Carsten TrägerSPD - Nationale Nachhaltigkeitsstrategie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das sage nicht ich, obwohl ich diese Auffassung durchaus teile; vielmehr stammt dieses Zitat von Björn Stigson, dem Vorsitzenden der internationalen Expertenkommission, die die Bundesregierung eingesetzt hat, um die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie zu begleiten. Dieses Zitat ist im Peer Review Sustainability – Made in Germany, den wir heute diskutieren, nachzulesen.
Das Lob der Peers gilt einerseits den Ansätzen und Strukturen, die wir in Deutschland für nachhaltige Entwicklung haben, aber durchaus auch einzelnen politischen Themen. So nennen die Peers als ein zentrales Projekt der nachhaltigen Entwicklung in Deutschland die Energiewende. In der Tat blickt die ganze Welt auf uns. Wir gehen hier in Sachen erneuerbare Energien voran.
Der Peer Review stammt aus dem Jahr 2013. Darin fordern die Peers eine klare Koordination und Planung der Energiewende. Am Ende des Jahres 2014 können wir feststellen: Deutschland macht seine Hausaufgaben. Unser Wirtschafts- und Energieminister schultert dieses Vorhaben gerade. Er bringt Planungssicherheit und Rahmenbedingungen für einen geordneten Ausbau der erneuerbaren Energien zusammen. Das ist nicht einfach. Hier geht es nicht zuletzt um viel Geld. Aber eines möchte ich hier sagen: Sigmar Gabriel macht einen richtig guten Job.
(Beifall bei der SPD)
Deutschland kann auf die Energiewende stolz sein.
Herr Kollege Zdebel, Sie haben Fracking angesprochen, dazu muss ich sagen: Die Peers reagieren schlicht und einfach deshalb nicht auf die Fracking-Gesetze der Bundesregierung, weil sie sich schon im Jahr 2013 geäußert haben. Sie haben es ja erwähnt, Herr Zdebel: Sie sind nicht Mitglied im Parlamentarischen Beirat für nachhaltige Entwicklung; deswegen haben Sie an dessen Diskussionen nicht teilgenommen. Von daher ist Ihnen Ihre Anmerkung vielleicht nachzusehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine Errungenschaft des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung, dass jedes Gesetz über seinen Tisch geht. Wir überprüfen, ob in den Vorlagen die sogenannten Indikatoren und Managementregeln berücksichtigt wurden –
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nur formal!)
eine wichtige Aufgabe des Parlamentarischen Beirats, aber es ist eine rein formale Prüfung, die wir da bisher vornehmen; gut, aber nicht gut genug.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Wenn wir das Prinzip der Nachhaltigkeit ins Bewusstsein rücken wollen, wenn wir Nachhaltigkeit immer mitdenken wollen, dann dürfen wir hier nicht stehen bleiben. Wir wollen hin zu einer inhaltlichen Prüfung.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schauen wir mal, ob das gelingt!)
Wir wollen uns einmischen. Einen Schritt in die richtige Richtung gehen wir in zwei Wochen. Auf Anregung der SPD und unseres zuständigen Kollegen im Umweltausschuss, Michael Thews, werden wir am 17. Dezember eine öffentliche Anhörung im Beirat zum Thema Produktverantwortung durchführen. Die Produktverantwortung ist Teil des Wertstoffgesetzes, das das parlamentarische Verfahren bald erreichen wird.
Da stellen sich dann ganz zentrale Fragen: Wie können wir Anreize für Hersteller schaffen, schon beim Produktdesign Abfallvermeidung zu berücksichtigen und auch dort schon an die leichte und effiziente Recycelbarkeit zu denken? Wie kann dies durch Forschungsvorhaben oder gesetzliche Vorschriften unterstützt werden? Wie kann die Produktverantwortung insgesamt zu einem sinnvollen Steuerungselement der Ressourcenschonung werden? Hier kann und hier wird die Debatte im Parlamentarischen Beirat hoffentlich Impulse setzen. Sie alle sind zu der Anhörung natürlich herzlich eingeladen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte an der Stelle aber auch kritisch sein. Das alles geht nicht oder jedenfalls nicht so gut, wie wir uns das wünschen, mit unserer bisherigen Ausstattung. Auch die Peers kamen zu dem Schluss, dass es dringend einer besseren personellen Ausstattung bedarf. Wir brauchen ein größeres Beiratssekretariat, damit es uns bei der Vorbereitung der Gesetzesprüfung unterstützen kann; genauso benötigen wir dringend Strukturen und Personal in den Fraktionen, die die Arbeit für die Nachhaltigkeit stärken.
