Thomas FeistCDU/CSU - System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe
Vielen Dank, Herr Präsident. Ich war nur ganz kurz etwas unsicher; denn Ihr Wort ist mir natürlich Befehl. Aufgrund der Qualität der heutigen Schriftführerliste kann das schon einmal passieren, dass man „Martin“ statt „Thomas“ liest.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über einen Antrag zum Meisterbrief. Man muss sich den Hintergrund dieses Antrags vor Augen führen. Die Europäische Kommission hatte festgestellt: In vielen Handwerksbranchen, einschließlich des Baugewerbes, ist nach wie vor ein Meisterbrief oder eine gleichwertige Qualifikation erforderlich, um einen Betrieb zu führen. – Liebe EU-Kommission, das ist richtig, und daran werden wir festhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Warum macht die Europäische Kommission Vorgaben? Ich glaube nicht, dass sie dies tut, um uns zu ärgern. Was steckt dann also dahinter? Es ist die Frage: Wie mobil können Menschen in Europa sein? Wie einfach ist die Freizügigkeit in Europa gerade auch im beruflichen Sektor?
Ja, es ist richtig, Mobilität zu fördern. Aber genauso wichtig ist es, zu erkennen, dass Mobilität Qualität voraussetzt, und Qualität im Bereich der Berufe und auch im Bereich der beruflichen Bildung erreichen wir nur durch eine starke Verzahnung von einem theoretischen Teil und einem praktischen Teil, die dadurch sichergestellt wird, dass Berufsschullehrer und Meister in hervorragender Art und Weise zusammenarbeiten. Liebe Europäische Kommission, dies könnte doch ein Beispiel für ganz Europa sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Über den Stellenwert von beruflicher Bildung und akademischer Bildung ist bereits gesprochen worden. Da schlagen – wie einige Kollegen wissen – zwei Herzen in meiner Brust. Ich habe einen Gesellenbrief als Heizungsmonteur und einen Doktortitel in Musikwissenschaft; eine typische ostdeutsche Bildungsbiografie, die aber überall möglich ist.
(Lachen des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])
– Es muss nicht jeder Musikwissenschaftler werden; das ist in Ordnung. Aber dann wird man auch nicht gewählt; das ist die Gefahr gerade in Thüringen. –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja hochkomplex!)
Diese beiden Herzen schlagen also in meiner Brust. Deswegen ist es mir wichtig, dass wir in dieser Debatte die akademische nicht gegen die berufliche Bildung ausspielen, sondern die Gleichwertigkeit von beiden betonen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wünsche mir für den Verlauf der weiteren Beratung, dass wir die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung anerkennen. Im Deutschen Qualifikationsrahmen haben wir dazu einiges gesagt. Auch im Europäischen Qualifikationsrahmen ist uns diesbezüglich Entscheidendes gelungen. Lassen Sie uns daran festhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vor dem Hintergrund der Bildungsbiografien kann man natürlich darüber diskutieren, ob es nicht besser wäre, wenn eine berufliche Ausbildung der Regelfall wäre und wenn der gesellschaftliche Druck, ein Studium aufzunehmen, nicht noch mehr zunähme. Man kann diese Frage stellen. Vor dem Hintergrund, dass ungefähr 30 Prozent der Studienanfänger ihr Studium vorzeitig abbrechen, sollte man diese Frage sogar stellen. Dann zu sagen – dieses Argument ist in dieser Debatte vorgetragen worden –, dass bei einem Studienabbruch die berufliche Bildung immer noch gut genug ist, halte ich für den genau falschen Hinweis.
(Beifall des Abg. Willi Brase [SPD])
Wir müssen vielmehr sagen: Berufliche Bildung hat ihren Wert, und aufgrund der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems kann jeder mit jeder Qualifikation alles erreichen. Das müssen wir den jungen Leuten noch deutlicher sagen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Was tun wir als Bund und wir Bildungspolitiker für die berufliche Bildung? Wir setzen – Kollege Rabanus hat es angesprochen – Geld ein. Das ist gut und richtig. Das ist prima investiertes Geld. Aber auch in Sachen Meisterbrief sind wir nicht untätig. Wir geben beispielsweise 24 Millionen Euro im Jahr für die Begabtenstiftung aus. Dadurch haben die Leute, die sich auf eine Meisterprüfung vorbereiten, die Möglichkeit, bis zu zwei Jahre lang einen bestimmten Betrag als Stipendium zu erhalten.
(Axel Knoerig [CDU/CSU]: Gute Sache!)
Ich sage Ihnen: Drei Viertel der jungen Menschen, die diese Förderung bekommen, nutzen sie, um eine Meisterprüfung abzulegen. Lassen Sie uns schauen, wie wir sie noch weiter ausbauen können.
