05.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 74 / Tagesordnungspunkt 26

Barbara LanzingerCDU/CSU - System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe

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Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! „ Handwerk hat goldenen Boden“ ist auch ein Sprichwort.

(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Handwerk hat grünen Boden! – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Grünen Boden“ ist auch hübsch! – Gegenruf der Abg. Lena Strothmann [CDU/CSU]: Gott sei Dank nicht!)

– Na ja, im Sprichwort heißt es halt „goldenen Boden“ und nicht „grünen Boden“; ich glaube, so weit sind wir uns schon einig, oder?

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! – Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)

– Gut, in Ordnung. – Das Gold glänzt nicht mehr ganz so, wie es früher einmal geglänzt hat: Es gibt viele Auflagen und viele Anforderungen an unser Handwerk und gerade an unsere kleinen und mittleren mittelständischen Betriebe. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb, weil diese Kraft dahintersteckt, ist das Handwerk das Rückgrat unserer Wirtschaft. Ich glaube, gerade diese kleinen und mittleren mittelständischen Betriebe haben uns in Deutschland die letzten Jahre, wo es wirtschaftlich gesehen ja nicht so einfach war, sehr wohl geholfen; ich denke, das muss man festhalten. Wir müssen alles tun, um diese Kraft zu stärken, und dürfen sie nicht schwächen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Handwerksbetriebe mit ihren ausgezeichnet ausgebildeten Beschäftigten und vorneweg den Meisterinnen und Meistern sind – das wurde heute schon ein paarmal erwähnt – das Herzstück und – auch das sage ich ganz bewusst – der Puls unseres Mittelstandes.

Meine Vorredner haben vieles erwähnt; man könnte auch sagen, ich hätte von denjenigen, die schon gesprochen haben, abgeschrieben, oder ich wiederholte, was schon gesprochen wurde. Ich sage aber: Es gibt auch ein altes Sprichwort in der Werbeindustrie. Demnach muss man vieles mehrfach sagen und hören, damit es tatsächlich ankommt und angenommen wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb sage ich noch einmal ganz deutlich in meiner Rede: Unsere hohe Qualität – made in Germany – ist Präzisionsarbeit, und unsere Leistungsfähigkeit kommt nicht irgendwoher oder von ungefähr. Unsere Basis dafür ist eine gute, fundierte Ausbildung, ist das Können, sind bewährte Strukturen, auf die wir zurückgreifen können, mündend auch im Meisterbrief, und zwar – auch das sage ich ganz deutlich – nicht nur im Meisterbrief, sondern vor allem auch im Meistervorbehalt. Ich denke, es ist wichtig, dies deutlich zu machen; denn es geht auf europäischer Ebene nicht darum, den Meisterbrief zu untersuchen, sondern vor allem den Meistervorbehalt, sprich: Wie kann ich mich selbstständig machen, nur mit einem Meister? – Der Meisterbrief steht nicht zur Disposition.

Es ist auch richtig – ich wiederhole es ganz bewusst –: Bereits Ludwig Erhard hat ganz deutlich gesagt, dass es sich bei dem Meisterbrief nicht um eine Einschränkung, sondern um einen Nachweis zur Befähigung handelt. Der Meisterbrief – ich glaube, wir sind uns hier alle einig – ist beileibe kein Hemmnis und schon gar keine Marktzugangsbeschränkung, sondern ist vielmehr ein wirksames Instrument zur Leistungssteigerung insgesamt, durch das im Handwerk erst die Voraussetzungen für Wettbewerb geschaffen werden, den wir in unserer Wirtschaft dringend brauchen.

