doch einfach zur Kenntnis: Es hat in den vergangenen Jahren hier in Deutschland Versäumnisse gegeben, was den Klimaschutz anbelangt.

(Dirk Becker [SPD]: So ist das! Jawohl!)

Auch heute noch haben wir in Deutschland einen höheren Pro-Kopf-Ausstoß an CO 2 als China. Es ist klar: Das wird bei denen mehr, weil die Chinesen ein höheres Wirtschaftswachstum haben als wir. Deswegen müssen sie natürlich besonders viel tun, weil sie ja zusammen mit den Vereinigten Staaten für fast 50 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. Aber wir sind, was den Pro-Kopf-Ausstoß angeht, noch keine Musterschüler, sondern, wie gesagt, noch etwas schlechter als die Chinesen. Das müssen wir also auch international ins Blickfeld nehmen. Es ist unsere Aufgabe, darauf zu achten, dass wir das hier ohne Brüche sozialverträglich hinbekommen. Sie sollten bereit sein, zu akzeptieren, dass man für den Klimaschutz in der Bundesrepublik Deutschland die Zustimmung der Menschen auch auf Dauer braucht, und nicht nörgelnd im Abseits verharren.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen Sie gerade kaputt mit solchen Reden!)

Als nächstem Redner erteile ich das Wort dem Abgeordneten Andreas Jung, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4221841
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu den Klimaschutzzielen 2020
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