04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 15

Petra Pau - Anpassung der Abgabenordnung an EU-Zollkodex

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Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Hohes Haus! Es ist schon mehrfach gesagt worden, welche Änderungen wir mit dem Zollkodex-Anpassungsgesetz vornehmen wollen.

Als ich unserem Kollegen Pitterle vorhin zugehört habe, war ich schon ganz euphorisch, weil ich mir gedacht hatte, der Weihnachtsfrieden treibt ihn so weit, dass er dem Gesetzentwurf voll umfänglich zustimmen würde. Aber ich bin schon dankbar, dass wir wenigstens umfänglich gelobt wurden. Vielen herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Dr. Axel Troost [DIE LINKE]: Das war nur am Anfang!)

Durch den Gesetzentwurf werden viele steuerliche Regelungen neu gefasst. Unser Steuerrecht wird an die Rechtsprechung der Europäischen Union angepasst. Die Empfehlungen des Bundesrechnungshofes werden dadurch umgesetzt und Vereinfachungsverfahren im Besteuerungsverfahren durchgesetzt.

Die Länder haben uns noch kurz vor Ende der Beratungen mit 72 Regelungen beglückt, die wir noch in die Beratungen einfließen lassen sollten. Wir haben das auch umfänglich getan. Es waren teils nur technische Dinge, aber teils auch durchaus politisch umstrittene Fragen. Wir haben den Anregungen der Länder in vielen Aspekten durchaus Folge geleistet, vor allem bei denen, die uns wichtig erschienen sind und die in der Kürze der Zeit auch vernünftig und ausführlich beraten werden konnten.

(Dr. h. c. Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Mit den anderen Forderungen der Länder werden wir uns im kommenden Jahr sicherlich beschäftigen müssen; denn es wurden viele Dinge genannt, die uns zum Nachdenken gebracht haben und bei denen wir Änderungsmöglichkeiten sehen. Manche Forderungen müssen wir aber aus verschiedenen Gründen ablehnen.

Die Vorschläge, die in der Anhörung von den Sachverständigen vorgebracht wurden, konnten in den Gesetzentwurf eingearbeitet werden. Aber auch hier gilt: Die Anregungen der Sachverständigen in der Anhörung werden uns auch im nächsten Jahr beschäftigen.

Von besonderer Bedeutung – das wurde teilweise schon erwähnt – war für mich neben den Änderungen im Einkommensteuerrecht, bei der Abgabenordnung und bei der Grunderwerbsteuer die Einführung der Verordnungsermächtigung zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. Mit dieser Ermächtigungsklausel in § 13 b Umsatzsteuergesetz erhält Deutschland die Möglichkeit, schnell auf erkannte Betrugsmaschen im Bereich der Umsatzsteuer zu reagieren. Mit diesem Schnellreaktionsmechanismus, der im Übrigen auf einer EU-Richtlinie beruht, kann das Bundesfinanzministerium mit Zustimmung des Bundesrates schnell neue Tatbestände in § 13 b Umsatzsteuergesetz einfügen und damit Umsatzsteuerbetrug auch in Zukunft vernünftigerweise verhindern.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber leider ohne Beteiligung des Bundestages!)

Die wesentlichen Inhalte des Gesetzentwurfs und die vielen umfangreichen eingefügten Regelungen sind von meinen Vorrednern bereits ausführlich dargestellt worden. Es ist zu begrüßen, dass wir während der Beratungen des Gesetzentwurfs verschiedene Schärfen und Unklarheiten, die im ursprünglichen Gesetzentwurf vorhanden waren, verändern konnten. Ob es dabei um die Besteuerung der geldwerten Vorteile von Betriebsveranstaltungen ging, die Definition der Erstausbildung oder die Anpassung der Förderhöchstgrenze für Beiträge zugunsten einer Basisversorgung im Alter an die knappschaftliche Rentenversicherung – diese Vorschläge wurden aufgenommen und umgesetzt; sie sind ja schon benannt worden.

