04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 13

Andrea LindholzCDU/CSU - Rechtsstellung asylsuchender Ausländer

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Über 200 000 Asylanträge erwartet das Bundesinnenministerium in diesem Jahr. Bund, Länder und Kommunen tragen gemeinsam Verantwortung für ein funktionierendes Asylsystem, das die Unterstützung der Bevölkerung erhält und den wirklich Schutzbedürftigen hilft. Dazu sollte sich unsere Flüchtlingspolitik an vier Eckpunkten orientieren:

Erstens. Asyl dient ausschließlich dem Schutz verfolgter Menschen. Asyl ist kein Mittel gegen Armut und auch kein Instrument zur Fachkräftegewinnung.

Zweitens. Die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren muss auf drei Monate sinken. In diesem Zeitraum muss auch geklärt werden, ob jemand Aussicht auf Flüchtlingsschutz hat oder nicht.

Drittens. Wer einen Anspruch auf Schutz hat, der sollte frühzeitig integriert werden und auch die Chance bekommen, seinen Lebensunterhalt selbstständig zu verdienen. So verhindern wir Parallelgesellschaften und Abhängigkeiten vom Sozialstaat.

Viertens. Wir brauchen eine faire Lastenverteilung und ein funktionierendes Asylsystem in ganz Europa; denn sonst können die stetig wachsenden Flüchtlingszahlen nicht dauerhaft bewältigt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bundesregierung und die Koalition haben im Jahr 2014 zahlreiche Maßnahmen auf den Weg gebracht, um das deutsche Asylsystem zu stabilisieren. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat 650 neue Stellen und 37 Millionen Euro für Dolmetscher und Sachmittel bekommen. Das Gesetz zu den sicheren Herkunftsstaaten hilft uns, aussichtslose Asylanträge schneller zu bearbeiten und schneller abzuschließen; denn rund 17 Prozent aller Asylanträge werden von Menschen gestellt, die aus Serbien, Mazedonien oder Bosnien-Herzegowina stammen, obwohl die Anerkennungsraten für diese Länder nahe bei null liegen. Der Bund unterstützt die Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge. Wir haben das Baurecht flexibilisiert, und Bundesimmobilien werden den Kommunen zur Verfügung gestellt. Das Asylbewerberleistungsgesetz entlastet Länder und Kommunen künftig um 43 Millionen Euro pro Jahr bei der Flüchtlingsversorgung. Den Löwenanteil übernimmt der Bund.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Obendrein hat der Bund nun zugesagt, die Länder 2015 um weitere 500 Millionen Euro zu entlasten. Für 2016 wurde die gleiche Summe in Aussicht gestellt. Die Hälfte dieser Mittel wird als langfristiger Kredit gewährt. Die Mittel für die Integrationskurse wurden im laufenden Haushalt um 40 Millionen Euro auf 244 Millionen Euro aufgestockt, und im Haushalt 2015 wurde die Entwicklung verstetigt. Die Mittel für die individuelle Migrationsberatung wurden um 8 Millionen Euro aufgestockt.

Mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir zusätzlich Integration und Selbstständigkeit der Flüchtlinge. Das Sachleistungsprinzip wird auf den Aufenthalt in der Erstaufnahmeeinrichtung beschränkt. Anschließend sollen vorrangig Geldleistungen erbracht werden. Ich halte das auch für richtig.

(Rüdiger Veit [SPD]: Sehr richtig!)

Wichtig ist aber, dass Sachleistungen in Ausnahmefällen zulässig bleiben, zum Beispiel um Versorgungsengpässe zu decken. Das haben wir geregelt. Die Leistungen für Unterkunft, Heizung und Hausrat können wahlweise als Geld- oder als Sachleistung erbracht werden. So viel Handlungsspielraum sollten wir den Kommunen auch belassen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Residenzpflicht entfällt nach drei Monaten und wird durch die Wohnsitzauflage ersetzt. Die Flüchtlinge können sich dann also im gesamten Bundesgebiet bewegen. Sozialleistungen werden zunächst nur an dem in der Auflage festgelegten Wohnort bezogen. Damit soll die Belastung zwischen den Kommunen gerecht verteilt werden. Für alle, die ihren Lebensunterhalt selbstständig sichern, entfällt die Wohnsitzauflage. Die Flüchtlinge können damit bundesweit eine Arbeit aufnehmen.

An dieser Stelle müssen wir aber genau beobachten, ob es zu dem gleichen Phänomen kommt, wie es im Zuge der Armutsmigration aus EU-Staaten festgestellt wurde; denn wenn ein Asylbewerber seinen Arbeitsplatz nach dem Umzug verliert, dann geht die Wohnsitzauflage zusammen mit der Leistungsverpflichtung auf seinen neuen Wohnort über. Das kann vor allen Dingen in Ballungszentren zu einer wesentlichen Erhöhung der Zahl der leistungsberechtigten Asylbewerber führen.

