04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 14

Ute Finckh-KrämerSPD - Nukleare Abrüstung

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Sehr verehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer oben auf den beiden Tribünen! Am 26. September 1983 wäre es um ein Haar zu einem Atomkrieg aus Versehen gekommen. Wir verdanken es Stanislaw Petrow, damals Oberst der sowjetischen Armee, dass ein Fehlalarm tatsächlich als ein solcher behandelt wurde. Er handelte gegen seine Vorschriften. Wenn er den Alarm weitergegeben hätte, hätte die sowjetische Führung nur wenige Minuten zur Entscheidungsfindung gehabt, und es könnte gut sein, dass wir heute hier nicht säßen und diskutierten. Dieser Vorfall wurde erst 1998 bekannt. Er war einer von mehreren schwerwiegenden nuklearen Zwischenfällen in der Zeit des Kalten Krieges, die alle hohes Eskalationspotenzial hatten.

Die Problematik, die uns besondere Sorgen macht, ist nicht so sehr der geplante Einsatz von Atomwaffen. China hat inzwischen erklärt, dass es überhaupt keinen Ersteinsatz plant, und den anderen Atomwaffenstaaten trauen wir das aus verschiedenen Gründen auch nicht unbedingt zu. Das Hauptproblem sind angesichts der Tatsache, dass wir noch so viele Atomwaffen in höchster Bereitschaft haben, vielmehr Fehlinterpretationen wie die, die 1983 vorgekommen ist, oder eventuelle Unfälle, sodass der erste Fehler unter Umständen der letzte sein könnte. Insofern ist es gerade in Zeiten, in denen sich bestimmte Konflikte zuspitzen, wichtig, das vertrauensbildende Element von Rüstungskontrolle und Rüstungsbegrenzung wieder zu stärken und sich dafür einzusetzen.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die schwarz-rote Bundesregierung beteiligt sich aktiv an Rüstungskontrollkonferenzen, wie zum Beispiel der vom 20. bis 22. November dieses Jahres in Moskau oder an der Konferenz kommende Woche in Wien zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen.

In Moskau, wo Experten, Diplomaten und Wissenschaftler aus 42 Ländern gemeinsam diskutiert haben, waren viele eher pessimistisch und meinten, dass der Spielraum für nukleare Abrüstungsschritte im Augenblick geringer geworden ist. Aber es gab in Moskau auch die Frage von der Abrüstungsbeauftragten der Vereinten Nationen, Angela Kane, ob es denn so schwierig sei, sich vorzustellen, dass die Russische Föderation und die USA ihren Widerstand gegen eine Nuklearwaffenkonvention – darum wird es ja auch in Wien indirekt gehen – aufgeben könnten. Ich habe aus ihrer Rede, die man inzwischen im Internet nachlesen kann, herausgehört, dass sie sich das gut vorstellen kann, und ich selber kann es auch.

Ein Ansatz, der weder in dem Antrag der Grünen noch in der Diskussion bisher zur Sprache gekommen ist, ist der Deep-Cuts-Ansatz. Seit letztem Jahr gibt es eine trilaterale Kommission von Experten aus Russland, den USA und Deutschland, die sich Gedanken darüber macht, wie man über den New-START-Vertrag hinaus in die strategischen Atomwaffenpotenziale der USA und Russland tiefe Einschnitte, also Deep Cuts, machen kann. Der erste Bericht dieser Kommission ist im April 2014 veröffentlicht worden. Es wurde ein Vorwort hinzugefügt, demzufolge die Vertreter in dieser Kommission trotz der damals gerade beginnenden Ukraine-Krise daran festhalten, dass Rüstungskontrolle und Abrüstung im nuklearen Bereich wichtige Aufgaben sind.

Die SPD hat immer vertreten, dass eine Politik für Frieden und Abrüstung mit dem Begriff „gemeinsame Sicherheit“ verbunden sein muss: wechselseitige Abhängigkeiten, gemeinsame Verantwortung für Frieden und Sicherheit mit dem anderen und nicht gegen andere. Insofern finde ich es nicht ganz fair, dass Sie uns vorwerfen, dass wir nicht an dem festhalten, was wir in den letzten Jahren in der Opposition gefordert haben. 2012, lieber Alexander Neu, waren wir übrigens nicht in der Regierung, sondern es war die schwarz-gelbe Regierung, die beim NATO-Gipfel in Chicago das erwähnte Votum abgegeben hat.

