05.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. EP / Session 74 / Tagesordnungspunkt 29

Franziska BrantnerDIE GRÜNEN - Vereinbarte Debatte 25 Jahre VN-Kinderrechtskonvention

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher! Leider sind nicht so viele Kinder anwesend. Es wäre anlässlich unserer heutigen Debatte über die Kinderrechtskonvention schön, wenn die Ränge auf der Zuschauertribüne voll mit Kindern wären.

Heute ist ein besonderer Tag, da wir über die Kinderrechtskonvention sowie die Rechte der Kinder in unserem Land und weltweit reden. Anlässlich des Jahrestags der Verabschiedung der Kinderrechtskonvention habe ich am 20. November in meinem Wahlkreis die 3. und 4. Klassen einer Grundschule in Heidelberg besucht, um über die Kinderrechtskonvention zu sprechen. Nachdem ich mit den Kindern ein bisschen geredet hatte, meldete sich ein Mädchen zu Wort und fragte: Was bedeutet „ein Recht“? Ich fand es ziemlich schwierig, diese Frage zu beantworten. Was bedeutet „ein Recht“? Was ist dein Recht? Ich habe versucht, die Frage anhand von Beispielen zu beantworten. Ich habe gesagt: Dein Recht ist beispielsweise, nicht geschlagen zu werden. Daraufhin meldete sich ein Junge und sagte: Aber mein Papa haut mich. Dann dachte ich: Das war wohl das falsche Beispiel. Was habe ich damit nur provoziert? Dann sagte ich: Dein Recht ist, genau gleich behandelt zu werden wie alle anderen. Daraufhin meldete sich ein Mädchen und fragte: Darf ich trotzdem über jemand anderen lachen? Das war auch keine einfach zu beantwortende Frage. Ich habe gesagt: Nicht weil sie aus einem anderen Land kommt oder anders ausschaut. Daraufhin meinte das Mädchen: Wenn sie aber die Sprache nicht kann und deswegen lauter Blödsinn sagt? Ich habe gesagt: Nein, auch deswegen nicht. Dann sah ich, dass ein Mädchen in der hinteren Ecke offensichtlich nicht so gut deutsch sprach und etwas zusammenzuckte.

Dann habe ich die Kinder etwas gefragt: Wisst ihr denn, wo ihr euch beschweren könnt, wenn ihr euch ungerecht behandelt fühlt? Dann war es relativ ruhig in der Klasse. Nach einer Weile meldete sich ein Mädchen und sagte: Bei der Lehrerin. Ich fand es beruhigend, dass die Kinder in dieser Schule offensichtlich so viel Vertrauen in die Lehrerin haben, um sich bei ihr zu beschweren. Ich sagte dann: Bei uns gibt es eine Kinderschutzbeauftragte in jedem Viertel. – Den Namen dieser Person hatte keines der Kinder jemals gehört. Dann dachte ich: Eigentlich ist es die Aufgabe dieser Person, Kinder wissen zu lassen, wo sie sich beschweren können, wenn ihre Rechte nicht eingehalten werden.

Frau Rüthrich, Sie haben zu Recht die Missstände in Deutschland beschrieben und darauf hingewiesen, dass diese in Zukunft beseitigt werden müssen, wie Kinderarmut, keine gleichen Chancen für alle Kinder, Schutz vor Gewalt und sexuellem Missbrauch sowie Ausgrenzung, nicht die gleichen Rechte für Flüchtlinge. Erlauben Sie mir, darauf hinzuweisen, dass Sie, wenn wir dorthin wollen, wo Sie in 25 Jahren sein wollen, nun entsprechende Schritte machen müssen. Sonst sind wir in 25 Jahren nicht dort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Artikel 2 der Kinderrechtskonvention ist sehr deutlich:

Das ist doch enorm breit. Da steht nicht „jedem deutschen Kind“, sondern „jedem ihrer Hoheitsgewalt unterstehenden Kind“. Wenn wir diesem Anspruch in Artikel 2 gerecht werden wollen, dann müssen wir dringend etwas mit Blick auf die Kinderarmut in unserem Land tun; denn nach Artikel 2 sind die Rechte jedem Kind zu gewährleisten, unabhängig vom Vermögen. Das ist in Deutschland keine Realität. Genauso wenig ist es Realität, dass ein Flüchtlingskind die gleichen Chancen hat. Daher lautet mein Appell: Sorgen Sie für Änderungen! Wir ändern gerade ständig Asylgesetze. Vielleicht können wir sie in diesem Sinne positiv ändern. Das würde mich und sicherlich auch viele Kinder in diesem Land sehr erfreuen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen noch Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention vorlesen, über den wir mit Blick auf das Grundgesetz gerade noch einmal diskutiert haben:

(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Das passiert aber schon!)

Herr Weinberg, Sie haben gerade gesagt: Kinder oder Familie. – Natürlich ist Familie immer ein Gesichtspunkt. Im zitierten Artikel steht, dass das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt ist – dort steht überhaupt nicht, dass es andere Gesichtspunkte gibt –, der, das ist wichtig, „vorrangig zu berücksichtigen ist“. Das ist in Deutschland nicht überall der Fall: dass das Kindeswohl vorrangig berücksichtigt wird.

(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Muss aber sein!)

Das gilt für Verkehrsplanungen; das gilt für unser Baurecht. Auch im Asylrecht ist das nicht der Fall. Bei Fragen von Inobhutnahmen ist es am Ende ebenfalls nicht immer das Kindeswohl, das entscheidet.

Herr Weinberg, Sie haben gerade gesagt: Die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz ist nur eine Symbolik. – Ich würde da widersprechen und sagen: Es geht um mehr als nur um eine Symbolik. Aber selbst wenn es nur ein Symbol wäre: Warum sind Sie gegen dieses Symbol? Warum wollen Sie als CDU-Bundestagsabgeordneter das Symbol, dass die Kinder gleiche Rechte haben und dass ihre Rechte im Grundgesetz verankert sind, nicht haben? Wenn es nur ein Symbol ist, warum wollen Sie es dann nicht? Ich bin davon überzeugt, dass die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz mehr als ein Symbol ist, dass sie bei der Auslegung und Fortentwicklung von Gesetzen etwas verändern würde. Von daher halte ich Ihren Hinweis auf die Symbolik für kein akzeptables Argument. Sie müssen schon inhaltlich begründen, warum Sie das nicht wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich wollte am Ende nur sagen: Erlauben Sie, dass wir in 25 Jahren dieses Ziel erreicht haben! Lassen Sie uns, Deutschland, Vorreiter sein bei der Umsetzung der UN- Kinderrechtskonvention!

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist Ulrike Bahr, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

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Session 74
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