Gut ist, dass die Residenzpflicht dann wieder auflebt, wenn die Ausweisung bevorsteht oder Straftaten und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegen. Den letzten Punkt konnten wir mit einem Änderungsantrag verbessern. Es freut mich, dass die Grünen nun der so geänderten Fassung zustimmen wollen. Zumindest im Bund hatten sie den Kompromiss zunächst abgelehnt.

Der generelle Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für Asylbewerber und Geduldete wurde bereits von neun auf drei Monate gesenkt. Mit einer Rechtsverordnung wird nun zudem die Vorrangprüfung für Asylsuchende bei der Arbeitssuche und für Geduldete auf 15 Monate beschränkt. Diese Verordnung ist zunächst auf drei Jahre befristet. Der Gesetzgeber kann jetzt anhand der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt entscheiden, ob die Vorrangprüfung dauerhaft in dieser Fassung bleiben kann oder ob sie vielleicht wieder aufleben soll.

In meiner Rede von heute Vormittag habe ich schon dargelegt, wie sich die Bundesregierung mit internationaler Flüchtlingshilfe vor Ort engagiert und die Fluchtursachen bekämpft. Dieser beachtliche Maßnahmenkatalog der Bundesregierung im Asylbereich wurde im Jahr 2014 umgesetzt. Das zeigt, dass die Bundesregierung und die Große Koalition ihrer humanitären Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen nachkommen und sie sehr ernst nehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Verpflichtung gegenüber den deutschen Kommunen und unseren Bürgern vergessen wir dabei nicht; denn bei aller Hilfsbereitschaft dürfen wir die Zustimmung der Bevölkerung zu unserem Asylsystem keinesfalls gefährden. Daher muss Zuwanderung selbstverständlich gesteuert werden. Zuwanderung muss auch klaren Regeln folgen. Asyl darf es nur für Verfolgte geben.

Es fehlt daher noch ein wichtiger Baustein in unserer Strategie zur Neuordnung des deutschen Asylsystems. Diejenigen nämlich, die kein Recht auf Asyl haben, müssen konsequenter als bisher zurückgeführt werden. Das ist angesichts von rund 11 Millionen syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen auch nötig, um weitere Kapazitäten zu schaffen.

Die Ausweisung von Ausreisepflichtigen und straffällig gewordenen Ausländern funktioniert auch nicht mehr richtig. Das bisherige dreistufige Ausweisungsrecht mit einer Kann-, einer Soll- und einer Mussregelung wurde in der Rechtsprechungspraxis quasi obsolet. Die Gerichte treffen heute fast nur noch Ermessensentscheidungen und bewerten den Einzelfall. Das bestätigen uns die Praktiker mit großer Mehrheit. Deswegen halten auch wir es für richtig und nötig, das Ausweisungsrecht grundlegend zu reformieren.

(Beifall bei der CDU/CSU – Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Verschärfen heißt das!)

Gestern hat das Kabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, der dieses Problem lösen soll. Für mich ist das insgesamt ein vernünftiger Kompromiss. Mit dem Gesetzentwurf soll einerseits das Ausweisungs- und Abschieberecht deutlich vereinfacht werden. Die Gerichte sollten zukünftig abschließend entscheiden, wer ein Bleiberecht hat. Straftäter und Personen, denen nach gründlicher Abwägung und Prüfung kein Aufenthaltsrecht zusteht, sollen auch künftig konsequenter abgeschoben werden.

Gleichzeitig wird das Bleiberecht für gut integrierte und schutzbedürftige Ausländer, die bisher kein Aufenthaltsrecht haben, verbessert, nämlich wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, die für eine gelungene Integration sprechen. Ihnen soll dann ein verlässlicher Aufenthaltsstatus gewährt werden.

Die Verbesserungen im Bleiberecht sind zu verantworten, aber nur dann, wenn eine konsequente Rückführung stattfindet. Derzeit werden bei uns nur rund 10 Prozent der Ausreisepflichtigen tatsächlich abgeschoben. Dadurch wird unser Asylsystem ein Stück weit ungerecht, es wird willkürlich, und es wird unberechenbar. Die Länder sind hier absolut in der Pflicht, ihre Aufgaben zu erfüllen. Der Bund alleine kann dieses Problem nicht lösen. Der Bund hilft Flüchtlingen, er hilft Ländern, und er hilft den Kommunen in vielerlei Hinsicht.

Wir dürfen darüber nicht die Sorgen und Ängste unserer Bevölkerung vergessen, die vorhanden sind und sich an vielen Stellen zeigen. Wir müssen Zuwanderung steuern; denn sonst verlieren wir die öffentliche Akzeptanz für unser Asylsystem. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, wäre eigentlich die größte Katastrophe.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Ulla Jelpke das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222895
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Rechtsstellung asylsuchender Ausländer
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