Iris GleickeSPD - System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Meisterbrief, bei der dualen Ausbildung und bei der Selbstverwaltung der Wirtschaft handelt es sich um gewachsene Strukturen, die ihre Tragfähigkeit unter Beweis gestellt haben. Sie machen den Mittelstand in Deutschland so stark, wie er ist.
Wenn wir sagen, dass der Meisterbrief ein Eckpfeiler unserer Wirtschaft ist und dass wir an der Meisterpflicht festhalten, dann ist das alles andere als ein Lippenbekenntnis. Wir sagen das aus der inneren Überzeugung heraus, dass die Meisterpflicht nicht nur für das Handwerk, sondern auch für unsere Wirtschaft und für unsere Zukunft unverzichtbar ist.
Auch in Zukunft werden die Meister nicht vom Himmel fallen. Unser duales System, unsere berufliche Aus- und Weiterbildung sind die Basis für unsere Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt, Kollege Gambke, eben auch für die Kammern und die Zwangsmitgliedschaft. Es ist nämlich so, dass die Grünen bei weitem nicht der Meinung sind, dass das das richtige System ist.
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die FDP auch nicht! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Falsch! Wir haben einen ganz anderen Beschluss!)
Es gibt einen inneren Zusammenhang, die Kammern einzubeziehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben europaweit die geringste Jugendarbeitslosigkeit. Es ist auch kein Zufall, dass man in vielen Ländern durchaus mit einem gewissen Neid auf unsere duale Ausbildung blickt.
(Zuruf von der CDU: So ist es!)
Das Handwerk bietet jungen Menschen Chancen und berufliche Perspektiven. Der Grund ist einfach: In der beruflichen Bildung sind Theorie und Praxis optimal miteinander verzahnt. So können die Jugendlichen frühzeitig in die Arbeitswelt integriert werden.
Herzstück der dualen Ausbildung sind die kleinen und mittleren Unternehmen. Sie stellen nicht nur zwei von drei Arbeitsplätzen in der deutschen Wirtschaft, sondern auch vier von fünf Ausbildungsplätzen. In über 130 Gewerken bilden Handwerksbetriebe rund 400 000 junge Menschen aus. Jährlich werden rund 120 000 neue Ausbildungsverträge geschlossen.
Im Jahr 2012 waren 11 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im meisterpflichtigen Handwerk Auszubildende. Die Ausbildungsquote war damit mehr als doppelt so groß wie in der übrigen Wirtschaft.
Diejenigen, die das immer noch nicht davon überzeugt, dass es uns hier nicht um bloße Besitzstandswahrung für das Handwerk geht, sollten sich einmal genauer ansehen, welchen Beitrag das Handwerk zur Fachkräftesicherung leistet. Über 60 Prozent, also mehr als die Hälfte der Ausgebildeten, wandern später als qualifizierte Fachkräfte in andere Wirtschaftsbereiche ab. Frau Strothmann hat schon darauf hingewiesen.
Das lässt doch wohl nur einen Schluss zu: Die duale berufliche Bildung im Handwerk ist für unsere gesamte Wirtschaft von existenzieller Bedeutung.
Meine Damen und Herren, aber es geht hier nun wirklich nicht nur um wirtschaftliche Interessen.
Frau Gleicke, darf die Kollegin Andreae eine Zwischenfrage stellen oder eine Bemerkung machen?
Aber gerne.
(Zuruf von der CDU/CSU: Die ist nachher noch dran!)
Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Ich bin tatsächlich nachher noch einmal dran. Das wird mir dann nachher nicht von der Redezeit abgezogen.
Ich wollte Sie nur bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass die grüne Partei und die grüne Fraktion sich sehr eindeutig zum Kammerwesen bekennen und auch gesagt haben, dass das ein notwendiges Instrument in unserer wirtschaftspolitischen Gesamtheit ist. Es gibt von uns ein klares Bekenntnis zur Kammermitgliedschaft. Ich möchte Sie bitten, dies zur Kenntnis zu nehmen und zukünftig auch so zu referieren.
Ich nehme das gerne zur Kenntnis, auch als Bekenntnis. Sie haben dieses Thema in dieser Woche durchaus mit einer eigenen Veranstaltung auf die Tagesordnung gesetzt. Insofern wollen wir einmal schauen, was mit dieser Veranstaltung dann wird und ob es bei diesem Bekenntnis bleibt.
(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kritische Auseinandersetzung!)
Ich nehme das aber gerne für heute zur Kenntnis. Danke.
