04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 11

Oliver KrischerDIE GRÜNEN - Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um eines klarzustellen: Die EEG-Novelle, die die Große Koalition im Sommer verabschiedet hat, ist eine Abrissveranstaltung für erneuerbare Energien. Sie beenden den Biogasausbau ganz offiziell, beim Wind produzieren Sie durch die Ankündigung von Ausschreibungen eine Schlussverkaufsmentalität,

(Dr. Joachim Pfeiffer [CDU/CSU]: Das ist die falsche Rede!)

und der Ausbau der Photovoltaik ist nach Ihrer Novelle zusammengebrochen. Sie bleiben unter dem von Ihnen selbst festgelegten Korridor. Schon allein deshalb, weil der Ausbau des Bereichs der erneuerbaren Energien nicht so läuft, wie Sie es zugrunde gelegt haben, ist klar, dass Ihr Klimaschutzprogramm eine Luftbuchung ist. Sie selbst haben die Grundlage dafür kaputtgemacht. Ich finde, das muss an dieser Stelle noch einmal klargestellt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Haben Sie es nicht ein bisschen kleiner?)

Weil der Kollege Bareiß gerade die EEG-Novelle gelobt und betont hat, was damit alles gemacht wird, möchte ich auf Folgendes hinweisen: Vor der Verabschiedung im Ausschuss wurden uns 200 Seiten auf den Tisch gelegt. Der Herr Großwesir, der Wirtschaftsminister, hat sich hier hingestellt und gesagt, dass man das wohl in anderthalb Stunden lesen könne, das sei wohl kein Problem, das sei alles richtig. Seine Worte hallten noch durch den Raum, als wir eine Woche später, eine Woche nach der Verabschiedung, die erste Korrektur vornehmen mussten. Das, was Sie an dieser Stelle abgeliefert haben, ist nicht nur politischer Murks, sondern auch handwerklicher Murks.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele haben damals gesagt, diese Fehler, die schon bei der Verabschiedung festgestellt worden sind, würden nicht die einzigen Fehler bleiben. Jetzt haben wir weitere auf dem Tisch. Wir debattieren jetzt hier über das ganze Thema nur, weil inzwischen weiterer EEG-Murks, weil weitere Fehler aufgefallen sind. Es ist schon unglaublich, dass Sie sich auch noch selber dafür loben, dass Sie diese Fehler korrigieren. Es ist eine pure Selbstverständlichkeit, dass man das tut.

(Dr. Matthias Heider [CDU/CSU]: Wer hat den Murks denn auf den Weg gebracht?)

Dafür sollte man sich entschuldigen. Man sollte sagen: „Wir haben Murks gebaut“, und sich nicht hier breitbeinig hinstellen und sagen: Das ist alles wunderbar, was wir machen. – Das ist unanständig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Jetzt werde ich etwas zu den Kollegen Becker und Heil sagen, weil ich es eine Unverschämtheit finde, wie das hier dargestellt wird. Wir haben vor vier Wochen einen Gesetzentwurf zur anteiligen Direktvermarktung eingebracht. Dazu gab es die Bitte der Großen Koalition in Person von Hubertus Heil – er nickt –, diesen Gesetzentwurf zurückzustellen. Man werde sich in der Großen Koalition darauf verständigen. Darauf habe ich gewartet. Irgendwann hörte man dann, dass das Bundeskabinett noch irgendetwas beschließen muss, dass noch eine Formulierungshilfe erstellt werden muss und es keine gemeinsame Initiative geben wird. Jetzt steht die Verabschiedung dieses Gesetzentwurfs an. Den Fehler, der beim Thema Biomasse aufgetreten ist, korrigieren wir, und auch den Fehler im Bereich Schienenverkehr – das ist alles Konsens –, aber bei der anteiligen Direktvermarktung wird nicht korrigiert. Ich frage mich, da Sie seit vier Wochen unseren Gesetzentwurf auf dem Tisch liegen haben: Warum, liebe Mitglieder der Großen Koalition, haben Sie nicht zusammengefunden? Warum haben Sie nicht den Mut, uns hier eine Änderung vorzulegen, wenn Sie meinen, dass unser Gesetzentwurf nicht richtig ist? Das verstehe ich überhaupt nicht. Das ist mir völlig unklar.

Dann möchte ich noch eines sagen.

Kollege Krischer, gestatten Sie dem Kollegen Heil eine Bemerkung oder Zwischenfrage?

Gern.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Krischer. – Ich will keine Zwischenfrage stellen – das muss ich auch nicht; es gibt nach der Geschäftsordnung die Möglichkeit einer Zwischenbemerkung – und Ihnen auch gar nicht widersprechen, sondern ich will Ihnen nur der Hygiene wegen und damit wir hier ganz klar miteinander sind, meine persönliche Auffassung und auch die mehrheitliche Auffassung meiner Fraktion mitteilen.

Danach ist der Fehler beim Thema „anteilige Direktvermarktung“ mit dem Fehler beim Thema Biomasse vergleichbar. Wie der Kollege Becker bestätigt hat, haben wir das miteinander geprüft und festgestellt, dass wir in der Koalition hierzu noch nicht zu einer Lösung gekommen sind. Wir arbeiten aber nach wie vor daran; das Thema ist nicht vom Tisch.

Bei aller Auseinandersetzung, die wir hier im Plenum führen, will ich Ihnen erst einmal ganz persönlich dafür danken, dass Sie eine Woche lang gewartet und Ihren Antrag nicht gestellt haben. Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass wir in diesem Punkt gemeinsam vorankommen. Sie persönlich wissen aber, wie es ist, wenn man miteinander koaliert. Wir haben uns untereinander darauf verständigt, dass wir Anträge zusammen stellen, damit die Regierung funktioniert. Dabei geht es nicht um eine Gewissensfrage nach Artikel 38 Grundgesetz.

Deshalb wollte ich noch einmal sagen: Wir werden Ihrem Antrag nicht zustimmen, und wir haben auch bei der einen oder anderen Formulierung das Gefühl, dass es dadurch neue Rechtsunsicherheiten gäbe.

Der Punkt ist folgender: Es gibt zwei Fehler, die zu korrigieren sind; denn ich finde, wenn eine Regierung oder eine Regierungsfraktion Fehler macht, dann muss man sie korrigieren.

Den Fehler, den wir beim Thema Biomasse gemacht haben, korrigieren wir. Darin sind wir uns auch einig. Beim Thema Schienenbahnen gab es keinen Fehler, sondern das Problem hatte etwas mit der Notifizierung der Europäischen Kommission zu tun. Hier sind wir uns in der Sache auch einig.

Zum Thema „anteilige Direktvermarktung“ sage ich Ihnen: Wir werden Ihrem Antrag heute nicht zustimmen können, weil es in der Koalition noch keine Einigkeit hinsichtlich der Frage der abgeschlossenen Prüfung gibt und weil bei der einen oder anderen Formulierung die Befürchtung besteht, dass Ihre Vorschläge zu neuen Fehlern führen könnten.

Wenn Sie sagen, Ihre Formulierung entspreche der in der Formulierungshilfe des Kabinetts – das haben Sie ja gerade gesagt –, dann sage ich Ihnen: Auch diese ist nicht unveränderbar. Wir bleiben aber an dem Thema dran.

Noch einmal: Ich wollte Ihnen, Oliver Krischer, gar nicht widersprechen, sondern ich wollte den Sachverhalt darstellen, damit man draußen auch weiß, um es einmal klar zu sagen, dass wir inhaltlich an dieser Stelle überhaupt keiner unterschiedlichen Meinung sind. Das ist der Hintergrund dieses Verfahrens.

