Jens KoeppenCDU/CSU - Stromsperren
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Lay, es fällt mir schon schwer, bei diesem Antrag kollegial und einigermaßen diplomatisch zu bleiben.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Wir sind gespannt!)
Das ist ein tiefer Griff in die Mottenkiste des Klassenkampfes. Sie haben eine schier unerschöpfliche Quelle von Schauanträgen, die Sie immer wieder hervorziehen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ein bisschen mehr Empathie für die betroffenen Menschen!)
Damit helfen Sie den Menschen aber nicht.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Sagen Sie uns doch mal, wie Sie den Menschen helfen wollen!)
Sie blenden die Menschen, und Sie werden damit auch zum politischen Gaukler. Das sollten Sie sich nicht antun.
Worum geht es? Sie haben den gleichen Antrag – wortgleich – vor zwei Jahren schon einmal gestellt.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, natürlich, es ist ja auch nichts passiert!)
Er musste mit den gleichen Fakten abgelehnt werden, die ich Ihnen jetzt auch wieder nennen werde und nennen muss; denn es hat sich ja nichts geändert.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, Sie haben nichts getan!)
Sie wollen mit diesem Antrag Stromsperren gesetzlich verbieten, wenn ein Abnehmer seine Rechnung nicht bezahlt. Der Bundestag soll also ein Gesetz machen, mit dem in das Eigentumsrecht eingegriffen wird. Das ist völlig absurd; denn jeder Leistungserbringer – ob es der Handwerksmeister, der Einzelhändler, der Onlinehändler, der Tante-Emma-Laden oder der Supermarkt ist – hat ein Recht darauf, dass seine Leistungen bezahlt werden, und er hat auch ein Recht darauf, dass der Rechtsstaat ihm hilft und ihn schützt.
Das, was Sie wollen, trifft ja nicht nur die aus Ihrer Sicht bösen großen Energieversorger, sondern – dazu wird es nicht kommen – es würde auch die Stadtwerke treffen, den Windmüller, alle Energieversorger, also auch die Kommunen, die Landkreise, die Städte und Gemeinden, und das, meine Damen und Herren, ist völlig absurd.
(Zuruf von der LINKEN: Sollen die Leute im Dunkeln sitzen, oder was? – Sabine Leidig [DIE LINKE]: In Frankreich brechen die doch auch nicht zusammen!)
Nun kommen wir zu den Fakten. Sie schreiben in Ihrem Antrag: Es ist eine soziale Katastrophe in Deutschland.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Ja, stimmt!)
Jetzt nenne ich Ihnen einmal die Fakten, was die Unterstützung des Sozialstaates angeht. Menschen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, haben ein Recht darauf – Sie sprechen ja insbesondere die Hartz-IV-Empfänger an –, im Rahmen der Grundsicherung über das SGB II folgende Leistungen zu erhalten: einen Regelsatz von circa 400 Euro; darin sind übrigens die 30 Euro Stromkosten eingerechnet und eingepreist.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und wenn die Stromkosten höher sind?)
Diese Menschen bekommen die Kosten der Unterkunft sowie die Heizungskosten komplett bezahlt. Diese Menschen bekommen die Kosten für Warmwasser komplett bezahlt. All das erfolgt im Rahmen der Angemessenheit, wenn ihnen kein unwirtschaftliches Verhalten nachgewiesen wird. Und das kann ihnen auch nicht nachgewiesen werden. Demzufolge bekommen sie das bezahlt. Darüber hinaus werden Mehrbedarfe und Zuschläge bezahlt, zum Beispiel für Schwangere, Alleinerziehende oder Behinderte. Sie bekommen beim Erstbezug einer Wohnung Hausgeräte bezahlt.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit der Stromsperre zu tun?)
Sie bekommen die Krankenversicherung bezahlt. Es gibt ein Milliardenpaket des Bundes für Bildung und Teilhabe.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das jetzt mit dem Thema zu tun? Das ist eine totale Sozialneiddebatte, die Sie anfangen!)
Die Kinder und Jugendlichen, die davon profitieren, dürfen in den Sportverein gehen, dürfen die Musikschule besuchen. Sie dürfen an Klassenfahrten teilnehmen. Sie bekommen eine Förderung für die Schule. Sie bekommen eine Lernförderung. Sie bekommen Mittagessen.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja eine peinliche Rede!)
Sie bekommen die Schülerbeförderung bezahlt. Und dann gibt es auch noch Eingliederungshilfe, wenn die Menschen in Arbeit kommen; das heißt, sie bekommen ein Einstiegsgeld.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unverschämtheit! – Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Reden Sie doch mal bitte zum Thema!)
Sie bekommen Bewerbungskosten bezahlt. Sie bekommen die Berufsausbildung bezahlt. Sie bekommen Mobilitätskosten bezahlt, wenn sie eine Arbeit gefunden haben.
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Können Sie mal zum Thema reden, statt über den Sozialstaat zu schimpfen?)
Die Menschen können alle diese Möglichkeiten nutzen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und dann reden Sie, meine Damen und Herren von der Linken, in Ihrem Antrag von „Armut per Gesetz“. Wovon reden Sie eigentlich? Vor allen Dingen reden Sie von einer „sozialen Katastrophe“. Ich will Ihnen sagen, was eine Katastrophe ist:
(Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit Kritik hat das überhaupt nichts zu tun!)
Dieser Antrag ist eine Katastrophe.
(Beifall bei der CDU/CSU – Caren Lay [DIE LINKE]: Mein Gott! Das ist ja eine arrogante Haltung gegenüber den Betroffenen!)