Es ist falsch, von einer Reglementierung zu sprechen und damit negative Verbindungen herzustellen. Immer wenn das Wort „Reglementierung“ fällt, denkt man an Bürokratie und Bürokratieabbau. Das ist in diesem Fall falsch. Man muss hier sehr wohl differenzieren. Hier ist die Reglementierung positiv, absolut positiv für mehr Qualität. Wir müssen uns gemeinsam bei der Umsetzung der EU-Richtlinien zur Reglementierung der Berufe für den Erhalt des Instruments Meisterbrief und damit des Meistervorbehalts starkmachen und dafür kämpfen, dass dieses bewährte Instrument der Leistungssteigerung erhalten bleibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die EU-Kommission verfolgt mit ihrem Aufruf zur Überprüfung das Ziel – ich wiederhole das noch einmal –, durch den Abbau von Regulierung mehr Beschäftigung und Wachstum zu schaffen. Daher sollen wir im Zuge eines gegenseitigen Evaluierungsprozesses die Zugangsschranken für regulierte Berufe genau überprüfen und begründen. Aus meiner Sicht – ich denke, wir sind uns hier einig – muss die Überprüfung und Begründung heißen, den Meisterbrief nicht nur zu erhalten, sondern zu stärken. Warum? Weil die Ausbildung vom Gesellen über die Berufserfahrung hin zum Meister die Basis für einen qualifizierten und leistungsstarken Wirtschaftsbereich und auch – das sage ich ganz deutlich – für eine solide und wirtschaftliche Unternehmenspolitik ist. Das ist ein Qualitätssiegel und ein Gütesiegel erster Klasse.

Die Idee von mehr Wachstum und mehr Beschäftigung im Zuge von Dienstleistungsfreiheit auf dem europäischen Binnenmarkt ist wirtschaftlich interessant. Es ist jedoch sehr wohl fraglich, ob dies durch die Abschaffung des wertvollen Instruments der Meisterprüfung und damit unserer dualen Ausbildung erreicht werden kann und erreicht werden sollte.

Ich wiederhole auch – das wurde schon einige Male erwähnt –: Wir dürfen nicht – ich nenne es ganz bewusst so – über Qualitätsleichen gehen, um eine europäische Liberalisierung zu erreichen. Die Erfahrungen der Handwerksnovelle 2004 zeigen uns schon deutlich, dass sie nicht geholfen hat, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln oder gar den grenzüberschreitenden Austausch von Handel und Dienstleistungen zu beflügeln. Ganz im Gegenteil: Die Abschaffung der 53 zulassungspflichtigen Gewerke hat bei uns zu einem Qualitätsverlust – ich sage es ganz deutlich: zu einem enormen Qualitätsverlust – geführt.

(Gunther Krichbaum [CDU/CSU]: Und Ausbildungsverlust!)

Das darf nicht noch einmal passieren.

Weil man auch in der Politik schlauer werden kann, haben wir heute diesen Antrag gestellt. Denn wir wollen im Zusammenhang mit der neuen Evaluierung nicht wieder den gleichen Fehler machen. Wir sagen ganz klar: Wir müssen den Meister und den Meistervorbehalt erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Es stimmt – ich erwähne das ganz bewusst –, dass sich wegen der damaligen Novellierung heute jeder als Fliesenleger, als Trockenbauer selbstständig machen kann. Wenn man heute auf dem Bau arbeitet – da weiß ich, wovon ich spreche –, dann erlebt man schon, dass Meisterbetriebe, deren Mitarbeiter eine gute Ausbildung haben, tatsächlich das ausbaden müssen, was vorher kaputtgemacht worden ist. Deren Auftragsbücher sind aber übervoll; ich bekomme sie gar nicht auf den Bau, wenn es tatsächlich zu Pfusch am Bau gekommen ist. Das ist so, und insofern müssen wir dafür sorgen, dass solche Dinge nicht mehr passieren.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wie? Sie müssen mal was vorlegen!)

Einer meiner Handwerksmeister erzählt mir immer: Ein gut ausgebildeter Koch, der keine Arbeit kriegt, kann sich als Estrichleger selbstständig machen. Er weiß aber nicht, welche Dämmung darunter ist. Der Metzger, der in seinem Gewerk eigentlich auch sehr gut ist, legt dann die Fliesen drauf. Dabei kommt nichts Gutes heraus; eine solche „Wurst“ kann man nicht essen.