Meine Meinung ist, dass es nicht sein kann, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Abgeordnetenbüros neben all der Arbeit, die sie für uns zur Unterstützung in den regulären Ausschüssen leisten, für uns auch noch für die Berichterstattergruppen des Beirats arbeiten müssen; denn dies ist tatsächlich ein erheblicher Aufwand. Wie gesagt, wir beschäftigen uns mit sehr vielen Gesetzesvorlagen. Deshalb bitte ich darum, dass wir uns mit dem Thema beschäftigen, um eine bessere Ausstattung zu erreichen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wenn wir es ernst meinen mit einer inhaltlichen Nachhaltigkeitsprüfung der Vorlagen, dann stoßen wir an Grenzen. Wenn wir es ernst meinen mit dem Koalitionsvertrag, in dem wir eine Stärkung des Parlamentarischen Beirats festgeschrieben haben, und wenn wir es ernst meinen mit all unseren Reden über die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit, dann brauchen wir diese bessere Ausstattung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, in dem wir uns im Beirat fraktionsübergreifend einig sind. In jeder Wahlperiode verliert der Beirat wertvolle Zeit, oft Monate, bis er wieder eingerichtet ist. Hier suchen wir gerade nach einem praktikablen Verfahren, wie man das besser machen kann. Meine Meinung – ich glaube, auch die der meisten Beiratsmitglieder – ist, dass wir den Beirat am besten verstetigen können, indem wir ihn in der Geschäftsordnung verankern. Ich hoffe, dass wir auch hier gute Diskussionen führen können und am Ende zu einem guten Ergebnis kommen.
Ich glaube, dass dieser Weg lohnend ist. In meiner Vorstellung entwickelt sich der Parlamentarische Beirat zu einem Ort, an dem weitblickend angelegte Debatten zu wichtigen Fragen geführt werden können. Nachhaltige Politik ist eben mehr als Umweltpolitik im neuen Gewand; sie ist auch mehr als der berühmte Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Nachhaltigkeitspolitik, wie ich sie mir vorstelle, nimmt die langen Zeitschienen in den Blick.
Genau hier sehe ich den Parlamentarischen Beirat als den Ort der Debatte und als Impulsgeber. Natürlich werden wir nicht für alle Fragen Lösungen liefern können; aber ich bin der Überzeugung, dass es dem deutschen Parlament gut anstehen würde, einen solchen Ort zu haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben in Deutschland hervorragende Ansätze, wie uns der Peer Review bescheinigt: eine nationale Nachhaltigkeitsstrategie, den Staatssekretärsausschuss mit seiner Verankerung im Bundeskanzleramt, den Rat für nachhaltige Entwicklung, der die Regierung berät. Aber wir als Parlament müssen noch etwas nachlegen; wir hinken da etwas hinterher.
Erlauben Sie mir noch eine Bemerkung zum Schluss. Wenn ich mir die späte, die nächtliche Debattenzeit vor Augen führe, muss ich sagen: Das ist schon ein Hinweis darauf, dass das Thema Nachhaltigkeit noch nicht in der Mitte des Bundestags angekommen ist. Da gehört es aber hin. Ich wünsche mir zu Weihnachten, dass wir die nächste Debatte über dieses Thema zu einem früheren Zeitpunkt, vielleicht bei Tageslicht, führen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank. – Da das schon das zweite Mal war, dass auf die Debattenzeit hingewiesen wurde, möchte ich nur darauf aufmerksam machen, dass sich alle diesbezüglich an ihre Parlamentarischen Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen wenden; denn die bestimmen die Debattenzeit. Das macht nicht das Präsidium. Bitten Sie sie, dass beim nächsten Mal alle Themen morgens behandelt werden. Dann müssen wir sehen, wie wir das parallel hinbekommen; vielleicht klappt das ja.
Nächste Rednerin für Bündnis 90/Die Grünen ist jetzt Dr. Valerie Wilms.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da können wir einfach mal mitklatschen! – Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Valerie hat es verdient!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4223209 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 73 |
Tagesordnungspunkt | Nationale Nachhaltigkeitsstrategie |