Kommen wir jetzt zum Bundeshaushalt.
Herr Kollege Koeppen, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Bulling-Schröter?
Nein. Ich würde ganz gerne fortfahren – vor zwei Jahren wurde der Antrag ja schon einmal eingebracht –, damit Sie es endlich einmal verstehen. Wenn Sie es danach immer noch nicht verstanden haben, dann können Sie nachfragen.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Wir stellen diesen Antrag, weil Sie nicht handeln! Feigling!)
Fast 42 Prozent der Ausgaben im Bundeshaushalt 2014 entfallen auf Arbeit und Soziales. Das entspricht 122 Milliarden Euro. Im Bundeshaushalt 2015 sind die Ausgaben sogar noch höher. Da reden Sie von „unsozial“. Ich will Ihnen sagen, was das ist: Das ist unredlich, das ist ignorant, und das ist vor allen Dingen dreist. Das sind haarsträubende Schauergeschichten, die Sie hier erzählen.
(Caren Lay [DIE LINKE]: Reden Sie doch mal mit den Betroffenen!)
Kommen wir zur Wahrheit: Bund, Länder und Kommunen lassen die Bedürftigen natürlich nicht, wie Sie behaupten, im Dunkeln sitzen. Diese Menschen werden auch nicht erfrieren; denn jeder hat ein Recht auf Sozialhilfe, jeder hat ein Recht auf Transferleistungen der Gesellschaft. Das ist Solidarität mit den Menschen, die das brauchen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das werden wir natürlich auch so fortsetzen.
Kommen wir zu einem anderen Punkt in Ihrem Antrag. Sie schreiben in Ihrem letzten Absatz, dass in Deutschland „Stromsperren rechtlich völlig unterreguliert“ sind. – Frau Präsidentin, darf ich „unwahr“ sagen?
Sie dürfen „unwahr“ sagen.
Das ist unwahr, und das ist vor allen Dingen auch völlig absurd. Ich will Ihnen sagen, dass die Rechtsgrundlage für Stromsperren in § 19 der Stromgrundversorgungsverordnung geregelt ist. Dort sind vier Voraussetzungen glasklar definiert:
Erstens. Man muss mit mindestens 100 Euro in Zahlungsverzug sein. Wenn die Summe darunter liegt, wird nicht reagiert. Wenn sie darüber liegt, ist das auch nicht so gut, weil man, wenn jemand schon verschuldet ist, nicht möchte, dass die Schulden weiter anwachsen. Also sind 100 Euro die Grenze.
Zweitens. Die Verhältnismäßigkeit muss gegeben sein. Das, was Sie vorgebracht haben, würde nach § 19 überhaupt nicht gestattet werden. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit darf der Strom, wenn die Gesundheit von Bedürftigen – von Kindern, von alten Menschen oder von Menschen, die krank sind – gefährdet ist, laut dieser Verordnung nicht abgeschaltet werden. Darüber hinaus bedeutet Verhältnismäßigkeit: Wenn abzusehen ist, dass der Kunde anfängt, seine Schulden in Raten abzuzahlen, auch wenn es kleine Raten sind, wird der Strom nicht abgeschaltet.
Drittens. Es muss eine Sperrandrohung geben. Diese muss mindestens vier Wochen vorher, klar und deutlich definiert, schriftlich beim Kunden eingehen.
Viertens. Es muss eine weitere Sperrankündigung mit ganz konkretem Datum geben. Diese muss drei Tage vorher schriftlich beim Kunden eingehen. Erst dann kann man überhaupt reagieren.
Zudem gibt es ein Darlehen vom Jobcenter, das man in Anspruch nehmen kann. Es gibt Beratungsangebote bei den Energieversorgern, wo der Kunde über Ratenzahlungen sprechen kann. Niemand, aber auch niemand, weder der Energieversorger, das Stadtwerk noch irgendjemand, der Energie liefert, hat ein Interesse daran, jemandem den Strom zu sperren. Niemand hat ein Interesse daran, auch nicht die Kommunen und die Städte.
Jetzt kommen wir zu dem Prepaid-Zähler. Natürlich ist der Prepaid-Zähler eine Variante – warum auch nicht? –, eine Möglichkeit, dass Kunden, die nicht haushalten können oder nicht haushalten wollen, lernen, mit dem Budget umzugehen, dass sie eine Kontrolle haben, Planbarkeit haben. Der Prepaid-Zähler ist ein zusätzliches Mittel, das wir evaluieren wollen. Vielleicht kommt es so letztendlich zu weniger Sperren.
Es gibt Pilotprojekte, wo die Energieversorger bzw. die Stadtwerke mit den Jobcentern in Verhandlungen treten und ein Frühwarnsystem entwickeln, indem, wenn einem Kunden eine Sperre angedroht wird, das Jobcenter sofort alles Weitere übernimmt, angefangen mit der Ratenzahlung, damit es eben nicht zur Sperre kommt. Diese Maßnahmen, die es bereits gibt, wollen wir weiter ausbauen.
Der Antrag der Linken ist purer Populismus, ist Effekthascherei. Solche Schauanträge helfen wirklich niemandem. Hören Sie auf mit diesen Dingen; denn das ist reine Energieverschwendung.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Vielen Dank. – Das Wort zu einer Kurzintervention hat jetzt die Kollegin Bulling-Schröter.
(Lena Strothmann [CDU/CSU]: Immer noch nicht überzeugt? – Gegenruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE]: Bei den Argumenten wohl kaum!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4226968 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | Stromsperren |