Es ist auch so, dass sich viele Dienstleister, zum Beispiel Hausmeister, als Handwerker niederlassen. Da müssen wir schon vorsichtig sein und ganz genau aufpassen, dass die Reglementierung im positiven Sinn in diesem Fall erhalten bleibt.

(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir ja gar nichts dagegen!)

Ich möchte einen Punkt erwähnen, der heute noch nicht erwähnt worden ist: die Altgesellenregelung, die es nach wie vor gibt. Gesellen, die über Jahre hinweg in ihrem Betrieb gearbeitet haben, können sich demnach auch ohne Meisterbrief selbstständig machen und sehr wohl einen Betrieb eröffnen.

(Dr. Thomas Gambke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nach 25 Jahren! Ist das nicht ein bisschen lang?)

Ich denke, es ist sehr wichtig, noch einmal darauf hinzuweisen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: die Meisterfrauen im Handwerk. Ich erwähne sie ganz bewusst.

(Beifall der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

– Danke schön. – Wir haben über viele Jahre hinweg darum gerungen, dass die Meisterfrauen im Handwerk sozialversicherungspflichtig angemeldet sind, was früher nicht so selbstverständlich war; da wurde halt einfach mitgearbeitet. Wir haben heute eine hohe Qualifikation der – ich sage es jetzt mal so – angeheirateten Meisterfrauen; ich bin auch so eine angeheiratete Mittelständlerin. Man muss hier schon etwas leisten, man muss sich fortbilden, weil man oftmals aus branchenfremden Berufen kommt. Die Meisterfrauen im Handwerk – sie nennen sich so – sind ganz wichtig, weil sie unendlich vieles leisten, wie soziales, gesellschaftliches Engagement etwa im Hinblick auf die Auszubildenden in den Betrieben, die sie oftmals begleiten. Gerade die Ausbildung im Handwerk ist sehr nah an den Hauptschulen dran, die uns sehr wichtig sind. Es ist manchmal nicht ganz einfach, diese jungen Leute wirklich zu fördern und nach vorne zu bringen.

Ich fasse zusammen. Dies alles zeigt: Das Handwerk ist für die regionale Wertschöpfung, für unsere gesellschaftspolitische Entwicklung enorm wichtig. Es sichert in der Region die Bevölkerungsstruktur, die wir brauchen; es hält Jugendliche in den Heimatregionen und verhindert die Abwanderung in die Städte.

Ich möchte ganz kurz Folgendes erwähnen. Sie alle wissen, ich komme aus Bayern. Ich denke schon, dass man sagen sollte, dass mit der Abschaffung der Studiengebühren in Bayern – es ist unerheblich, ob ich damals damit einverstanden war – die Schaffung des sogenannten Meisterbonus in Höhe von 1 000 Euro einherging, den wir denjenigen, die die Meisterprüfung machen, zusätzlich bezahlen, um sie zu unterstützen. Das ist sicherlich nicht genug, aber es ist ein deutlicher Anreiz. An den Fachhochschulen haben wir Studiengänge, in denen Meister studieren können und dort einen Abschluss, den Bachelor, machen können. Ich denke, das ist richtig, um den jungen Menschen, den Gesellen, den Gesellinnen und den Meistern, einen Weg zu ebnen und sie ein Stück weit mit Studenten gleichzustellen. Es gibt die immer fortwährende Diskussion, ob nur ein Studium richtig ist. Ich halte das für falsch. Ich denke, es ist ganz wichtig, hier deutliche Zeichen zu setzen.

Ich möchte schließen. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere wertvollen nationalen Regeln zum Berufszugang insgesamt nicht zunehmend verwässern. Uns erwartet da im Rahmen der Transparenzrichtlinie noch einiges, gerade was die freien Berufe betrifft. Da bitte ich einfach alle, auch mitzuhelfen.

Schließen möchte ich mit dem wunderschönen Satz, der mich eigentlich mein ganzes Leben lang begleitet hat: Gott schütze das ehrbare Handwerk!

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Martin Rabanus ist der nächste Redner für die SPD.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4226607
Wahlperiode 18
Sitzung 74
Tagesordnungspunkt System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe
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