Ich wollte Sie nicht behumsen, als ich Sie anrief und gebeten habe, ein, zwei Wochen zu warten, weil wir nach einer gemeinsamen Lösung suchen, und ich wollte hier einmal zugeben: Wir haben keine gemeinsame Lösung gefunden. Wir müssen das Problem aber lösen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Josef Göppel [CDU/CSU])

Herzlichen Dank, Herr Kollege Heil, für diese Klarstellung, weil sie eines zeigt: In der Sache gibt es null Dissens.

(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Das ist auch so!)

Wir haben den Änderungen bei den Themen Schienenverkehr und Biogas zugestimmt. Nur einmal am Rande erwähnt: Zum Thema Biogas hatten wir einen Änderungsantrag eingebracht. Dem konnten Sie als Große Koalition aber nicht zustimmen, weil nicht „Union“ und „SPD“ darübersteht, weshalb Sie einen eigenen Änderungsantrag einreichen mussten, der identisch mit dem ist, den wir eingebracht haben. Das alles ist geschenkt.

Sie haben aber gerade ausgeführt, dass es hier im Haus einen Konsens über das Thema „anteilige Direktvermarktung“ gibt. So habe ich das wahrgenommen, und so interpretiere ich jetzt Ihre Äußerungen. Man kennt das Thema seit Wochen, und das Kabinett hat dazu eine Formulierungshilfe beschlossen, die wir eins zu eins hier einbringen. Unsere Formulierung entspricht also genau der Formulierung von Sigmar Gabriel und des Bundeskabinetts Angela Merkel. Sie tun hier aber so, als sei das rechtsfehlerhaft. Das mag ja sein, aber dann frage ich mich: Wieso legen Sie seit Wochen nichts Eigenes vor?

Ich kann das nur folgendermaßen interpretieren: Sie sind in dieser Großen Koalition offensichtlich nicht in der Lage, sich über Selbstverständlichkeiten, über Dinge, die Konsens sind, zu verständigen. Da Sie schon nach einem Jahr Große Koalition so weit sind, dass Sie sich über Dinge, die eigentlich Konsens und Selbstverständlichkeiten sind, nicht mehr verständigen können, frage ich mich: Wie wollen Sie ein Klimaaktionsprogramm umsetzen, bei dem noch ganz andere Herausforderungen zu lösen sind? Nach dem Sittenbild Ihrer Koalition geht es doch nur darum, wer wen an dieser Stelle in der Energiepolitik demütigt, und das kann doch nicht sein. Das ist ein Unding!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bedauere das sehr, weil das, was Sie hier abliefern, Menschen und eine ganze Reihe konkreter Unternehmen betrifft, die uns sagen: „Wenn die Probleme beim Thema ,anteilige Direktvermarktung‘ nicht gelöst werden, dann droht eine Insolvenz“, und Sie haben hier gerade dokumentiert, dass Sie sie nicht lösen wollen und können – jedenfalls nicht vor Jahresende. Damit treiben Sie Unternehmen, die Vertrauensschutz genießen sollten, die sich darauf verlassen haben, dass das, was eine Bundesregierung hier beschließt, gilt, möglicherweise in die Insolvenz. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir in der Energiepolitik brauchen: Wir brauchen Planungssicherheit, die Menschen müssen wissen, wo es hingeht. Das, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, ist ein absolutes Armutszeugnis.

Deshalb werden wir hier unseren Gesetzentwurf zur anteiligen Direktvermarktung zur Abstimmung stellen. Ich kann es Ihnen nicht ersparen, hier aktiv zu sagen: Nein, wir wollen das nicht, wir wollen dieses Problem nicht lösen.

Ihren Änderungen, die ja dem entsprechen, was wir Ihnen vorgelegt haben beim Thema Biomasse und KWK, werden wir selbstverständlich zustimmen. Das ist eine Notreparatur Ihres vermurksten Gesetzes, die wir an der Stelle mittragen werden.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat der Kollege Florian Post das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222719
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes
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