Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Menschenhandel ist ein abscheuliches Verbrechen und ein klarer Verstoß gegen Menschenrechte. Menschenhandel, das ist sexuelle Ausbeutung. Menschenhandel, das ist auch Ausbeutung der Arbeitskraft. Im Bereich Menschenhandel, mit und durch Menschenhandel, wird viel Geld verdient – das wissen wir –, und Menschenhandel hat ein jahrelanges Leid der Opfer zur Folge. Deswegen sind wir uns hier im Hause, denke ich, einig, dass wir für die Opfer von Menschenhandel etwas tun müssen, und das nehmen wir uns hier gemeinsam auch fest vor.
Wir müssen Menschenhandel, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur national, sondern auch international wirksam und engagiert bekämpfen. Deswegen ist es gut, dass wir internationale Verpflichtungen haben: das UN- Zusatzprotokoll, die Europaratskonvention und seit 2011 auch die EU-Richtlinie. Ich will das auch hier ganz deutlich sagen: Natürlich ist es peinlich – wir, die wir hier heute Nachmittag zusammensitzen, wissen das auch –, dass Deutschland die Europaratskonvention bisher noch nicht ordentlich umgesetzt hat und auch die Richtlinie noch nicht umgesetzt hat. Genau daran arbeitet diese Regierungskoalition.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir haben in Deutschland schlimme Fälle von Menschenhandel; wir wissen das. Wir wissen auch, dass wir die Opfer bisher nicht ausreichend schützen und dass wir die Täter in viel zu geringem Maß und nicht wirksam verurteilen. Deswegen haben wir uns im Koalitionsvertrag für diese Legislaturperiode vier Punkte vorgenommen: Wir wollen die Opfer besser schützen, und das werden wir auch tun. Wir wollen das Strafrecht überarbeiten, um Täter wirksam bestrafen zu können. Wir wollen vor allen Dingen die Arbeitsausbeutung stärker in den Fokus nehmen; denn die ist viel zu wenig in der Diskussion. Wir wollen, damit wir legale Prostitution von Zwangsprostitution besser unterscheiden und Zwangsprostitution besser bekämpfen können, eine strikte Trennung vornehmen und auch dort Verbesserungen erreichen.
Ausgangspunkt – das haben Sie gesagt, Herr Beck – ist der Schutz der Opfer von Menschenhandel. Das ist der Ausgangspunkt all unserer Bemühungen. Deshalb ist es natürlich richtig und wichtig, das Aufenthaltsrecht zu verbessern. Wir waren zu Anfang der 17. Legislaturperiode mit dem Rechtsausschuss in den USA – Sie waren dabei, Frau Jelpke; Jerzy Montag, unser früherer Kollege, war dabei – und haben uns gemeinsam vorgenommen, wie die USA – das ist nämlich ein gutes Beispiel – ein umfassendes Aufenthaltsrecht für Opfer von Menschenhandel zu schaffen.
Wir haben in den USA ganz kritisch nachgefragt: Kommen mehr Menschen dadurch in die USA, dass sie vorgeben, Opfer von Menschenhandel zu sein? Die Antwort war ganz klar und deutlich: Nein, das schafft keine Sogwirkung. Niemand erklärt sich zum Opfer von Menschenhandel und nutzt ein Aufenthaltsrecht dadurch aus.
Das war für uns ein gutes Beispiel. Deswegen haben wir gemeinsam vereinbart, dass wir das Aufenthaltsrecht überarbeiten und dass wir für Opfer von Menschenhandel ein besseres, ein wirksames Bleiberecht in Deutschland schaffen.
