04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 12

Sonja SteffenSPD - Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Mir kommt jetzt eine schwere Aufgabe zu, Frau Haßelmann. Ich soll darlegen, warum die SPD von dem Öffentlichkeitsprinzip, das Sie hier vorgestellt haben, abweicht. Das ist im Grunde genommen nicht der Fall. Ich sage Ihnen auch, warum.

Ich will aber mit einem Satz anfangen, den wir alle bisher mehr oder weniger auch so formuliert haben. Er stammt von Heiner Geißler und lautet wie folgt: Transparenz schafft das Vertrauen, von dem eine Demokratie lebt. – Das hat er im Zusammenhang mit Stuttgart 21 gesagt. Ich denke, da sind wir uns alle einig.

Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, geht in diese Richtung; das ist auch richtig so. Sie wollen das Regel-Ausnahme-Prinzip, das wir im Moment haben, umkehren. Sie wollen künftig, dass alle Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen; darüber hinaus wollen Sie bei allen Ausschüssen einen Livestream einführen, was dann heißt: Echtzeitübertragung der Ausschusssitzungen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die aktuelle Situation ist die – ich will das noch einmal sagen; das ist die Situation, die wir immer schon hatten –: Nach § 69 der Geschäftsordnung tagen die Ausschüsse grundsätzlich nicht öffentlich; aber jeder Ausschuss kann die Öffentlichkeit beschließen.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das findet aber nicht statt!)

In der Vergangenheit, in der Opposition, hat die SPD – Frau Haßelmann, auch da gebe ich Ihnen recht – mit den Grünen und auch mit den Linken gemeinsam Anträge auf Öffentlichkeit gestellt, beispielsweise im Sportausschuss. Sie haben es schon gesagt: Der Sportausschuss hat sehr häufig öffentlich getagt. Wir hätten das gern fortgesetzt, sind mit diesem Anliegen aber – so ehrlich muss man sein – bei der Union gescheitert.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)

Es ist nicht so, dass wir grundsätzlich im Geheimen tagen – darauf hat der Kollege Kaster schon hingewiesen –; das stimmt so nicht. Wir haben in den Ausschusssitzungen sehr häufig öffentliche Anhörungen. Wenn es um Gesetzesvorhaben geht, werden Sachverständige angehört. Es gibt Jahresberichte, die öffentlich vorgetragen werden. Es gibt auch im Petitionsausschuss – das weiß ich von meiner Arbeit dort – regelmäßig öffentliche Anhörungen. Ich erinnere mich gerne an die Anhörungen zu den Hebammen, zur Finanztransaktionsteuer, zur Palliativmedizin und zum bedingungslosen Grundeinkommen, mit denen wir eine breite Öffentlichkeit erreicht haben.

(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Genau!)

Die Frage ist jetzt: Wollen wir von dem Regel- Ausnahme-Prinzip, das wir im Moment haben – grundsätzlich nichtöffentlich, ausnahmsweise öffentlich, nämlich dann, wenn der Ausschuss das will –, abgehen? Ich sage Ihnen eines: Wir befinden uns heute in der ersten Beratung. Auch bei Geschäftsordnungsänderungen gibt es ein Prozedere im Parlament, und wir sind da noch nicht am Ende der Fahnenstange. Wir fangen mit der Diskussion gerade an. Ich denke, ich spreche für die SPD-Fraktion, wenn ich sage: Wir wollen in die Debatte einsteigen und schauen, wohin das führt – mit offenem Ergebnis.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt natürlich – das ist von den Kollegen der Opposition schon gesagt worden – viele Argumente für das öffentliche Tagen der Ausschüsse, beispielsweise – das ist schon genannt worden – die Information der Öffentlichkeit, aber auch die Kontrolle, die Teilhabe und letztendlich auch die Akzeptanz. Es mag durchaus sein, dass die Akzeptanz erhöht wird, wenn man nicht mehr hinter verschlossenen Türen, sondern zukünftig öffentlich tagt. Allerdings stellt sich auch die Frage – darauf ist der Kollege Kaster in seiner Rede schon sehr ausführlich eingegangen –: Dient das tatsächlich auch der Funktionsfähigkeit des Parlaments?

(Dr. Johann Wadephul [CDU/CSU]: Das ist eine wichtige Frage, ja!)

Ich finde, dieser Pragmatismus muss an dieser Stelle sein, ohne dass man sagt: Wir wollen die Öffentlichkeit in Zukunft nicht mehr.