Meine Damen und Herren, ich will das noch einmal sagen: Es geht nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern es geht um die Zukunft der jungen Leute. Eine gute Ausbildung bietet nach wie vor den besten Schutz vor Arbeitslosigkeit. Eine gute Ausbildung schafft gute Perspektiven für diejenigen, die nicht mit einem silbernen Löffel im Mund auf die Welt gekommen sind.
Ich darf in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir in letzter Zeit immer wieder über Integration gesprochen haben, nicht zuletzt mit Blick auf die Menschen mit Migrationshintergrund. Da kann man ruhig einmal darauf hinweisen, dass die Ausbildung im Handwerk ein wichtiger Beitrag zu dieser Integration ist.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Man muss auch darauf hinweisen, dass das Handwerk in strukturschwächeren Regionen häufig der größte und wichtigste Arbeitgeber ist. Unsere Aus- und Weiterbildung ist zudem ein Motor der Innovation; Frau Poschmann hat darauf hingewiesen. Sie ist die Basis für unsere Zukunfts- und Wettbewerbsfähigkeit.
Meine Damen und Herren, für die duale Ausbildung im Handwerk ist die Meisterpflicht von herausragender Bedeutung. 95 Prozent der ausbildenden Betriebe zählen zum meisterpflichtigen Handwerk. Nur 5 Prozent gehören zum zulassungsfreien Handwerk.
Besonders die meistergeführten Betriebe tragen damit maßgeblich zu einer hochwertigen Berufsausbildung bei. Ein „Meister made in Germany“ ist Garant für eine hohe Ausbildungsqualität. In der Meisterschule werden neben fachlichen auch betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse vermittelt. Der Meisterbrief, der „große Befähigungsnachweis“, vermittelt Fachkompetenz für erfolgreiche Unternehmer, Ausbilder und Führungskräfte. Das schafft eine solide Basis für eine erfolgreiche Unternehmensführung, und das senkt nachweislich das Insolvenzrisiko von neugegründeten Betrieben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine Damen und Herren, der Meisterbrief steht auch für eine hohe Dienstleistungs- und Servicequalität und einen effektiven Verbraucherschutz. Auch das müssen wir in den Debatten immer wieder klarmachen. Das müssen wir auch unseren Freunden und Partnern in Europa klarmachen. Wir sollten die Diskussion mit der Kommission und den Mitgliedstaaten als Chance begreifen, unseren Partnern die deutschen Strukturen zu erklären. Wir sollten und wir werden die sogenannte Transparenzinitiative der Europäischen Kommission nutzen, um für unser System zu werben.
Mit der Transparenzinitiative hat die Kommission eine Überprüfung der mitgliedstaatlichen Regulierung des Berufszugangs eingeleitet. Sie zielt damit auf eine stärkere Öffnung des EU-Binnenmarkts. Bis zum nächsten Jahr stehen damit alle 41 meisterpflichtigen Handwerke auf einer Agenda der Rechtfertigung. Wir stehen da sehr wohl auf dem Prüfstand, aber wir müssen uns nicht verstecken; ganz im Gegenteil. Es macht aus meiner Sicht schlicht und ergreifend keinen Sinn, bewährte und ökonomisch sinnvolle Strukturen infrage zu stellen. Deshalb werden wir gegenüber der Kommission und den Mitgliedstaaten unser System mit all seinen Vorteilen darstellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Sie wissen, ich habe schon häufiger mit den zuständigen Menschen in der Kommission geredet; Herr Calleja war ein paar Mal hier in Deutschland. Wir haben die Lage immer wieder deutlich gemacht. Ein bisschen scheint der stete Tropfen den Stein zu höhlen. Die Meisterpflicht steht für die Bundesregierung nicht zur Disposition. Das haben Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister und auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel klipp und klar gesagt.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist er eigentlich?)
Meine Damen und Herren, wir setzen heute ein starkes und ein unmissverständliches Signal für das Handwerk. Ich bin den Koalitionsfraktionen für diesen Antrag sehr dankbar, der auch einen Schulterschluss mit dem Handwerk darstellt. Dabei geht es eben nicht um Besitzstandswahrung oder dergleichen. Es geht nicht darum, angeblich überkommene Traditionen um jeden Preis und mit aller Gewalt bewahren zu wollen. Nein, es geht um ein Erfolgsmodell. Es geht um Strukturen, die sich bewährt haben und die es zu bewahren gilt.
In diesem Sinne herzlichen Dank für die Debatte am heutigen Morgen und dafür, dass Sie mir zugehört haben.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Nächste Rednerin ist die Kollegin Sabine Zimmermann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4224717 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe |