04.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 73 / Tagesordnungspunkt 17

Annalena BaerbockDIE GRÜNEN - Doha-Änderung des Protokolls von Kyoto

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde gern mit dem Wort „mindestens“ des Kollegen Jung beginnen, da Sie sich in den vergangenen Debatten immer wieder darüber echauffiert haben, dass wir Grünen jetzt auch noch Kritik an den 2030-Zielen, am Klimaaktionsplan üben, wo doch eigentlich alles schon gut sei.

Mit Blick auf das Wort „mindestens“ muss man auch an das Thema dieser Debatte denken: Doha-Änderung des Protokolls von Kioto. Es war gut, dass Deutschland als einer der letzten Staaten, dass die EU mit an Bord geblieben ist. Aber man muss bei dieser Änderung des Kioto-Protokolls auch berücksichtigen, dass da eigentlich drinstand, dass man bei der Änderung des Kioto-Protokolls nachlegen werde – dazu hat sich die Europäische Union verpflichtet –, wenn die Ambitionen erreicht würden. Die Europäische Union hat die Ziele erreicht; wir sind heute schon bei 19 Prozent. Das heißt also, eigentlich hätte die Europäische Union nachlegen müssen. Sie hat es aber nicht getan. Wir bleiben bei 20 Prozent. Deshalb stellt uns auch das Wort „mindestens“ in den 2030-Zielen nicht zufrieden, weil es deutlich zeigt: Wenn man von Anfang an keine ambitionierten Ziele formuliert, dann wird es mit der Nachbesserung äußerst schwer werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Klimavertrag: Es ist absolut richtig – und Eva, ich verstehe dich an dieser Stelle überhaupt nicht –, dass wir gemeinsam daran arbeiten, wieder einen völkerrechtlichen Vertrag auf die Beine zu stellen, und dass wir für das 2-Grad-Ziel kämpfen. Bisher ist es nur politisch formuliert, auch von der Bundesregierung, und jetzt soll es in einen internationalen Vertrag gegossen werden. Das wäre wirklich ein großer Erfolg.

Ja, es gibt dann nur nationale Minderungspläne, mit denen das umgesetzt werden soll. Aber wir haben aus der Vergangenheit auch gelernt, dass ein Bottom-up-Ansatz eine gute Ergänzung zum Top-down-Ansatz ist; denn manchmal zählt auch das, was wir gemeinsam aus dem Rio-Prozess gelernt haben: global denken, lokal handeln. Tausend kleine Menschen an tausend verschiedenen Orten der Welt können das Gesicht der Welt verändern – wenn wir dafür den Rahmen setzen. Deswegen halten wir diesen neuen Ansatz für wirklich gut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wichtig ist aber, und da kommen wir dann wieder zu der Rolle der Industriestaaten; die dürfen sich da nicht rausmogeln, dass wir dann zusätzlich festschreiben, zusätzlich zu den 2 Grad, dass das, was im IPCC-Bericht steht und was ihr als Koalition ja auch in eurem eigenen Antrag, zumindest im Prosateil, sehr deutlich hervorhebt, nämlich dass zwei Drittel der fossilen Energieträger unter der Erde bleiben müssen, wenn wir das 2-Grad-Ziel erreichen wollen, in konkrete Forderungen und Maßnahmen umgesetzt wird. Und das tut euer Antrag dann leider nicht mehr. Das ist der entscheidende Punkt. In diesem Zusammenhang ist die entscheidende Frage: Was wird Deutschland dafür tun? Da haben wir auch angesichts des Aktionsprogramms „Klimaschutz 2020“ doch ein bisschen Sorge, dass die Bundesregierung der Mut verlässt. Schon nach dem Einführungstext eures Antrags, mit dem ich ganz d’accord bin, verlässt euch der Mut, sodass ihr bei den Forderungen nur noch schreiben könnt, dass ihr postfossile Wirtschaftsweisen im Klub der Vorreiter vorantreiben wollt, insbesondere mit Blick auf die Entwicklungsländer. Was ihr als deutsche Bundesregierung tun wollt, das sagt ihr aber mit keinem Wort.

(Frank Schwabe [SPD]: Zitier doch mal euren Antrag!)

Ihr sagt nicht, dass die KfW auch bei der IPEX-Bank nicht mehr in Kohleprojekte investieren soll. Ihr sagt nicht, dass bei uns in Deutschland die fossilen Energieträger unter der Erde bleiben müssen.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Seit 48 Stunden reden wir jetzt permanent darüber!)

Ihr sagt auch nicht, dass die G 7 nicht nur über Klimafinanzierung reden müssen, sondern sie sich vor allen Dingen auch endlich dazu bekennen müssen, dass die Industriestaaten die Subventionen für fossile Energieträger abbauen.

(Dr. Matthias Miersch [SPD]: Ihr wollt einfach nicht hinhören!)

Das wäre der Beitrag Deutschlands und der Industriestaaten zu einem internationalen Vertrag. Deswegen müssen wir bei euch immer wieder den Finger in die Wunde legen, damit ihr euch traut, das auch auszusprechen. Denn wie soll man denn andere Länder dazu bringen, ihre Ölreserven unter der Erde zu lassen, wenn ihr noch nicht einmal sagen könnt:

(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Wer ist eigentlich „ihr“?)

„Ja, die Kohle soll auch bei uns in Zukunft unter der Erde bleiben“?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Das gilt auch für das Beispiel Polen, das Minister Gabriel hier gestern wieder als Argument angebracht hat. Wie soll man denn die Polen überzeugen, nicht weiter auf Kohleverstromung zu setzen, wenn dann – Kollege Schulze weiß es ganz genau – direkt vor ihrer eigenen Haustür an der Oder neue Tagebaue erschlossen werden sollen und die Bundesregierung dafür auch noch ihr Okay gibt? Ihr habt das heute mit der Ablehnung unseres Antrags zu einem Ende neuer Tagebaue leider auch noch einmal bekräftigt. In diesem Sinne können wir nur sagen: Bitte nehmt den IPCC-Bericht ernst, auch in Zukunft, auch nach Lima, als G-7-Präsidentschaft. Bitte nehmt ihn ernst in eurem Aktionsprogramm „Klimaschutz 2020“; denn nur wer den Kohleausstieg einleitet, vollzieht auch wirklich die ganze Energiewende und trägt dazu bei, dass die Erderwärmung global um nicht mehr als 2 Grad ansteigt.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Dr. Anja Weisgerber, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Frank Schwabe [SPD] – Ingo Gädechens [CDU/CSU]: So, jetzt wollen wir was zum Thema hören!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4223047
Wahlperiode 18
Sitzung 73
Tagesordnungspunkt Doha-Änderung des Protokolls von Kyoto
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