Barbara LanzingerCDU/CSU - Stromsperren
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen! Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Die in Ihrem Antrag „Stromsperren gesetzlich verbieten“ genannte Zahl der Haushalte, denen der Strom gesperrt wurde – rund 345 000 –, stammt aus dem Monitoringbericht der Bundesnetzagentur. Das ist ein leichter Anstieg von etwas mehr als 23 000 Unterbrechungen; auch das steht drin. Das klingt zunächst einmal viel. Aber wir müssen die Zahl ins richtige Verhältnis setzen. Wenn wir berücksichtigen, dass wir in Deutschland 40 Millionen Haushalte haben und 345 000 davon der Strom gesperrt wurde, betrifft das gerade einmal 0,8 Prozent der Haushalte.
In Ihrem Antrag sprechen Sie von einer „stillen sozialen Katastrophe stromloser Haushalte“. Das hört sich fürchterlich an, so als ob mehr als der Hälfte der Haushalte in Deutschland ständig der Strom abgestellt wird. Es sollte immer um das richtige Maß gehen, auch bei der Wortwahl. Fakt ist: Wir wissen alle nicht, warum in 345 000 Haushalten der Strom gesperrt wird. Welche Menschen sind betroffen? Betrifft das tatsächlich nur Hartz-IV-Empfänger? Das wissen wir nicht, das wissen Sie nicht.
(Jens Koeppen [CDU/CSU]: Genau so ist es!)
Bei rund 4 Millionen Leistungsempfängern machen die Stromsperren lediglich 9 Prozent aus. Ich gebe Ihnen recht: Jeder ist einer zu viel.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Aber daraus zu schließen, dass wir in Deutschland eine Energiearmut haben, halte ich doch für sehr überzogen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Marcus Held [SPD])
Die Stromlieferverträge sind ganz normale schuldrechtliche Vertragsverhältnisse. Daher muss es dem Stromlieferanten im Falle einer Nichtzahlung durch den Kunden grundsätzlich möglich sein, die Lieferung einzustellen. Ich möchte noch einmal klarstellen – meine Vorredner haben es erwähnt –: Ab einem Rückstand von circa 100 Euro wird überlegt, zu sperren. Eine Sperrung kostet zwischen 100 und 168 Euro; die Höhe ist prozentual vom Rückstand abhängig. Jeder Stromlieferant, jedes Stadtwerk überlegt sich, ob es dieses Risiko eingeht und eventuell auf seinen Forderungen sitzen bleibt. Sie sind daher bemüht, mit den Betroffenen zu reden.
Im BGB ist ganz klar geregelt, dass die zustehenden Leistungsverweigerungsrechte eingeschränkt und zugunsten des Kunden an weitere Voraussetzungen geknüpft sind. Hierzu zählen: mehrere Mahnungen und eine Androhungsfrist von mindestens vier Wochen. Die beabsichtigte Unterbrechung muss mindestens drei Werktage im Voraus angekündigt werden. In der Praxis wird diese Frist seitens der Unternehmen oftmals kulanterweise verlängert. So ist wirklich sichergestellt, dass jedem Bürger ausreichend Zeit bleibt, um die Sozialhilfeträger um eine Kostenübernahme zu bitten und damit eine Liefersperre abzuwenden. Um soziale Härten zu vermeiden – ich wiederhole, was schon gesagt wurde –, besteht für sozial schwache Kunden die Möglichkeit, die Kosten der Stromlieferung im Rahmen der Grundsicherung abzudecken. Stromsperren sind die Ultima Ratio der möglichen Maßnahmen bei zahlungsunwilligen Kunden oder bei Kunden, die nicht zahlen können. Aber jeder Bürger, der sich in einer sozialen Notlage befindet, hat die Möglichkeit, eine Liefersperre zu verhindern.
Ich sage ganz bewusst: Wir können doch nicht unsere Rechtsstaatlichkeit außer Kraft setzen, weil 0,8 Prozent der Haushalte ihre Stromrechnung nicht zahlen können. Es ist jedenfalls nicht gemeinwirtschaftlich, wie Sie schreiben, die Kosten einer Minderheit auf die Mehrheit der Bevölkerung abzuwälzen. Zahlende Bürger können nicht die nichtzahlenden Bürger mitfinanzieren. Das geht nicht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Marcus Held [SPD])
Ein völliges Verbot der Stromsperre würde einseitig zulasten der meist kommunalen Energieversorger sowie der anderen Kunden gehen.
Alle Ihre diesbezüglichen Forderungen – das muss ich jetzt schon einmal festhalten, weil das auch für Ihren Antrag zu bundeseinheitlichen Netzentgelten gilt, den Sie letzte Sitzungswoche eingebracht haben – kommen einer Verstaatlichung der Energieversorgung durch die Hintertür gleich. Wir sind gegen eine Verstaatlichung. Staatliche Verpflichtungen widersprechen den europäischen Bemühungen um eine Liberalisierung der Energieendkundenmärkte und um die weitere Stärkung des Wettbewerbs. Ich nenne das Planwirtschaft. Das wollen wir nicht unterstützen, und das können wir nicht unterstützen.
Es wird immer Menschen bzw. Haushalte geben, die sich Strom nicht leisten können. Für diese Menschen brauchen wir – ich glaube, darüber sind wir uns einig – soziale Unterstützung und nicht eine allgemeine, kostenlose Grundversorgung mit Strom, wie Sie es fordern. Wir alle befürworten die Unterstützung sozial schwacher Haushalte, um eine Grundversorgung mit Energie sicherzustellen. Eine separate Betrachtung jedoch und die Definition einzelner Armutsfelder – mit „Energiearmut“ definieren Sie ein solches Feld – ist nicht zielführend.
Wir unterstützen das dritte Energiepaket der EU aus dem Jahr 2009 ganz klar, bei dem es darum geht, die Strom- und Gasmärkte in der EU weiter zu liberalisieren und die Verbraucherrechte zu stärken. Dazu gehört unter anderem – ich nenne jetzt nur ein Beispiel – der Schutz von schutzbedürftigen Kunden.
Ich halte das, was wir im Koalitionsvertrag verankert haben, für wichtig: Wir sollten die Smart Grids und die Smart Meter zum Einsatz bringen und durch sogenannte Prepaid-Tarife die Menschen dazu bringen, zu überlegen, wie sie sich beim Stromverbrauch verhalten. Das ist im Übrigen nicht nur für sozial schwache Familien wichtig; das ist für uns alle wichtig. Wir alle müssen ein bisschen mehr darüber nachdenken, wie wir mit dem Strom umgehen.
(Beifall des Abg. Jens Koeppen [CDU/CSU])
Mit der Novelle zum EEG haben wir erreicht, dass die Strompreise konstant bleiben, zumindest nicht weiter ansteigen, und im nächsten Jahr zum ersten Mal wieder sinken – ich füge hinzu: sinken sollen. Es ist unser langfristiges Ziel, die Strompreise zu senken.
Damit bin ich am Ende meiner Rede. Ihrem Antrag können wir in keiner Weise zustimmen.
Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Danke schön. – Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Bernd Westphal, SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4227022 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | Stromsperren |