Genau das steht in dem Gesetzentwurf aus dem Bundesministerium des Innern, der am Mittwoch im Kabinett verabschiedet wurde. Dieser Entwurf enthält keine kleinen Verbesserungen, sondern ganz viele wichtige und ganz erhebliche Verbesserungen für die Opfer von Menschenhandel.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das sind genau die Verbesserungen, die auch in dem Gesetzentwurf der Grünen und in dem Europaratsübereinkommen angesprochen werden. Ich will die fünf Punkte noch einmal hervorheben – sie sind alles andere als unwesentlich –:
Wir gestalten das Bleiberecht in eine Sollvorschrift um. Außerdem gestalten wir das Bleiberecht so um, dass den Opfern von Menschenhandel der Aufenthalt nicht mehr nur für sechs Monate, sondern für ein Jahr gewährt werden soll. Es gibt außerdem eine Sollverlängerung des Bleiberechts nach dem Strafverfahren. Auch das ist eine deutliche Verbesserung. Wir haben zudem die Möglichkeit eines Familiennachzugs geschaffen. Ihn gab es bisher überhaupt nicht. Er war für Opfer von Menschenhandel ausgeschlossen. Der Familiennachzug ist für die Opfer jedoch sehr wichtig.
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Nina Warken [CDU/CSU])
Und: Wir schaffen einen Zugang zu Integrationskursen. Auch das ist wichtig, weil wir die Opfer nicht nur wirksam schützen, sondern ihnen auch die Möglichkeit geben wollen, sich hier zu integrieren und länger hier zu bleiben.
Ich freue mich auf die Beratungen dieses Gesetzentwurfes hier im Deutschen Bundestag, weil darin die wichtige Vereinbarung enthalten ist, die Opfer von Menschenhandel wirksam zu schützen.
Am 28. November dieses Jahres haben wir im Bundesrat und vorher auch in diesem Hause eine weitere Verbesserung für Opfer von Menschenhandel erreicht. Wir haben sie nämlich komplett aus dem Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes herausgenommen. Dafür hat sich die SPD-Fraktion sehr engagiert, und wir haben das gemeinsam vereinbart; auch der Bundesrat fand das richtig. Denn Opfer von Menschenhandel gehören nicht in den Geltungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes. Vielmehr sollen sie dann, wenn sie Sozialleistungen beziehen, diese auf Grundlage der normalen Sozialregelungen beziehen.
(Beifall bei der SPD)
Wir haben uns außerdem etwas vorgenommen, was ich schon angesprochen habe – Stichwort: wirksame Bestrafung der Täter –: Wir wollen die entsprechenden Regelungen im Strafrecht, insbesondere die §§ 232 und 233 Strafgesetzbuch, so überarbeiten, dass nicht mehr allein die Aussage der Opfer entscheidend ist für die Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens, eines Strafverfahrens und für eine mögliche Verurteilung der Täter, sondern die Gesamtumstände der Ausbeutung berücksichtigt werden. Damit werden die objektiven Tatumstände stärker herangezogen. Dadurch machen wir die Bestrafung der Täter etwas unabhängiger von der Aussage der Opfer, als es gegenwärtig der Fall ist.
(Beifall bei der SPD)
Eine letzte Bemerkung. Wenn wir Opfer besser schützen und Täter wirksamer bestrafen wollen, dann muss man sich hier im Haus, also im Bund, aber auch in den Ländern darüber im Klaren sein, dass wir dafür Geld in die Hand nehmen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir brauchen bessere Schulungen, beispielsweise der Grenzbeamten und der Behördenmitarbeiter. Wir brauchen Beratungsstellen. Wir brauchen Sensibilisierungskampagnen. Wir brauchen einen Zugang zu Bildung. Über die rechtlichen Regelungen hinaus, über die wir hier miteinander diskutieren, wird es erforderlich sein, die geplanten Schritte durch solche Maßnahmen zu ergänzen.
Ich denke, das ist ein gutes Maßnahmenpaket für die Opfer von Menschenhandel bzw. zur Bekämpfung von Menschenhandel insgesamt. Wir schützen damit die Opfer besser, und wir bestrafen die Täter wirksamer. Ich würde mich freuen, wenn wir darüber diskutieren und es gemeinsam auf den Weg bringen würden. Denn in dem Paket der Koalition sind viele Punkte, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf aufführen, bereits enthalten oder sogar schon erledigt.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die erledigten Punkte müssen Sie mir noch einmal erklären!)
Für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege Dr. Volker Ullrich das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/4227348 |
Wahlperiode | 18 |
Sitzung | 74 |
Tagesordnungspunkt | Situation von Opfern von Menschenhandel |