(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was machen Sie denn gegen die Modernisierungspläne?)

– Ist das eine offizielle Zwischenfrage? Dann bekomme ich noch ein bisschen Zeit.

Kollegin Brugger, Sie haben die Möglichkeit, zu fragen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, vielen Dank, liebe Kollegin Finckh-Krämer. – Ich stelle meinen Zwischenruf noch einmal als Frage: Wenn das nicht fair ist, was wir Ihnen hier vorgeworfen haben, nämlich dass Sie nicht mehr festhalten an dem klaren Kurs, den die SPD immer hatte – Sie haben immer gegen die Modernisierungspläne bezüglich der Tornados gekämpft, die die amerikanischen Atomwaffen im Notfall tragen sollten; außerdem haben Sie immer für den Abzug der Atomwaffen gestritten –, würde ich doch gern die Frage stellen: Was macht denn die Bundesregierung gerade angesichts dieser beiden konkreten Fragen, und was machen auch die Koalitionsfraktionen, um sich offen gegen die Modernisierungspläne zu positionieren und sich für den Abzug der Atomwaffen einzusetzen?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der LINKEN)

Vielen Dank für die Zwischenfrage. – Die geplante Modernisierung der B61 ist ja zunächst ein amerikanisches Programm, das nicht nur die in Europa stationierten Atomwaffen, sondern vor allem auch die auf amerikanischem Boden stationierten umfasst. Der Entscheidungsprozess darüber ist in den USA noch nicht endgültig abgeschlossen. Insofern haben wir hier noch Zeit, das in den zuständigen Ausschüssen und Fraktionsarbeitsgruppen zu diskutieren. In den USA wird das unter anderem unter der Finanzierungsfrage diskutiert. Wir wissen, dass sehr viel mehr Modernisierungspläne zu Atomwaffen existieren, als tatsächlich Geld im amerikanischen Haushalt zur Verfügung steht. Insofern werden wir das diskutieren, auch mit den Fraktionen in den Ausschüssen.

(Beifall bei der SPD)

Die Nuklearwaffenkonvention, die – wie bei den ersten beiden Konferenzen zu humanitären Folgen von Atomwaffen – in Wien mit Sicherheit zur Sprache kommen wird, wird von den P 5, also den offiziellen Atommächten, ein Stück weit als Konkurrenz zu dem Regime des Nichtverbreitungsvertrages, also des Atomwaffensperrvertrages, gesehen. Wir sehen das eher als sich ergänzende Prozesse an. Deswegen ist es uns auch wichtig, dass Deutschland sich an allen drei Konferenzen beteiligt hat. Wir begrüßen es als SPD besonders – ich denke, da kann sich das ganze Haus anschließen –, dass die USA und Großbritannien, anders als bei den letzten beiden Konferenzen, ihre Teilnahme angekündigt haben. Ich persönlich bin sehr gespannt auf das, was sie dort erzählen werden.

In Bezug auf die Waffensysteme mit abgereichertem Uran kann ich hier noch sagen, dass die Forderung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung der Folgewirkungen des Einsatzes von Uranmunition von Deutschland immer mit unterstützt wurde. Aus meiner Sicht ist noch nicht endgültig geklärt, was Radioaktivität tatsächlich bewirkt, welche Schäden die Toxizität von Uran und möglicherweise andere, gleichzeitig in Einsatz gekommene Waffen in den entsprechenden Regionen bewirkt haben. Was wir aber machen werden – das kann ich, Herr Hochbaum, glaube ich, hier schon sagen –: Wir werden in der nächsten Sitzung des Unterausschusses „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“ ein Gespräch mit Fachleuten über diese Waffen führen und können dann anschließend hier vielleicht schon mehr sagen.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als nächste Rednerin hat die Kollegin Julia Bartz das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4222983
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Nukleare Abrüstung
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