Fritz GüntzlerCDU/CSU - Anpassung der Abgabenordnung an EU-Zollkodex
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Heute beraten wir in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, das sogenannte Zollkodex-Anpassungsgesetz. Welch schöner Name! Früher haben wir einfach „Jahressteuergesetz“ gesagt.
Neben den Änderungen der Abgabenordnung dient das Gesetz der Anpassung des Steuerrechts an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union sowie der Umsetzung von Rechtsanpassungen in verschiedenen Bereichen des deutschen Steuerrechts. Es geht dabei um technische Änderungen, notwendige Klarstellungen, aber auch um materielle Regelungen.
Der Regierungsentwurf sah zunächst 33 Änderungen des Steuerrechts vor. Die Länder haben dann über den Bundesrat in ihrer Stellungnahme kurzfristig immerhin weitere 58 Maßnahmen eingefordert, zum Teil Regelungen mit erheblichen steuerlichen Auswirkungen. In den Beratungen haben wir uns mit jedem einzelnen Punkt beschäftigt. Aber eine sorgfältige Prüfung aller Forderungen der Länder war in dieser knappen Zeit nicht möglich. Gerade in der Steuergesetzgebung muss der Grundsatz gelten: Sorgfalt vor Eile.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Steuerpolitik macht man nicht im Schweinsgalopp. Die Auswirkungen der jeweiligen Gesetzesregelungen müssen genau betrachtet werden. Schnellschüsse können ziemlich danebengehen und erhebliche Schäden anrichten.
(Lisa Paus [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja, das war jetzt aber echt kein Schnellschuss!)
Auch hätten die Steuerpflichtigen kaum oder eigentlich gar keine Zeit gehabt, sich auf die umfangreichen Rechtsänderungen einzustellen. Darum haben wir einige Änderungswünsche des Bundesrates nicht erfüllt. Diese Vorschläge bedürfen weiterer Beratungen und ihre Umsetzung eines gewissen zeitlichen Vorlaufs.
(Christian Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir werden uns mit den unberücksichtigten Anträgen im nächsten Jahr beschäftigen. Diese Beratungen wollen wir möglichst im ersten Halbjahr 2015 zum Abschluss bringen. Denn Steuergesetze sollten zeitlich möglichst so beschlossen werden, dass sich sowohl die Steuerpflichtigen als auch deren Berater rechtzeitig auf die Änderungen vorbereiten können.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Meine Damen und Herren, in der Koalition haben wir uns nach umfangreichen Beratungen auf nunmehr 16 Änderungen verständigt. Dabei sind insbesondere die zeitkritischen Forderungen des Bundesrates berücksichtigt worden. Aufgrund der knappen Zeit möchte ich nur einige Maßnahmen benennen:
Wir stellen rückwirkend den sogenannten INVEST- Zuschuss für Wagniskapital steuerfrei. Es macht keinen Sinn, dass Zuschüsse aus Steuermitteln als Betriebseinnahmen wiederum versteuert werden müssen und sich somit im Ergebnis vermindern. Mit der Steuerfreistellung werden wir das Programm – so hoffen wir jedenfalls – noch attraktiver machen und mehr Beteiligungskapital aktivieren. Meine Damen und Herren, wir brauchen einen neuen Gründergeist in Deutschland. Dies muss auch das Steuerrecht begleiten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Darum sage ich: Auch neben der Steuerfreistellung des INVEST-Zuschusses werden wir hinsichtlich des Erhalts von Verlustvorträgen prüfen müssen, ob eine europarechtskonforme Lösung für junge innovative Unternehmen möglich ist. Darüber hinaus sollten wir – ich weiß, das ist umstritten – auch auf die Einführung einer Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne bei Streubesitzdividenden verzichten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Dies werden wir aber, so vereinbart, bei der anstehenden Reform des Investmentsteuergesetzes noch einmal ergebnisoffen beraten.
Mit der Einführung der Steuerfreiheit für Leistungen des Arbeitgebers für Serviceleistungen im Rahmen der Betreuung von Kindern und zu pflegenden Angehörigen wird ein weiterer wichtiger Beitrag für die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geleistet. Neben den Beratungs- und Vermittlungsleistungen kann der Arbeitgeber nunmehr auch die Kosten für die Betreuung von Kindern und zu pflegenden Angehörigen, die kurzfristig aus zwingenden beruflich veranlassten Gründen entstehen, steuerfrei ersetzen.