Im Rahmen der Beratungen ist mir wieder einmal aufgefallen, dass wir immer mehr dazu tendieren, Einzelfälle steuerlicher Art, die sicherlich oft durchaus spektakulär sind – Herr Dr. Zimmermann hat das ja angesprochen –, durch allgemeine Gesetzesnormen zu erfassen. Dabei schleichen sich leider Gottes immer wieder Fehler ein. Diese Fehler in den Gesetzen werden uns erst dann bewusst, wenn wir von der Praxis nach einiger Zeit darauf aufmerksam gemacht werden. Auch hierfür ist der vorliegende Gesetzentwurf ein leuchtendes Beispiel. Mit dem sogenannten Kroatien-Gesetz, das dieses Haus erst kürzlich verabschiedet hat, haben wir steuerliche Regelungen eingeführt, die hinsichtlich ihrer praktischen Auswirkungen auf die Besteuerung nicht in vollem Umfang erkannt wurden. Deshalb müssen wir jetzt Änderungen vornehmen. Wir haben dabei leider nur die Chance zur Änderung des § 13 b Absatz 2 Nummer 11 Umsatzsteuergesetz ergriffen. Nicht angefasst haben wir den § 50 i Einkommensteuergesetz. Ich halte diese Vorschrift für genauso bedeutend, für genauso wichtig wie die des § 13 b Umsatzsteuergesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

In der Praxis hat sich herausgestellt, dass durch die Änderung des § 50 i Einkommensteuergesetz Umwandlungen von Unternehmen im Ausland und im Inland dramatisch erschwert werden. Faktisch werden durch diese Vorschrift auch Teile des Umwandlungssteuerrechts ausgehebelt. Wirtschaftlich notwendige Umstrukturierungen innerhalb von Unternehmen und Übertragungen sind in vielen Fällen nur noch unter Aufdeckung stiller Reserven möglich. Das trifft vor allem mittelständische Familienunternehmen.

Heutzutage absolviert ein junger Mann seine Ausbildung vernünftigerweise zum Teil im Ausland. Manch einer wird, wiederum vernünftigerweise, von seinem Vater am Unternehmen beteiligt worden sein.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nicht das Problem! – Zuruf des Abg. Lothar Binding [Heidelberg] [SPD])

In diesem Fall müssen sofort, wenn der Sohn längere Zeit im Ausland ist und kein Doppelbesteuerungsabkommen vorhanden ist, stille Reserven aufgedeckt werden. Das kann nicht Ziel dieser Regelung sein. Wir müssen hier entschieden widersprechen. Im kommenden Jahr müssen wir hierfür auf jeden Fall vernünftige und familienfreundliche Regelungen für mittelständische Unternehmen zustande bringen. Das ist unsere Aufgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Darauf setze ich meine Hoffnung. Ich will dazu nur sagen: Das ist notwendig, und wir sollten das durchführen. Ich bin gerne bereit, Kollege Binding, diese Sache in Ruhe zu besprechen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, in meinem allerersten Lehrbuch zum Steuerrecht habe ich ein wunderbares Geleitwort gefunden – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidiums –:

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich kann nur mit großem Respekt sagen, dass wir hier im Hohen Hause auch in diesem Jahr diesem hehren Anspruch wieder vollumfänglich gerecht werden:

(Beifall der Abg. Margaret Horb [CDU/CSU] und Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir korrigieren unglaublich viele Vorschriften, wir lösen steuerliche Einzelfälle durch eine allgemeine Gesetzesnorm, das Steuerrecht wird komplizierter und für den einzelnen Steuerberater und Steuerpflichtigen immer undurchschaubarer.

Erlauben Sie mir dazu noch eine Bemerkung: Ich halte es für hochbedenklich, so kurz vor Jahresende eine Vielzahl von Steueränderungen zu verabschieden, die neben denen, die wir bereits verabschiedet haben, ab dem 1. Januar 2015 Geltung haben sollen. Den Steuerpflichtigen und ihren Beratern entsteht ein erheblicher Mehraufwand, der so kurz vor dem Jahreswechsel eigentlich unzumutbar ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Thomas Nord [DIE LINKE]: Die Steuerberater brauchen wohl keine Weihnachtsferien!)

Wir sollten es als Gesetzgeber im Interesse unserer Bürger unbedingt vermeiden, Gesetzentwürfe – insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts – so kurz vor dem Jahresende zu verabschieden.

(Beifall des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, dass es vernünftig wäre, uns darauf zu einigen, steuerliche Regelungen nur noch in der ersten Jahreshälfte zu verändern, damit wir dann in der zweiten Jahreshälfte aufgrund der Erfahrungen in der Praxis die Fehler, die wir bei der ersten Verabschiedung gemacht haben, korrigieren können, wie uns das nun gelingt.

Vielen herzlichen Dank für eure Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Kollege Andreas Schwarz hat für die SPD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222488
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Anpassung der Abgabenordnung an EU-Zollkodex
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