Aber es besteht doch tatsächlich eine Gefahr: Wenn zukünftig alle Ausschusssitzungen öffentlich sind, wird es so sein – das haben Sie schon gesagt –, dass jedes Ausschussmitglied, das da sitzt, selbstverständlich auch zu Wort kommen will.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und nicht schlafen kann!)

Alles andere würde vielleicht dazu führen, dass dann nicht nur im Wahlkreis, sondern auch an anderer Stelle gesagt würde: Na ja, dieses oder jenes Ausschussmitglied macht ja überhaupt nicht mit. Er oder sie hat sich da überhaupt nicht zu Wort gemeldet. – Wozu würde das führen? Das könnte dazu führen, dass sich die Ausschusssitzungen – nach dem Motto „Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem“ – ins Unendliche hinziehen. An dieser Stelle, denke ich, hätten wir dann auch nichts davon.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh, wie toll! Dieses Argument hatten Sie letztes Mal noch nicht!)

Ich muss Ihnen noch etwas sagen: Ich erinnere mich gerne an meinen sehr geschätzten Kollegen Anton Schaaf; viele von Ihnen kennen ihn noch. Er, ein sehr guter Redner, hat uns, als er mit uns seinen Abschied begangen hat, einen ziemlich guten Satz mit auf den Weg gegeben. Dieser Satz lautet: Rede nur, wenn du wirklich etwas zu sagen hast. – Das, finde ich, gilt auch für Ausschusssitzungen.

(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollte auch im Plenum gelten! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihre Rede ist kein Beweis für diesen Satz!)

Ich will Ihnen noch etwas sagen: Frau Haßelmann, Sie haben vorhin gesagt, in welchen Ausschüssen Sie sind und wie es da abläuft. Ich selber bin im 1. Ausschuss und im Haushaltsausschuss. Ich sage allen Kolleginnen und Kollegen, die hier sitzen – ich möchte gerade die Opposition ansprechen –: In den Ausschüssen, in denen ich bin, ist es wirklich so, dass jeder, auch die Opposition, zu Wort kommt, und zwar mehrmals.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, sollte das denn nicht selbstverständlich sein? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Im Wirtschaftsausschuss ist das nicht selbstverständlich!)

Es wird über alle Themen breit diskutiert. Es ist nicht so, Frau Haßelmann, dass ein Gesetzentwurf ins Parlament kommt, in den Ausschüssen verhandelt wird und das Parlament dann so verlässt, wie er hineingekommen ist; das Struck’sche Gesetz ist schon genannt worden. In meiner Oppositionszeit, beispielsweise in meiner Zeit im Rechtsausschuss, habe ich oft genug erlebt, dass im Rahmen von Berichterstattergesprächen und Ausschusssitzungen auch die Opposition ihre Meinung in die Beratung von Gesetzentwürfen einbringen konnte.

(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das ist doch jetzt nicht das Thema! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist bei Berichterstattergesprächen auch so, ja!)

Das ist heute noch so. Das, denke ich, sollten wir an dieser Stelle nicht vergessen.

(Beifall des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

Jetzt stellt sich also die Frage: Wie wägt man das ab? Ich habe gerade das Für und Wider genannt und gesagt: Wir sind am Beginn der Debatte. Wir wollen in diese Diskussion einsteigen. Meine Fraktion ist da sehr offen. Es gibt vielleicht wirklich Möglichkeiten. Beispielsweise würde ich es gut finden, wenn wir überlegen würden, ob wir Ausschusssitzungen zu bestimmten Themen zukünftig mit einem Mindestmaß an Öffentlichkeit versehen. Es ist ja so: Nicht jedes Thema ist für die Öffentlichkeit superinteressant. Es gibt aber sehr interessante Themen.

(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Das haben wir alles versucht! Ohne Erfolg!)

Ich erinnere mich zum Beispiel noch sehr gut – daran werde ich mich mit Sicherheit auch in Zukunft noch erinnern – an die Debatte zu TTIP, die wir in der letzten Sitzungswoche geführt haben, in der unser Wirtschaftsminister von seiner ursprünglich geplanten Rede völlig abgewichen ist und wir plötzlich eine Debatte hatten, in der das Parlament richtig lebendig wurde. Ich glaube, das ist der Zustand, den wir erreichen wollen. Das eint uns alle wieder. Letztendlich geht es doch auch darum, dass wir etwas gegen die Politikverdrossenheit der Menschen im Land tun wollen. Wenn wir etwas Positives erreichen können, indem wir Ausschusssitzungen in dem einen oder anderen Fall öffentlich machen, dann leben wir eine lebendige Demokratie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Als letzter Redner in dieser Debatte hat der Kollege Hans-Peter Uhl das Wort.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222819
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit
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