Wir haben uns weiter mit der Definition der Kriterien für die Erstausbildung in § 9 des Einkommensteuergesetzes aufgrund eines BFH-Urteils beschäftigt. Bisher, so die BFH-Richter, war der Begriff der Erstausbildung nicht hinreichend geklärt. Dies ist aber notwendig, da wir uns als Gesetzgeber entschieden haben, die Erstausbildung der privaten Lebensführung zuzuordnen und somit keinen Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zuzulassen. Bei einer anschließenden Ausbildung ist dies dann wiederum möglich. Es kam somit – wie immer im Leben – zu Umgehungen. So wurden vor dem Erststudium zum Beispiel „Ausbildungen“ als Taxifahrer oder Skilehrer gemacht.
Es war also notwendig, eine neue Definition zu finden. Wir haben das an der Dauer der Ausbildung festgemacht. Der Gesetzentwurf sah zunächst eine Dauer von 18 Monaten vor. Aber um auch kürzere Ausbildungen, wie zum Beispiel als Helferin bzw. Helfer im Gesundheits- und Sozialwesen nicht unberücksichtigt zu lassen, haben wir die Mindestdauer auf zwölf Monate gesenkt. Dies ist, wie ich finde, eine gute und praktikable Lösung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Auch bei der Besteuerung von geldwerten Vorteilen im Rahmen von Betriebsveranstaltungen haben wir den Regierungsentwurf durch einen gemeinsamen Änderungsantrag angepasst. Hier greifen wir insbesondere die im Rahmen der öffentlichen Anhörung geäußerten Bedenken und Anregungen auf. Das Wichtigste ist: Die bisherige Freigrenze in Höhe von 110 Euro wird durch einen Freibetrag in gleicher Höhe ersetzt. Dies ist eine lang erhobene Forderung der Praxis und ein wichtiges Signal; denn das Thema Betriebsveranstaltungen – das kann ich Ihnen aus meiner beruflichen Praxis erzählen – war ständiges Streitthema in den Betriebsprüfungen, da 1 Euro mehr bei einer Freigrenze bedeutet, dass sofort die volle Besteuerung einsetzt und der Fallbeileffekt eintritt. Wir sind nun zu einer moderateren Lösung, die zu einer Befriedung von sehr vielen Betriebsprüfungen führen wird, gekommen. Insgesamt halte ich dies für eine gute Lösung, auch für die Arbeitnehmer.
Im Ausschuss wurde vorgetragen, da würde ja alles besteuert. – Herr Pitterle, für den Fall, dass Sie es nachher wieder sagen, möchte ich schon jetzt darauf hinweisen, dass in fast allen Fällen pauschal besteuert wird, sodass der Arbeitnehmer überhaupt nicht betroffen ist, sondern sich an der Betriebsveranstaltung einfach erfreuen kann.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Sehr gut! Eine sehr gute Lösung!)
Des Weiteren passen wir das erst im Kroatien-Gesetz eingeführte Reverse-Charge-Verfahren für Metalle an und führen eine Bagatellgrenze in Höhe von 5 000 Euro ein. Wir haben auch den Leistungskatalog reduziert, um eine praktische Lösung zu finden.
Außerdem schaffen wir einen sogenannten Schnellreaktionsmechanismus im Umsatzsteuerrecht. Er ermöglicht es, schnell und kurzfristig auf betrügerische Handlungen zu reagieren. So kann die Umkehr der Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger bei einer Mehrzahl von Fällen des Verdachts auf Steuerhinterziehung zeitlich beschränkt erweitert werden – ein wirksamer Beitrag gegen den Umsatzsteuerbetrug.
Meine Damen und Herren, das waren nur einige Beispiele der Neuregelungen, die wir heute mit dem Gesetz treffen. Ich hatte bereits erwähnt, dass wir weitere Dinge beraten werden, die auch vom Bundesrat aufgerufen worden sind. Es geht um die Neutralisierung der Effekte hybrider Gestaltung. Dazu sage ich Ihnen aber deutlich: Wir sollten dort auf eine internationale Lösung im Rahmen des BEPS-Projektes setzen und keine nationale Lösung präferieren. Von daher sollten wir uns die Zeit nehmen, abzuwarten, was beim OECD-Verfahren herauskommt.