Führen wir uns noch einmal die duale Ausbildung vor Augen. Als Bildungspolitiker ist mir dieses Thema ein wichtiges Anliegen. Es geht nicht nur um die Frage, wie erfolgreich das Handwerk ist, sondern es geht auch um das Image des Handwerks. Für junge Leute, die noch nicht wissen, welchen Lebensweg sie einschlagen wollen – Berufsausbildung oder Studium –, spielt das Image eine wichtige Rolle. Das Handwerk hat mit seiner Imagekampagne viel dazu beigetragen, dass die Attraktivität einer Ausbildung in einem Handwerksberuf gestiegen ist. Das spiegelt sich noch nicht überall in den Zahlen wider; aber beispielsweise in Sachsen haben wir bei den Ausbildungsverhältnissen im Handwerk im letzten Jahr einen Zuwachs von 4 Prozent verzeichnen können. Wir sollten den jungen Leuten sagen: Fangt eine Ausbildung im Handwerk an, bringt euch ein, und später könnt ihr euch vielleicht weiterqualifizieren. Das ist der richtige Ansatz. Dazu sollten wir die jungen Leute ermutigen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für die Ausbildung im Handwerk ist eine Person von zentraler Bedeutung: der Meister. Der Meister steht wie kein anderer für das Handwerk. Das sind Menschen, die mitten im Leben stehen. Das sind Menschen, die Berufs- und Bildungserfahrung haben. Das sind Menschen, die sich für andere einsetzen. Da wir heute den Tag des Ehrenamtes haben, kann man schon einmal sagen, dass nicht nur das ehrenamtliche Engagement der Meister in den Handwerkskammern ein hohes Gut ist, sondern auch das darüber hinausgehende Engagement vieler Handwerksmeister. Beispielsweise engagieren sich viele für die Weiterbildung derjenigen, die in ihrem ersten Bildungsweg nicht so erfolgreich waren.
Wir sollten die Meister auch deswegen stärken, weil wir dem Handwerk ein Gesicht geben müssen. Deswegen ist dieser Antrag trotz aller Kritik am Antragstext, die verschiedentlich geäußert worden ist, wichtig. Es ist doch richtig, dass sich das deutsche Parlament in diese Debatte einbringt und sagt: Wir entscheiden uns für eine Unterstützung des Handwerks; wir entscheiden uns für eine Unterstützung des Meisterbriefs. – Das ist doch ein wichtiges Signal nach draußen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Zuruf der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN])
– Den Elan habe ich mir von Ihnen, Frau Andreae, abgeschaut.
(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schön! Da freue ich mich!)
Allerdings: Ich fokussiere mich auf die Inhalte. Das ist der Unterschied.
Wenn wir nach Europa und darüber hinaus schauen, dann stellen wir fest, dass oft gefragt wird: Wie können wir etwas für unsere jungen Menschen im Bereich der dualen beruflichen Bildung tun? – Oftmals wird vergessen, welchen Anteil die Unternehmen mit ihren Meistern an der Ausbildung haben und welche finanziellen Mittel eingesetzt werden. 24 Milliarden Euro im Jahr, die die Unternehmen einsetzen, sind doch kein Pappenstiel. Übrigens sind viele davon kleine und mittlere Unternehmen, die einen Meister oder eine Meisterin an der Spitze haben.
Schauen wir einmal über Europa hinaus. Wo sind denn die Länder, in denen Hochtechnologie und Produktion, also Wertschöpfung im eigenen Land, am besten miteinander verbunden werden? Da fällt mir ein schönes Beispiel aus Israel ein. Dort gibt es einen Kibbuz, der Beth El heißt. Der stellt unter anderem Hochtechnologiegüter her. Der Kibbuz hat eine eigene Berufsschule mit Meistern. Dort werden nicht nur die eigenen Leute ausgebildet, sondern auch viele Zuwanderer, für die diese Ausbildungsstätte der erste Anlaufpunkt und eine Chance für eine gelungene Integration in die Gesellschaft ist. Dieses Modell sollte uns doch Mut machen. Wenn wir außerhalb unseres Landes unser System entdecken, sollten wir stolz darauf sein und dazu stehen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Dass der Meisterbrief in Deutschland auch in letzter Zeit eine stärkere Aufmerksamkeit erfahren hat, sieht man nicht zuletzt daran, dass sich auch unser Bundespräsident zu diesem Thema mehrfach geäußert hat. Ende November war Bundespräsident Gauck in Dresden und hat dort an einer Meisterfeier teilgenommen. Er hat davon gesprochen, wie wichtig diese Säule in Deutschland ist.
Dazu muss ich sagen: Ich verstehe oftmals Vorbehalte unserer europäischen Partner, die sagen: Jetzt kommen die Deutschen und wissen schon wieder irgendetwas besser. – In diesem Punkt kann ich sie beruhigen. Wir wissen nicht nur etwas besser, sondern wir machen das auch besser. Deswegen sollte dieses Modell des Meisterbriefs auch in Europa das Modell sein, an dem wir uns orientieren.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Da es manchmal schwierig ist, von Brüssel nach Berlin zu schauen und zu wissen, was die Abgeordneten hier machen, würde ich der Kommission empfehlen, in den Dokumenten nachzuschauen, die von der Parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg veröffentlicht worden sind. Dort habe ich in diesem Jahr eine Rede zu diesem Thema gehalten, das nach Europa gehört. Mit einem kurzen Zitat möchte ich schließen:
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4226660 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | System der zulassungspflichtigen Handwerkerberufe |