Hans-Peter UhlCDU/CSU - Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit
Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Thema geht es um die Frage einer sinnvollen, pragmatischen Organisationsstruktur für ein Gesetzgebungsverfahren. Wir haben unser Gesetzgebungsverfahren als einen lernenden Prozess ausgestaltet – mit Recht. Er ist transparent, hat aber auch vertrauliche Elemente.
Diese Kombination gewährt vor allem gute Ergebnisse in dem lernenden Prozess. Sie haben vollkommen recht mit dem Zitat Ihres ehemaligen Kollegen: „Melde dich nur zu Wort, wenn du etwas zu sagen hast.“ In diesem lernenden Verfahren der Gesetzgebung haben wir oft etwas zu fragen, und dieses Fragen muss möglich sein.
(Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Das kann man nicht öffentlich?)
Ganz unverkrampft fragen muss möglich sein, ohne sich dabei zu blamieren. Es tut uns allen gut, wenn man das ab und zu tut. Wir müssen ehrlicherweise zugeben: Wir haben auch schon Gesetze gemacht; hätten wir länger darüber nachgedacht und vorher gefragt, dann wäre das eine oder andere Gesetz vielleicht besser geworden. Manchmal merken wir gleich nach der dritten Lesung, dass etwas übersehen worden ist.
(Katja Keul [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: EEG zum Beispiel! – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das können wir gern noch ein drittes Mal korrigieren!)
Ich meine, wir sollten uns in aller Ruhe überlegen, ob unser Verfahren verbesserungsbedürftig ist oder ob wir es so belassen. Im Augenblick bin ich mit der Geschäftsordnung, die wir haben, sehr zufrieden. Wir haben – der Kollege Gerster hat es erwähnt – alle Möglichkeiten der Transparenz, der Öffentlichkeit, und ich habe nicht den Eindruck – auch wenn ich jetzt auf die Zuschauertribüne schaue; es sind mehr Abgeordnete als Zuhörer da, das ist öfters so –, dass die Bevölkerung nach mehr Erkenntnissen dürstet und den Verdacht hat, wir würden ihr etwas vorenthalten und ihr würde etwas verheimlicht. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Die Medienüberschwemmung sorgt dafür, dass der Bürger gar nicht mehr weiß, was wichtig und was unwichtig ist.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Bürger ist klüger, als Sie glauben! Sie wollen die Leute also bevormunden, oder wie?)
Mit noch mehr Transparenz ist das eher noch schlimmer als besser.
Wenn Sie so viel Transparenz für alles und jedes im Laufe des Verfahrens wollen, gebe ich eines zu bedenken: Ein wichtiger Abschnitt im Gesetzgebungsverfahren ist nach der ersten Lesung und der Ausschussberatung das Berichterstattergespräch, meist sogar mit Vertretern der Regierung.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht in unserem Antrag!)
Da werden Fragen gestellt, und es werden Antworten gegeben, manchmal von der Regierung, manchmal von anderen Kollegen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht nicht in unserem Antrag!)
Ich habe das immer für sehr wichtig gehalten. Wenn Sie für Transparenz des Verfahrens sind, dann müssten Sie auch dieses Berichterstattergespräch öffentlich machen;
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Muss man nicht!)
denn Sie sind ja für Transparenz. Das können Sie aber nicht fordern.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uns reicht es erst einmal, wenn es die Ausschüsse wären! – Zuruf der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
– Warum, Frau Sitte? Es gibt nach ständiger Rechtsprechung auch bei der Regierung einen Arkanbereich der Geheimhaltung. Dort können Sie nicht einmal durch einen Untersuchungsausschuss erfahren, was sich die Regierung im Laufe des Prozesses der Willensbildung ausgedacht hat. Obwohl dort Protokoll geführt wurde, haben Sie keinen Anspruch, das Protokoll zu bekommen. Auch der Gesetzgeber braucht einen solchen Bereich, einen Arkanbereich, in dem er laut nachdenken können muss, ohne dass alles über die Medien in jedes Wohnzimmer getragen wird.
Ein Letztes: Öffentliche Sitzungen fordern natürlich von einer Fraktion und einer Partei die vorherige Festlegung. Dies hängt mit unserem Parteiensystem zusammen, mit Regierung und Opposition; und Demokratie lebt von Rede und Gegenrede zwischen Regierung und Opposition. Die öffentliche Festlegung muss vorher geschehen. Warum? Im Grundgesetz steht: „Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit.“ Wenn Sie also eine öffentliche Übertragung machen und der eine Abgeordnete der CDU so sagt und der andere so und der dritte wieder etwas anderes sagt oder noch fragt, ob das alles richtig ist, was wir machen, dann fragt sich der Zuschauer mit Recht: Was will jetzt eigentlich die Partei? Der eine hat so gesagt und der andere so.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das fragen wir uns bei Ihnen auch oft!)
Das wird dann bei der Übertragung nicht mehr möglich sein. Auch bei den Grünen wird es nicht mehr möglich sein; denn sie werden in der Ausschusssitzung mit einer Stimme sprechen müssen – ohne Wenn und Aber. Sie müssen sich vorher öffentlich festlegen. Das ist schade, weil es nicht zu einem Erkenntniswert führt, da Sie ja vorher bereits die Erkenntnisse festgelegt haben.
Das ist kein lernendes Verfahren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen. Wir wollen aber ein lernendes Verfahren, bei dem wir besser werden im Laufe des Prozesses von der ersten Lesung über die – in der Regel nichtöffentliche – Ausschusssitzung bis zur zweiten und dritten Lesung, und dann wird alles protokolliert, veröffentlicht und über Internet abrufbar gemacht. Das ist unser Weg.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4222820 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Geschäftsordnung: Ausschussöffentlichkeit |