Wir werden, wie angekündigt, über die künftige Besteuerung von Streubesitzdividenden und von Veräußerungsgewinnen aus Streubesitzbeteiligungen sprechen. Wir werden uns auch über Änderungen im Bewertungsgesetz unterhalten.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Schneller wäre besser gewesen, ehrlich gesagt!)
Insbesondere wenn das Bundesverfassungsgericht sein Urteil zur Erbschaftsteuer am 17. Dezember verkündet hat, wird es unter Umständen Änderungsbedarf geben, und dann werden wir uns vielleicht auch die Bewertungsfragen anschauen müssen. Wir werden uns auch – das ist der Wunsch der Länder und unseres Koalitionspartners – mit dem § 20 des Umwandlungssteuergesetzes beschäftigen. Ich bitte nur darum, dass wir das mit Augenmaß tun. Das Umwandlungssteuerrecht soll Umstrukturierungen von Unternehmen steuerneutral ermöglichen, damit man auf neue Situationen reagieren kann. Wir sollten hier das Kind nicht mit dem Bade ausschütten und eine schlechtere Lösung für die deutsche Wirtschaft, insbesondere auch für den Mittelstand, schaffen, wie wir es ja schon beim § 50 i EStG, den ich in diesem Zusammenhang auch noch erwähnen möchte, getan haben. Es wäre mein dringender Wunsch an den Koalitionspartner, dass wir auch über den § 50 i und die Anpassung dieser Regelung noch einmal reden.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Nein! Der ist gut gelungen! Den sollte man so lassen!)
– Ja, Herr Binding, das habe ich ja befürchtet. Darum habe ich es ja noch einmal aufgenommen.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Wir wollen keine Schlupflöcher mehr!)
Herr Binding, ich war ja ganz froh, als ich am letzten Freitag die FAZ gelesen habe, der der nordrhein-westfälische Finanzminister Walter-Borjans gesagt hat, er sei auch der Auffassung, dass eine Anpassung erfolgen müsse. Von daher hoffe ich, dass dieser Geist auch in der SPD-Fraktion hier im Hohen Hause ankommt.
(Lothar Binding [Heidelberg] [SPD]: Anpassung kann auch Verschärfung heißen! Aber wir wollen es einfach einmal so lassen!)
Wir haben jedenfalls eine überschießende Wirkung, die wir damals, als wir das sogenannte Kroatien-Gesetz beschlossen haben, nicht erkannt haben; das müssen wir zugeben. Auch die Sachverständigen haben diese nicht erkannt. Es gibt reine Inlandssachverhalte, die zu einer Besteuerung führen können. Es gibt auch Sachverhalte, in denen es zu Erbschaften oder Schenkungen kommt und bei denen das Steuersubstrat in Deutschland bleibt, die zu negativen steuerlichen Folgen führen. Von daher wollten wir auch den § 50 i EStG aufgreifen.
Meine Damen und Herren, abschließend noch eine kurze Anmerkung zum Entschließungsantrag der Grünen. Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, das steuerliche Existenzminimum für Kinder 2014 bzw. 2015 an die verfassungsrechtlich gebotenen Anforderungen anzupassen und das Kindergeld entsprechend zu erhöhen. Bereits im Ausschuss ist von Herrn Staatssekretär Meister bekannt gegeben worden, dass noch in diesem Jahr ein neuer Existenzminimumbericht der Bundesregierung vorgelegt werden soll. Ich bin mir sicher – so viel Vertrauen habe ich in die Bundesregierung –, dass die entsprechenden gesetzgeberischen Initiativen ergriffen werden, sodass Aktionismus in Bezug auf dieses Gesetz nicht notwendig ist.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Grün wirkt!)
Lassen Sie mich zusammenfassen.
Kollege Güntzler, schaffen Sie das in einem Satz? Sie sind leider weit über der Redezeit.
Dann bedanke ich mich bei allen, die an diesem Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt haben, sowohl bei den Kolleginnen und Kollegen für die konstruktive Debatte als auch bei den Mitarbeitern des Bundesfinanzministeriums, die uns immer geholfen haben.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat der Kollege Richard Pitterle für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4222408 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Anpassung der Abgabenordnung an EU-Zollkodex |