17.12.2014 | Deutscher Bundestag / 18. WP / Sitzung 75 / Zusatzpunkt 1

Hans-Christian StröbeleDIE GRÜNEN - Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es kommt nicht so häufig vor, dass ich in Versuchung bin, Vertreter des US-Staates zu loben. Aber heute lobe ich einen Ausschuss des Senats des US-Kongresses, insbesondere seine Vorsitzende, Frau Feinstein, in diesem Hause:

(Beifall der Abg. Ulla Schmidt [Aachen] [SPD])

Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie uns diesen Bericht vorgelegt haben, dass Sie ihn über lange Zeit erarbeitet haben und dass Sie es durchgehalten haben, wenigstens einen Teil von 500 Seiten zu veröffentlichen.

(Beifall im ganzen Hause)

Sie haben sich – so etwas sage ich nicht so schnell – um unsere Werte verdient gemacht, um die Würde des Menschen, um Grundrechte und Menschenrechte auf körperliche Unversehrtheit und auf Leben. Sie haben Folter in den Jahren 2002 bis 2008, also ganze sechs Jahre lang Folter in den USA, aufgedeckt. In den USA gibt es eine Diskussion darüber: War das Folter, oder war das unmenschliche Behandlung, oder war das gerechtfertigt? Ich habe dazu einen Artikel gefunden. Danach hat US- Senator McCain in einer Pressekonferenz erklärt: Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die USA Personen aus Japan, die während des Zweiten Weltkrieges Waterboarding praktiziert haben, zum Tode verurteilt und hingerichtet. – Muss man dann noch darüber streiten, ob Waterboarding Folter oder unmenschliche Behandlung ist?

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt geht es – die Kollegen haben zu Recht darauf hingewiesen – nicht nur darum, diesen Bericht zu feiern und zu nutzen, sondern auch um die Konsequenzen aus diesem Bericht. Herr Kollege Heinrich, ich unterscheide mich da von Ihnen in nur einem Punkt. Natürlich sage auch ich: Die Verantwortlichen in den Vereinigten Staaten müssen zur Rechenschaft gezogen werden – diejenigen, die gefoltert haben, diejenigen, die die Folter angeordnet haben, die auf Folter bestanden haben. Selbst wenn die Folterer zusammengebrochen sind, geweint haben, sich an ihre Vorgesetzten gewandt haben und gesagt haben: „Wir können das nicht mehr, wir wollen das abbrechen, wir halten das nicht durch“, wurden sie angewiesen, das weiterhin zu machen. Diejenigen, die so etwas angeordnet haben, die so etwas zu verantworten haben, müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Wenn das in den USA nicht geschieht, dann ist die internationale Gemeinschaft gefragt,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

dann ist auch ein internationaler Gerichtshof gefragt. Aber, Herr Kollege, jetzt kommt der Unterschied: Wir zeigen auch bei diesem Punkt nicht nur auf die USA, sondern auch auf andere Staaten, auf europäische Staaten, auf Staaten außerhalb Europas, und wir zeigen auch auf Deutschland.

Wir haben uns in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der 16. Legislaturperiode sehr ausführlich mit Folterpraktiken und der Frage, was Deutschland damit zu tun hat, befasst. Wir haben eine ganze Reihe von Indizien aufgelistet, zum Beispiel Indizien dafür, dass allein in der Zeit von 2003 bis 2005 368 Rendition-Flüge, also Flüge von CIA-Flugzeugen über Deutschland, gesichtet worden sind und solche Flugzeuge hier niedergegangen sind. Wir haben uns mit dem Fall des in Italien gekidnappten, nach Ramstein gebrachten, dort umgeladenen, dann nach Ägypten geflogenen und dort im Foltergefängnis gefolterten Mannes beschäftigt. Wir haben uns mit el-Masri beschäftigt. Wir haben uns mit Kurnaz beschäftigt. Und wir brauchen jetzt diesen Bericht aus den Vereinigten Staaten, um festzustellen, ob es neue Fakten gibt, die es ermöglichen, auch hier in Deutschland die Verantwortlichen zur Verantwortung zu ziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deshalb soll sich der Deutsche Bundestag – unsere Fraktion hat das gestern beschlossen – an die Kollegen im Senat der Vereinigten Staaten wenden, unterstützt von der Bundesregierung, um den vollständigen Bericht von über 6 000 Seiten zu erbitten, damit wir anhand dieses Berichtes Verantwortlichkeiten in Europa und der ganzen Welt feststellen und die entsprechenden Straftaten verfolgen und bestrafen können; denn die USA waren es nicht alleine.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt nennen. Es mag ja sein – das ist ja menschlich –, dass Herr Bush, Herr Rumsfeld und Herr Tenet, der damalige CIA-Chef, heute sagen: Das ist alles gerechtfertigt. – Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollen sie dann ihrem Richter erzählen. Wenn der meint, wenn die Jury meint, das war gerechtfertigt, dann sollen sie ein solches Urteil sprechen. Nach dem, was die Herren sagen, müssen wir uns nicht richten; für uns sind das Verantwortliche, die vor Gericht gehören.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für die SPD spricht jetzt der Kollege Christoph Strässer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/4287218
Wahlperiode 18
Sitzung 75
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zu Folter durch die USA und Folgen für den Kampf um Menschenrechte
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