04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 12

Bernhard KasterCDU/CSU - Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ist die Not schon so groß, dass ein solcher Schaufensterantrag gestellt werden muss?

(Widerspruch bei der LINKEN)

Der Geschäftsordnung widmet man sich in diesem Haus erfahrungsgemäß immer dann – das ist bei den meisten Geschäftsordnungsanträgen so –, wenn sich die politisch-inhaltliche Kreativität dem Ende zuneigt. Dann geht es um Verfahren und die Geschäftsordnung.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Sagen Sie doch mal was zum Inhalt!)

Man nimmt dann ein paar Schlagworte wie Transparenz und Lobbyismus, mischt sie mit ein paar Vorurteilen gegenüber der Politik und baut auf die mögliche Unkenntnis der Bürgerinnen und Bürger über die tatsächlichen Abläufe im Parlament. Dann kommt ein solcher Antrag wie Ihrer dabei heraus, mit seitenlanger Begründung.

Damit kein Missverständnis aufkommt: Es ist unbestritten – da haben Sie in Ihrem Antrag recht –, dass ein Parlament und insbesondere der Bundestag zwingend Transparenz und Öffentlichkeit braucht; das ist ganz wichtig.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber?)

Die Feststellung in Ihrem Antrag, dass auch Abgeordnete Menschen sind, ist schön. Diese teilen wir und erfreut uns. Es ist erfreulich, dass Sie das festgestellt haben.

Nun zur eigentlichen Sache. Worum geht es hier? Das erklärt man am besten mit dem, was ist. Jedes Gesetz wird in öffentlicher Sitzung in erster, zweiter und dritter Lesung hier im Parlament debattiert. Zudem nehmen die Ausschüsse ihr Recht nach der Geschäftsordnung wahr und führen Ausschusssitzungen öffentlich durch, wenn sie dies beschließen; das kommt häufig vor.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das kommt nicht häufig vor! Das kommt jetzt gar nicht mehr vor!)

Die Ergebnisse – auch die der nichtöffentlichen Ausschusssitzungen – sind ebenfalls öffentlich. Alle Anhörungen der Ausschüsse, in denen oft konträr Expertenmeinungen ausgetauscht werden, sind öffentlich. Ebenfalls öffentlich sind Gesetzentwürfe, Anträge, Beschlussempfehlungen sowie Berichte aus öffentlichen und nichtöffentlichen Ausschusssitzungen einschließlich der unterschiedlichen Fraktionsmeinungen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kommt seit der Großen Koalition überhaupt nicht mehr vor!)

Ebenfalls öffentlich sind Änderungs- und Entschließungsanträge sowie Große und Kleine Anfragen. Diese Liste könnte ich beliebig fortsetzen. Bei so viel Öffentlichkeit kann man natürlich die Frage stellen, warum wir den Zwischenschritt einer nichtöffentlichen Beratung brauchen. Das hat einfach etwas mit unserem parlamentarischen Selbstverständnis zu tun; denn unser Parlament hat – deswegen lasse ich Vergleiche zu anderen Parlamenten nicht zu –

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum nicht? Dem müssen Sie sich stellen!)

den Charakter eines Arbeitsparlaments. In den Ausschüssen wird im Rahmen des Berichterstattersystems detailliert beraten. Bekanntlich verlässt kein Gesetz den Bundestag so, wie es in den Bundestag eingebracht wurde. Wir möchten diesen Charakter unseres Parlaments erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, interessanterweise argumentieren Sie in Ihrer langen Begründung des Antrags auch damit, in nichtöffentlichen Sitzungen spiele die Interessenvertretung eine zu große Rolle, Stichwort „guter und böser Lobbyismus“. Genau andersherum ist es. Der Regelfall ist, dass die Abgeordneten mit einer Vielzahl von Interessen und Wünschen konfrontiert werden. Die gilt es dann abzuwägen. Jeder Abgeordnete im Ausschuss hat die freie Entscheidung, sich zu Wort zu melden, sich zu äußern. Aber bei konsequenter Öffentlichkeit – davon müssen wir bei Zulassung von Fernsehen, Presse, Internet-Livestream ausgehen – steigt unzweifelhaft der öffentliche Erwartungsdruck, ob von Branchen, Sozialverbänden, Gewerkschaften oder dem eigenen Wahlkreis, sich zwingend zu Wort zu melden und eine erwartete Haltung zu formulieren. Ich sage nicht, dass das immer so wäre; aber in jedem Fall würde der öffentliche Druck steigen.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch gut so! Was haben Sie denn für ein Problem?)

Lassen Sie mich zum Schluss zusammenfassend drei Kritikpunkte zu diesem Antrag nennen: Erstens. Der Charakter und die Ergebnisoffenheit der Detailberatungen würden sich verändern. Zweitens. Der Antrag suggeriert, wie ich finde, in fataler Weise, dass jeder Form einer vertraulichen Beratung ein Generalverdacht der Unrechtmäßigkeit beiwohnt. Es ist eigentlich unmöglich, so einen Eindruck aufkommen zu lassen. Drittens. Eine Ausschussöffentlichkeit stärkt nicht den einzelnen Abgeordneten, sondern die Parteien, die Fraktionen. Der unverzichtbare Prozess der Kompromissfindung würde sich letztlich in andere Gremien verlagern.

Wir werden diesen Antrag an den Geschäftsordnungsausschuss überweisen und ihn dort gerne in öffentlicher Sitzung – das liegt in der Natur der Sache – beraten. Das lässt die Geschäftsordnung zu. Dazu brauchen wir keine Änderung der Geschäftsordnung.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Britta Haßelmann das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222802
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit
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